Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Alles? rief Walter. Der Degen ist aus der
Scheide und der Herzog von Braunschweig --"

"Ein Greis, zitternd vor den Schauern der
Vergangenheit. Wenn ein Schwindel in der Schlacht
ihn überkommt, wenn er ohnmächtig wird, so müssen
wir die Schlacht aussetzen, denn wie ein eigensinni¬
ger Arzt hält er auf Arcana, will sein Recept Nie¬
mand mittheilen, und diesem Einen muß der unglück¬
liche Fürst sein Vertrauen, sein Reich, sein Alles
übergeben, ohne ihm eigentlich zu trauen. Wär's
nicht zu fürchterlich, klänge es wie eine bittere Sa¬
tyre -- ein arabisches Mährchen --"

"Wenn auch Sie, gnädiger Herr, die Hoffnung
aufgeben!"

"Ich gebe nichts auf, sprach der Minister mit
Stolz, nicht die Hoffnung, nicht meine Plane, nicht
einmal mein Vertrauen zu diesen Menschen, denn ich
hatte es nie. Komme, was da will, es muß darauf
wieder anders kommen, und vielleicht ist es gut, in
Gottes Rathschluß, daß das Nächste schlecht ist, un¬
erträglich schlecht, daß sie in Verzweiflung sich zerbeißen,
daß -- daß -- Aber Sie, van Asten, sprach er, und legte
die Hand ihm auf die Schulter -- Sie dürfen nie ver¬
zweifeln, nie den Kopf sinken lassen, mir nie den Stuhl
vor die Thür setzen, auch wenn ich Sie im Unmuth ein¬
mal zur Thür hinaus würfe. -- Die Augen auf! Wenn
ein Unglück geschieht, haben wir alle Hände voll zu thun.
Jetzt gehen Sie schlafen, damit Sie morgen wach sind."


„Alles? rief Walter. Der Degen iſt aus der
Scheide und der Herzog von Braunſchweig —“

„Ein Greis, zitternd vor den Schauern der
Vergangenheit. Wenn ein Schwindel in der Schlacht
ihn überkommt, wenn er ohnmächtig wird, ſo müſſen
wir die Schlacht ausſetzen, denn wie ein eigenſinni¬
ger Arzt hält er auf Arcana, will ſein Recept Nie¬
mand mittheilen, und dieſem Einen muß der unglück¬
liche Fürſt ſein Vertrauen, ſein Reich, ſein Alles
übergeben, ohne ihm eigentlich zu trauen. Wär's
nicht zu fürchterlich, klänge es wie eine bittere Sa¬
tyre — ein arabiſches Mährchen —“

„Wenn auch Sie, gnädiger Herr, die Hoffnung
aufgeben!“

„Ich gebe nichts auf, ſprach der Miniſter mit
Stolz, nicht die Hoffnung, nicht meine Plane, nicht
einmal mein Vertrauen zu dieſen Menſchen, denn ich
hatte es nie. Komme, was da will, es muß darauf
wieder anders kommen, und vielleicht iſt es gut, in
Gottes Rathſchluß, daß das Nächſte ſchlecht iſt, un¬
erträglich ſchlecht, daß ſie in Verzweiflung ſich zerbeißen,
daß — daß — Aber Sie, van Aſten, ſprach er, und legte
die Hand ihm auf die Schulter — Sie dürfen nie ver¬
zweifeln, nie den Kopf ſinken laſſen, mir nie den Stuhl
vor die Thür ſetzen, auch wenn ich Sie im Unmuth ein¬
mal zur Thür hinaus würfe. — Die Augen auf! Wenn
ein Unglück geſchieht, haben wir alle Hände voll zu thun.
Jetzt gehen Sie ſchlafen, damit Sie morgen wach ſind.“


