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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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der über den Wachtfeuern des Feindes sich kräuselte,
jeden Windzug, der in der Zeltleinwand spielte. Seit
die Rotten und Glieder sich auf die Erde gestreckt,
konnte man das Schauspiel frei übersehen. So weit
das Auge in die Nacht reichte, Wachtfeuer und Zelt¬
reihen. Durch sechs Stunden dehnte sich die Schlacht¬
linie der Preußen aus, hell, licht, Alles in beque¬
mer, hergebrachter Ordnung. Und hier auf engem
Raum, um einen bewaldeten Berg zusammengedrängt,
im Dunkel seiner Schatten und der Nacht, und am
Rande eines Abgrunds hinter ihm, der Feind. Die
Wachtposten standen kaum auf Schußweite von ein¬
ander entfernt; aber es fiel kein Schuß, kein Allarm¬
zeichen, kein versprengtes Pferd störte die Ruhe.
Schien es doch ein stillschweigend Abkommen, sie be¬
durften beide der Ruhe, um morgen sich zu morden.

Nicht Alle schliefen, auch von denen nicht, wel¬
chen es vergönnt war. Unter einer Eiche lag ein zum
Tode Verurtheilter. Der Officier, der ihm zur Be¬
wachung zugeordert, hatte ihm doch höflich das Bund
Heu, was für sein Pferd bestimmt, zum Kopfkissen
gegeben, daß er, so bequem es ging, eines letzten
Schlafes vor seinem letzten Tage sich erfreue. Aber
Louis Bovillard konnte nicht schlafen, oder er hatte
schon genug geschlafen; er richtete sich auf und stützte
den Kopf auf seinem gesunden rechten Arm. Der
linke war verwundet, ein Verband war darum ge¬
schlungen. Vorgestern war er, als er, aus dem
Saalethal aufgescheucht, über die Schwarzach setzen

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der über den Wachtfeuern des Feindes ſich kräuſelte,
jeden Windzug, der in der Zeltleinwand ſpielte. Seit
die Rotten und Glieder ſich auf die Erde geſtreckt,
konnte man das Schauſpiel frei überſehen. So weit
das Auge in die Nacht reichte, Wachtfeuer und Zelt¬
reihen. Durch ſechs Stunden dehnte ſich die Schlacht¬
linie der Preußen aus, hell, licht, Alles in beque¬
mer, hergebrachter Ordnung. Und hier auf engem
Raum, um einen bewaldeten Berg zuſammengedrängt,
im Dunkel ſeiner Schatten und der Nacht, und am
Rande eines Abgrunds hinter ihm, der Feind. Die
Wachtpoſten ſtanden kaum auf Schußweite von ein¬
ander entfernt; aber es fiel kein Schuß, kein Allarm¬
zeichen, kein verſprengtes Pferd ſtörte die Ruhe.
Schien es doch ein ſtillſchweigend Abkommen, ſie be¬
durften beide der Ruhe, um morgen ſich zu morden.

Nicht Alle ſchliefen, auch von denen nicht, wel¬
chen es vergönnt war. Unter einer Eiche lag ein zum
Tode Verurtheilter. Der Officier, der ihm zur Be¬
wachung zugeordert, hatte ihm doch höflich das Bund
Heu, was für ſein Pferd beſtimmt, zum Kopfkiſſen
gegeben, daß er, ſo bequem es ging, eines letzten
Schlafes vor ſeinem letzten Tage ſich erfreue. Aber
Louis Bovillard konnte nicht ſchlafen, oder er hatte
ſchon genug geſchlafen; er richtete ſich auf und ſtützte
den Kopf auf ſeinem geſunden rechten Arm. Der
linke war verwundet, ein Verband war darum ge¬
ſchlungen. Vorgeſtern war er, als er, aus dem
Saalethal aufgeſcheucht, über die Schwarzach ſetzen

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[275/0285] der über den Wachtfeuern des Feindes ſich kräuſelte, jeden Windzug, der in der Zeltleinwand ſpielte. Seit die Rotten und Glieder ſich auf die Erde geſtreckt, konnte man das Schauſpiel frei überſehen. So weit das Auge in die Nacht reichte, Wachtfeuer und Zelt¬ reihen. Durch ſechs Stunden dehnte ſich die Schlacht¬ linie der Preußen aus, hell, licht, Alles in beque¬ mer, hergebrachter Ordnung. Und hier auf engem Raum, um einen bewaldeten Berg zuſammengedrängt, im Dunkel ſeiner Schatten und der Nacht, und am Rande eines Abgrunds hinter ihm, der Feind. Die Wachtpoſten ſtanden kaum auf Schußweite von ein¬ ander entfernt; aber es fiel kein Schuß, kein Allarm¬ zeichen, kein verſprengtes Pferd ſtörte die Ruhe. Schien es doch ein ſtillſchweigend Abkommen, ſie be¬ durften beide der Ruhe, um morgen ſich zu morden. Nicht Alle ſchliefen, auch von denen nicht, wel¬ chen es vergönnt war. Unter einer Eiche lag ein zum Tode Verurtheilter. Der Officier, der ihm zur Be¬ wachung zugeordert, hatte ihm doch höflich das Bund Heu, was für ſein Pferd beſtimmt, zum Kopfkiſſen gegeben, daß er, ſo bequem es ging, eines letzten Schlafes vor ſeinem letzten Tage ſich erfreue. Aber Louis Bovillard konnte nicht ſchlafen, oder er hatte ſchon genug geſchlafen; er richtete ſich auf und ſtützte den Kopf auf ſeinem geſunden rechten Arm. Der linke war verwundet, ein Verband war darum ge¬ ſchlungen. Vorgeſtern war er, als er, aus dem Saalethal aufgeſcheucht, über die Schwarzach ſetzen 18*

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/285>, abgerufen am 24.11.2024.