gleiters und der Freudenstrahl in ihrem Auge schien zu sprechen, daß der liebe Gott wohl Antwort gege¬ ben habe. Der alte van Asten, der noch eben den Stock mit beiden Armen unmuthig auf die Erde ge¬ stampft und den Hut tief in die Stirn gedrückt hatte, um den Garten zu verlassen, war plötzlich stillgestan¬ den. Eben so rasch wandte er sich um, und fiel dem Sohn, der ihm wehmüthig nachgesehen, um den Hals.
Ob sie etwas gesprochen und was, wer konnte das hören, besonders jetzt, wo wieder ein feierlicher Marsch von Blaseinstrumenten durch die einbrechende Dämmerung schmetterte. Die Baronin riß ihren Führer auf die Estrade. War erst jetzt die Ordre gekommen? Die Gensdarmen zogen aus der Stadt, um in einem benachbarten Dorfe Nachtquartier zu halten. Noch war es hell genug, um sich zu erkennen, und ein letzter rother Schimmer färbte die Feder¬ büsche und Gesichter der Reiter. Die Baronin ließ ihr Tuch wehen, er sah es und salutirte mit dem Degen. Sie sprach kein Wort, aber unverwandten Blickes starrte sie hin, bis die Gestalt sich in der Menge verlor, dann lehnte sie sich, wie erschöpft, auf die Schulter des Rathes. "Wir werden uns wieder¬ sehen!" kam es wie aus tiefster Brust. -- Unfern von ihr schrie eine andre weibliche Stimme: "Ich werde ihn nie wiedersehen! Was soll aus mir wer¬ den!" Charlotte war auf eine Bank gesunken. Zum Glück stand jetzt neben ihr ein ältlicher Herr -- denn unter den übrigen Zuschauern schien keiner sich um
gleiters und der Freudenſtrahl in ihrem Auge ſchien zu ſprechen, daß der liebe Gott wohl Antwort gege¬ ben habe. Der alte van Aſten, der noch eben den Stock mit beiden Armen unmuthig auf die Erde ge¬ ſtampft und den Hut tief in die Stirn gedrückt hatte, um den Garten zu verlaſſen, war plötzlich ſtillgeſtan¬ den. Eben ſo raſch wandte er ſich um, und fiel dem Sohn, der ihm wehmüthig nachgeſehen, um den Hals.
Ob ſie etwas geſprochen und was, wer konnte das hören, beſonders jetzt, wo wieder ein feierlicher Marſch von Blaſeinſtrumenten durch die einbrechende Dämmerung ſchmetterte. Die Baronin riß ihren Führer auf die Eſtrade. War erſt jetzt die Ordre gekommen? Die Gensdarmen zogen aus der Stadt, um in einem benachbarten Dorfe Nachtquartier zu halten. Noch war es hell genug, um ſich zu erkennen, und ein letzter rother Schimmer färbte die Feder¬ büſche und Geſichter der Reiter. Die Baronin ließ ihr Tuch wehen, er ſah es und ſalutirte mit dem Degen. Sie ſprach kein Wort, aber unverwandten Blickes ſtarrte ſie hin, bis die Geſtalt ſich in der Menge verlor, dann lehnte ſie ſich, wie erſchöpft, auf die Schulter des Rathes. „Wir werden uns wieder¬ ſehen!“ kam es wie aus tiefſter Bruſt. — Unfern von ihr ſchrie eine andre weibliche Stimme: „Ich werde ihn nie wiederſehen! Was ſoll aus mir wer¬ den!“ Charlotte war auf eine Bank geſunken. Zum Glück ſtand jetzt neben ihr ein ältlicher Herr — denn unter den übrigen Zuſchauern ſchien keiner ſich um
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gleiters und der Freudenſtrahl in ihrem Auge ſchien
zu ſprechen, daß der liebe Gott wohl Antwort gege¬
ben habe. Der alte van Aſten, der noch eben den
Stock mit beiden Armen unmuthig auf die Erde ge¬
ſtampft und den Hut tief in die Stirn gedrückt hatte,
um den Garten zu verlaſſen, war plötzlich ſtillgeſtan¬
den. Eben ſo raſch wandte er ſich um, und fiel dem
Sohn, der ihm wehmüthig nachgeſehen, um den Hals.
Ob ſie etwas geſprochen und was, wer konnte
das hören, beſonders jetzt, wo wieder ein feierlicher
Marſch von Blaſeinſtrumenten durch die einbrechende
Dämmerung ſchmetterte. Die Baronin riß ihren
Führer auf die Eſtrade. War erſt jetzt die Ordre
gekommen? Die Gensdarmen zogen aus der Stadt,
um in einem benachbarten Dorfe Nachtquartier zu
halten. Noch war es hell genug, um ſich zu erkennen,
und ein letzter rother Schimmer färbte die Feder¬
büſche und Geſichter der Reiter. Die Baronin ließ
ihr Tuch wehen, er ſah es und ſalutirte mit dem
Degen. Sie ſprach kein Wort, aber unverwandten
Blickes ſtarrte ſie hin, bis die Geſtalt ſich in der
Menge verlor, dann lehnte ſie ſich, wie erſchöpft, auf
die Schulter des Rathes. „Wir werden uns wieder¬
ſehen!“ kam es wie aus tiefſter Bruſt. — Unfern
von ihr ſchrie eine andre weibliche Stimme: „Ich
werde ihn nie wiederſehen! Was ſoll aus mir wer¬
den!“ Charlotte war auf eine Bank geſunken. Zum
Glück ſtand jetzt neben ihr ein ältlicher Herr — denn
unter den übrigen Zuſchauern ſchien keiner ſich um
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/265>, abgerufen am 24.11.2024.
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