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0280" n="270"/>
        <p>&#x201E;Alles? rief Walter. Der Degen i&#x017F;t aus der<lb/>
Scheide und der Herzog von Braun&#x017F;chweig &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ein Greis, zitternd vor den Schauern der<lb/>
Vergangenheit. Wenn ein Schwindel in der Schlacht<lb/>
ihn überkommt, wenn er ohnmächtig wird, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wir die Schlacht aus&#x017F;etzen, denn wie ein eigen&#x017F;inni¬<lb/>
ger Arzt hält er auf Arcana, will &#x017F;ein Recept Nie¬<lb/>
mand mittheilen, und die&#x017F;em Einen muß der unglück¬<lb/>
liche Für&#x017F;t &#x017F;ein Vertrauen, &#x017F;ein Reich, &#x017F;ein Alles<lb/>
übergeben, ohne ihm eigentlich zu trauen. Wär's<lb/>
nicht zu fürchterlich, klänge es wie eine bittere Sa¬<lb/>
tyre &#x2014; ein arabi&#x017F;ches Mährchen &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn auch Sie, gnädiger Herr, die Hoffnung<lb/>
aufgeben!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich gebe nichts auf, &#x017F;prach der Mini&#x017F;ter mit<lb/>
Stolz, nicht die Hoffnung, nicht meine Plane, nicht<lb/>
einmal mein Vertrauen zu die&#x017F;en Men&#x017F;chen, denn ich<lb/>
hatte es nie. Komme, was da will, es muß darauf<lb/>
wieder anders kommen, und vielleicht i&#x017F;t es gut, in<lb/>
Gottes Rath&#x017F;chluß, daß das Näch&#x017F;te &#x017F;chlecht i&#x017F;t, un¬<lb/>
erträglich &#x017F;chlecht, daß &#x017F;ie in Verzweiflung &#x017F;ich zerbeißen,<lb/>
daß &#x2014; daß &#x2014; Aber Sie, van A&#x017F;ten, &#x017F;prach er, und legte<lb/>
die Hand ihm auf die Schulter &#x2014; Sie dürfen nie ver¬<lb/>
zweifeln, nie den Kopf &#x017F;inken la&#x017F;&#x017F;en, mir nie den Stuhl<lb/>
vor die Thür &#x017F;etzen, auch wenn ich Sie im Unmuth ein¬<lb/>
mal zur Thür hinaus würfe. &#x2014; Die Augen auf! Wenn<lb/>
ein Unglück ge&#x017F;chieht, haben wir alle Hände voll zu thun.<lb/>
Jetzt gehen Sie &#x017F;chlafen, damit Sie morgen wach &#x017F;ind.&#x201C;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0280] „Alles? rief Walter. Der Degen iſt aus der Scheide und der Herzog von Braunſchweig —“ „Ein Greis, zitternd vor den Schauern der Vergangenheit. Wenn ein Schwindel in der Schlacht ihn überkommt, wenn er ohnmächtig wird, ſo müſſen wir die Schlacht ausſetzen, denn wie ein eigenſinni¬ ger Arzt hält er auf Arcana, will ſein Recept Nie¬ mand mittheilen, und dieſem Einen muß der unglück¬ liche Fürſt ſein Vertrauen, ſein Reich, ſein Alles übergeben, ohne ihm eigentlich zu trauen. Wär's nicht zu fürchterlich, klänge es wie eine bittere Sa¬ tyre — ein arabiſches Mährchen —“ „Wenn auch Sie, gnädiger Herr, die Hoffnung aufgeben!“ „Ich gebe nichts auf, ſprach der Miniſter mit Stolz, nicht die Hoffnung, nicht meine Plane, nicht einmal mein Vertrauen zu dieſen Menſchen, denn ich hatte es nie. Komme, was da will, es muß darauf wieder anders kommen, und vielleicht iſt es gut, in Gottes Rathſchluß, daß das Nächſte ſchlecht iſt, un¬ erträglich ſchlecht, daß ſie in Verzweiflung ſich zerbeißen, daß — daß — Aber Sie, van Aſten, ſprach er, und legte die Hand ihm auf die Schulter — Sie dürfen nie ver¬ zweifeln, nie den Kopf ſinken laſſen, mir nie den Stuhl vor die Thür ſetzen, auch wenn ich Sie im Unmuth ein¬ mal zur Thür hinaus würfe. — Die Augen auf! Wenn ein Unglück geſchieht, haben wir alle Hände voll zu thun. Jetzt gehen Sie ſchlafen, damit Sie morgen wach ſind.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/280
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/280>, abgerufen am 23.11.2024.