Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Der General war sogar bei froher Stimmung.
Die Zahl der leeren Rheinweinflaschen hatte sich hin¬
ter den Stühlen vermehrt. Als die Aufwärter ab¬
getreten und ein Wink auch die Ordonnanz entfernt
hatte, blickte die Exellenz, das Glas ergreifend,
schlau um sich, und sah dann auf einen bekränzten
Kupferstich vor ihnen auf der Wand. Er stellte den
Prinzen Louis Ferdinand vor:

"Meine Herren Kameraden, wir sind unter uns.
Braunschweigs Plane plaudre ich nicht aus, denn er
theilt sie Niemand mit. Aber es giebt Lineamente,
die ein gutes Auge von selbst entdeckt. Unser Gros
steht bei Weimar und Erfurt, wir schieben unsre
Tete bis Eisenach vor. Auf diese wirft sich Bona¬
parte mit seinem gewohnten Ungestüm; wir wollen
zugeben, daß wir anfänglich etwas zurückweichen.
Das können wir mit guten Ehren, verstehen Sie mich,
bis wir stehen bleiben, aber dann stehen wir auch.
Inzwischen hat Prinz Louis, der die Saale scheinbar
occupirt, einen Flankenmarsch am Thüringer Walde
effectuirt, und wenn wir ihn geschlagen haben, ist
nur die Frage, wo er das Loch finden soll, um zu
echappiren. Der Prinz wird's ihm verlegen, meine
ich, und dann ist die zweite Frage: was mit dem
Kerl anfangen, wenn wir ihn haben? Wir haben
ihn, sage ich Ihnen, wie unter diesem Hut, und der
Prinz, ich gönne ihm die Ehre des Tages. Ange¬
stoßen, Kameraden, Prinz Louis Ferdinand!"

Von der Erschütterung der Aufstehenden, oder

Der General war ſogar bei froher Stimmung.
Die Zahl der leeren Rheinweinflaſchen hatte ſich hin¬
ter den Stühlen vermehrt. Als die Aufwärter ab¬
getreten und ein Wink auch die Ordonnanz entfernt
hatte, blickte die Exellenz, das Glas ergreifend,
ſchlau um ſich, und ſah dann auf einen bekränzten
Kupferſtich vor ihnen auf der Wand. Er ſtellte den
Prinzen Louis Ferdinand vor:

„Meine Herren Kameraden, wir ſind unter uns.
Braunſchweigs Plane plaudre ich nicht aus, denn er
theilt ſie Niemand mit. Aber es giebt Lineamente,
die ein gutes Auge von ſelbſt entdeckt. Unſer Gros
ſteht bei Weimar und Erfurt, wir ſchieben unſre
Tête bis Eiſenach vor. Auf dieſe wirft ſich Bona¬
parte mit ſeinem gewohnten Ungeſtüm; wir wollen
zugeben, daß wir anfänglich etwas zurückweichen.
Das können wir mit guten Ehren, verſtehen Sie mich,
bis wir ſtehen bleiben, aber dann ſtehen wir auch.
Inzwiſchen hat Prinz Louis, der die Saale ſcheinbar
occupirt, einen Flankenmarſch am Thüringer Walde
effectuirt, und wenn wir ihn geſchlagen haben, iſt
nur die Frage, wo er das Loch finden ſoll, um zu
echappiren. Der Prinz wird's ihm verlegen, meine
ich, und dann iſt die zweite Frage: was mit dem
Kerl anfangen, wenn wir ihn haben? Wir haben
ihn, ſage ich Ihnen, wie unter dieſem Hut, und der
Prinz, ich gönne ihm die Ehre des Tages. Ange¬
ſtoßen, Kameraden, Prinz Louis Ferdinand!“

