Zeitung, worin der angebliche Unterricht geschildert ward, den Talma dem neuen Kaiser im Ausdruck tragischer Affecte gebe. Er sah nicht den Gewaltigen vor sich, sondern den Schüler des Schauspielers.
"Sire, entgegnete er, es ist die Taktik der Preu¬ ßen, einen gewissen Angriff nicht abzuwarten, sondern ihm zuvor zu kommen."
Seine Majestät der Kaiser mußte aus irgend einem Grunde auch diese Antwort nicht gehört haben. Er fuhr im vorigen Tone, als wäre gar nicht da¬ zwischen geredet, fort:
"Füsiliren ließe ich ihn, wäre ich Ihr König, wenn er noch lebte. Weiß Ihr König nicht, wie auf diesen Prinzen die Hoffnungen der preußischen Jakobiner gerichtet waren? Wer stand ihm dafür, daß sein Ehrgeiz nicht weiter ging? Von politischer Freiheit sprach er, er klagte, daß ich die liberalen Ideen ersticke -- ich kann Briefe des Todten vor¬ legen -- eine Krone wäre ihm nicht zu hoch gewe¬ sen, wenn seine Freunde sie ihm boten. Kennt Ihr König diese Freunde? Hab' ich umsonst die Jako¬ biner in Frankreich zertreten, damit sie in Preußen ihr Haupt erheben? Ihr König dauert mich. Er ist von Schwärmern und Jakobinern umgeben. Man will nicht sein Wohl, man will liberale Ideen. Ja, die will man!"
"Laßt die Todten ruhen!" sprach Bovillard.
"Und die Weiber auch. -- Mit toll gewordenen Frauen kämpfen müssen! Und man soll nicht in
Zeitung, worin der angebliche Unterricht geſchildert ward, den Talma dem neuen Kaiſer im Ausdruck tragiſcher Affecte gebe. Er ſah nicht den Gewaltigen vor ſich, ſondern den Schüler des Schauſpielers.
„Sire, entgegnete er, es iſt die Taktik der Preu¬ ßen, einen gewiſſen Angriff nicht abzuwarten, ſondern ihm zuvor zu kommen.“
Seine Majeſtät der Kaiſer mußte aus irgend einem Grunde auch dieſe Antwort nicht gehört haben. Er fuhr im vorigen Tone, als wäre gar nicht da¬ zwiſchen geredet, fort:
„Füſiliren ließe ich ihn, wäre ich Ihr König, wenn er noch lebte. Weiß Ihr König nicht, wie auf dieſen Prinzen die Hoffnungen der preußiſchen Jakobiner gerichtet waren? Wer ſtand ihm dafür, daß ſein Ehrgeiz nicht weiter ging? Von politiſcher Freiheit ſprach er, er klagte, daß ich die liberalen Ideen erſticke — ich kann Briefe des Todten vor¬ legen — eine Krone wäre ihm nicht zu hoch gewe¬ ſen, wenn ſeine Freunde ſie ihm boten. Kennt Ihr König dieſe Freunde? Hab' ich umſonſt die Jako¬ biner in Frankreich zertreten, damit ſie in Preußen ihr Haupt erheben? Ihr König dauert mich. Er iſt von Schwärmern und Jakobinern umgeben. Man will nicht ſein Wohl, man will liberale Ideen. Ja, die will man!“
„Laßt die Todten ruhen!“ ſprach Bovillard.
„Und die Weiber auch. — Mit toll gewordenen Frauen kämpfen müſſen! Und man ſoll nicht in
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Zeitung, worin der angebliche Unterricht geſchildert
ward, den Talma dem neuen Kaiſer im Ausdruck
tragiſcher Affecte gebe. Er ſah nicht den Gewaltigen
vor ſich, ſondern den Schüler des Schauſpielers.
„Sire, entgegnete er, es iſt die Taktik der Preu¬
ßen, einen gewiſſen Angriff nicht abzuwarten, ſondern
ihm zuvor zu kommen.“
Seine Majeſtät der Kaiſer mußte aus irgend
einem Grunde auch dieſe Antwort nicht gehört haben.
Er fuhr im vorigen Tone, als wäre gar nicht da¬
zwiſchen geredet, fort:
„Füſiliren ließe ich ihn, wäre ich Ihr König,
wenn er noch lebte. Weiß Ihr König nicht, wie
auf dieſen Prinzen die Hoffnungen der preußiſchen
Jakobiner gerichtet waren? Wer ſtand ihm dafür,
daß ſein Ehrgeiz nicht weiter ging? Von politiſcher
Freiheit ſprach er, er klagte, daß ich die liberalen
Ideen erſticke — ich kann Briefe des Todten vor¬
legen — eine Krone wäre ihm nicht zu hoch gewe¬
ſen, wenn ſeine Freunde ſie ihm boten. Kennt Ihr
König dieſe Freunde? Hab' ich umſonſt die Jako¬
biner in Frankreich zertreten, damit ſie in Preußen
ihr Haupt erheben? Ihr König dauert mich. Er
iſt von Schwärmern und Jakobinern umgeben. Man
will nicht ſein Wohl, man will liberale Ideen. Ja,
die will man!“
„Laßt die Todten ruhen!“ ſprach Bovillard.
„Und die Weiber auch. — Mit toll gewordenen
Frauen kämpfen müſſen! Und man ſoll nicht in
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/300>, abgerufen am 25.11.2024.
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