Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Dreizehntes Kapitel.
Der Schüler des Schauspielers.

Es war eine wunderbar bewegte Nacht vom 13.
zum 14. October. Die Sterne warfen kein Licht
auf das tiefe Saalethal, und die Tausende von Lich¬
tern, die auf Befehl an den Fenstern der Stadt
Jena brannten, verbreiteten nur einen ungewissen
Schimmer, der die Dunkelheit noch dunkler zeigte.
Aber durch die Nacht rauschte und dröhnte es, wie
wenn Dämonen einer Erdrevolution vorarbeiten.
Durch die Krümmungen der Schlucht, so weit das
Auge getragen hätte, das Ohr reichte, wogte und
wallte es; es war kein Strom, der durch die Rip¬
pen der Erde bricht, keine Windsbraut, die die Wol¬
ken peitscht, keine Feuersbrunst, die über Dächerreihen
prasselt, es war ein heimliches, dumpfes Wirken und
Schaffen, wie eine Sprache, die keine articulirten
Töne findet. Wie die Riesenschlange die Erde um¬
faßt; in lautloser Wuth und Kraft drückt sie ihre
Weichen, und da steigen gepreßte Schmerzenstöne in
die Luft, so durchbrach die Monotonie hier ein Schrei,

Dreizehntes Kapitel.
Der Schüler des Schauſpielers.

Es war eine wunderbar bewegte Nacht vom 13.
zum 14. October. Die Sterne warfen kein Licht
auf das tiefe Saalethal, und die Tauſende von Lich¬
tern, die auf Befehl an den Fenſtern der Stadt
Jena brannten, verbreiteten nur einen ungewiſſen
Schimmer, der die Dunkelheit noch dunkler zeigte.
Aber durch die Nacht rauſchte und dröhnte es, wie
wenn Dämonen einer Erdrevolution vorarbeiten.
Durch die Krümmungen der Schlucht, ſo weit das
Auge getragen hätte, das Ohr reichte, wogte und
wallte es; es war kein Strom, der durch die Rip¬
pen der Erde bricht, keine Windsbraut, die die Wol¬
ken peitſcht, keine Feuersbrunſt, die über Dächerreihen
praſſelt, es war ein heimliches, dumpfes Wirken und
Schaffen, wie eine Sprache, die keine articulirten
Töne findet. Wie die Rieſenſchlange die Erde um¬
faßt; in lautloſer Wuth und Kraft drückt ſie ihre
Weichen, und da ſteigen gepreßte Schmerzenstöne in
die Luft, ſo durchbrach die Monotonie hier ein Schrei,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0281" n="[271]"/>
      <div n="1">
        <head>Dreizehntes Kapitel.<lb/><hi rendition="#b">Der Schüler des Schau&#x017F;pielers.</hi><lb/></head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Es war eine wunderbar bewegte Nacht vom 13.<lb/>
zum 14. October. Die Sterne warfen kein Licht<lb/>
auf das tiefe Saalethal, und die Tau&#x017F;ende von Lich¬<lb/>
tern, die auf Befehl an den Fen&#x017F;tern der Stadt<lb/>
Jena brannten, verbreiteten nur einen ungewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Schimmer, der die Dunkelheit noch dunkler zeigte.<lb/>
Aber durch die Nacht rau&#x017F;chte und dröhnte es, wie<lb/>
wenn Dämonen einer Erdrevolution vorarbeiten.<lb/>
Durch die Krümmungen der Schlucht, &#x017F;o weit das<lb/>
Auge getragen hätte, das Ohr reichte, wogte und<lb/>
wallte es; es war kein Strom, der durch die Rip¬<lb/>
pen der Erde bricht, keine Windsbraut, die die Wol¬<lb/>
ken peit&#x017F;cht, keine Feuersbrun&#x017F;t, die über Dächerreihen<lb/>
pra&#x017F;&#x017F;elt, es war ein heimliches, dumpfes Wirken und<lb/>
Schaffen, wie eine Sprache, die keine articulirten<lb/>
Töne findet. Wie die Rie&#x017F;en&#x017F;chlange die Erde um¬<lb/>
faßt; in lautlo&#x017F;er Wuth und Kraft drückt &#x017F;ie ihre<lb/>
Weichen, und da &#x017F;teigen gepreßte Schmerzenstöne in<lb/>
die Luft, &#x017F;o durchbrach die Monotonie hier ein Schrei,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[271]/0281] Dreizehntes Kapitel. Der Schüler des Schauſpielers. Es war eine wunderbar bewegte Nacht vom 13. zum 14. October. Die Sterne warfen kein Licht auf das tiefe Saalethal, und die Tauſende von Lich¬ tern, die auf Befehl an den Fenſtern der Stadt Jena brannten, verbreiteten nur einen ungewiſſen Schimmer, der die Dunkelheit noch dunkler zeigte. Aber durch die Nacht rauſchte und dröhnte es, wie wenn Dämonen einer Erdrevolution vorarbeiten. Durch die Krümmungen der Schlucht, ſo weit das Auge getragen hätte, das Ohr reichte, wogte und wallte es; es war kein Strom, der durch die Rip¬ pen der Erde bricht, keine Windsbraut, die die Wol¬ ken peitſcht, keine Feuersbrunſt, die über Dächerreihen praſſelt, es war ein heimliches, dumpfes Wirken und Schaffen, wie eine Sprache, die keine articulirten Töne findet. Wie die Rieſenſchlange die Erde um¬ faßt; in lautloſer Wuth und Kraft drückt ſie ihre Weichen, und da ſteigen gepreßte Schmerzenstöne in die Luft, ſo durchbrach die Monotonie hier ein Schrei,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/281
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. [271]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/281>, abgerufen am 22.12.2024.