Von der Erſchütterung der Aufſtehenden, oder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0277" n="267"/>
        <p>Der General war &#x017F;ogar bei froher Stimmung.<lb/>
Die Zahl der leeren Rheinweinfla&#x017F;chen hatte &#x017F;ich hin¬<lb/>
ter den Stühlen vermehrt. Als die Aufwärter ab¬<lb/>
getreten und ein Wink auch die Ordonnanz entfernt<lb/>
hatte, blickte die Exellenz, das Glas ergreifend,<lb/>
&#x017F;chlau um &#x017F;ich, und &#x017F;ah dann auf einen bekränzten<lb/>
Kupfer&#x017F;tich vor ihnen auf der Wand. Er &#x017F;tellte den<lb/>
Prinzen Louis Ferdinand vor:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Meine Herren Kameraden, wir &#x017F;ind unter uns.<lb/>
Braun&#x017F;chweigs Plane plaudre ich nicht aus, denn er<lb/>
theilt &#x017F;ie Niemand mit. Aber es giebt Lineamente,<lb/>
die ein gutes Auge von &#x017F;elb&#x017F;t entdeckt. Un&#x017F;er Gros<lb/>
&#x017F;teht bei Weimar und Erfurt, wir &#x017F;chieben un&#x017F;re<lb/>
T<hi rendition="#aq">ê</hi>te bis Ei&#x017F;enach vor. Auf die&#x017F;e wirft &#x017F;ich Bona¬<lb/>
parte mit &#x017F;einem gewohnten Unge&#x017F;tüm; wir wollen<lb/>
zugeben, daß wir anfänglich etwas zurückweichen.<lb/>
Das können wir mit guten Ehren, ver&#x017F;tehen Sie mich,<lb/>
bis wir &#x017F;tehen bleiben, aber dann &#x017F;tehen wir auch.<lb/>
Inzwi&#x017F;chen hat Prinz Louis, der die Saale &#x017F;cheinbar<lb/>
occupirt, einen Flankenmar&#x017F;ch am Thüringer Walde<lb/>
effectuirt, und wenn wir ihn ge&#x017F;chlagen haben, i&#x017F;t<lb/>
nur die Frage, wo er das Loch finden &#x017F;oll, um zu<lb/>
echappiren. Der Prinz wird's ihm verlegen, meine<lb/>
ich, und dann i&#x017F;t die zweite Frage: was mit dem<lb/>
Kerl anfangen, wenn wir ihn haben? Wir haben<lb/>
ihn, &#x017F;age ich Ihnen, wie unter die&#x017F;em Hut, und der<lb/>
Prinz, ich gönne ihm die Ehre des Tages. Ange¬<lb/>
&#x017F;toßen, Kameraden, Prinz Louis Ferdinand!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Von der Er&#x017F;chütterung der Auf&#x017F;tehenden, oder<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0277] Der General war ſogar bei froher Stimmung. Die Zahl der leeren Rheinweinflaſchen hatte ſich hin¬ ter den Stühlen vermehrt. Als die Aufwärter ab¬ getreten und ein Wink auch die Ordonnanz entfernt hatte, blickte die Exellenz, das Glas ergreifend, ſchlau um ſich, und ſah dann auf einen bekränzten Kupferſtich vor ihnen auf der Wand. Er ſtellte den Prinzen Louis Ferdinand vor: „Meine Herren Kameraden, wir ſind unter uns. Braunſchweigs Plane plaudre ich nicht aus, denn er theilt ſie Niemand mit. Aber es giebt Lineamente, die ein gutes Auge von ſelbſt entdeckt. Unſer Gros ſteht bei Weimar und Erfurt, wir ſchieben unſre Tête bis Eiſenach vor. Auf dieſe wirft ſich Bona¬ parte mit ſeinem gewohnten Ungeſtüm; wir wollen zugeben, daß wir anfänglich etwas zurückweichen. Das können wir mit guten Ehren, verſtehen Sie mich, bis wir ſtehen bleiben, aber dann ſtehen wir auch. Inzwiſchen hat Prinz Louis, der die Saale ſcheinbar occupirt, einen Flankenmarſch am Thüringer Walde effectuirt, und wenn wir ihn geſchlagen haben, iſt nur die Frage, wo er das Loch finden ſoll, um zu echappiren. Der Prinz wird's ihm verlegen, meine ich, und dann iſt die zweite Frage: was mit dem Kerl anfangen, wenn wir ihn haben? Wir haben ihn, ſage ich Ihnen, wie unter dieſem Hut, und der Prinz, ich gönne ihm die Ehre des Tages. Ange¬ ſtoßen, Kameraden, Prinz Louis Ferdinand!“ Von der Erſchütterung der Aufſtehenden, oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/277
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/277>, abgerufen am 23.11.2024.