Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

und starke Laxanzen. Er, der erklärte Gegner der
Romantik und alles Mysticismus, las in Büchern,
die man nicht auf seinem Tisch erwarten sollen, und
an Aerzte, die sich jener Richtung näherten, stellte er
die verblümte Frage, was sie von dem bösen Blick
hielten, an den die südlichen Nationen glauben, und
ob nicht eine physische Möglichkeit sei, daß er der
Gesundheit Anderer schaden könne? Der Geheim¬
rath Bovillard war bereits als malade imaginaire
sprüchwörtlich. Sein Gönner, der Minister mit der
aufrechten Haltung, hatte ihm seine Universalcur,
Karlsbad, wiederholentlich empfohlen, der Geheim¬
rath den Rath aber von der Hand gewiesen -- für
jetzt. Er fürchte, es werde ihm als Furcht ausgelegt,
wenn er sich aus Preußen entferne, er sei ein Pa¬
triot, darum müsse er es zeigen. Darum zeigte er
sich an öffentlichen Orten; wenn auch nicht grade an
dem, wo die Baronin ihm begegnete.

"Ach, meine gnädige Frau, sagte er, nachdem
von seiner Seite weder eine freudige noch eine andre
Ueberraschung stattgefunden, er brachte die Worte
vielmehr mit einer Art innerem Gähnen heraus, in¬
dem er neben ihr herging. Ach, meine gnädige
Frau, die Moralisten sagen, Alles in der Welt ist
eitel; aber es ist nur die Wirkung aus der Ferne.
Ich sehe in der Welt nicht ab, warum das eitel sein
soll, was ich genieße, und es schmeckt mir. Eitel,
das heißt, es verdirbt und vergeht, wird es nur
durch die Einflüsse von außerhalb. Könnte Jeder

und ſtarke Laxanzen. Er, der erklärte Gegner der
Romantik und alles Myſticismus, las in Büchern,
die man nicht auf ſeinem Tiſch erwarten ſollen, und
an Aerzte, die ſich jener Richtung näherten, ſtellte er
die verblümte Frage, was ſie von dem böſen Blick
hielten, an den die ſüdlichen Nationen glauben, und
ob nicht eine phyſiſche Möglichkeit ſei, daß er der
Geſundheit Anderer ſchaden könne? Der Geheim¬
rath Bovillard war bereits als malade imaginaire
ſprüchwörtlich. Sein Gönner, der Miniſter mit der
aufrechten Haltung, hatte ihm ſeine Univerſalcur,
Karlsbad, wiederholentlich empfohlen, der Geheim¬
rath den Rath aber von der Hand gewieſen — für
jetzt. Er fürchte, es werde ihm als Furcht ausgelegt,
wenn er ſich aus Preußen entferne, er ſei ein Pa¬
triot, darum müſſe er es zeigen. Darum zeigte er
ſich an öffentlichen Orten; wenn auch nicht grade an
dem, wo die Baronin ihm begegnete.

„Ach, meine gnädige Frau, ſagte er, nachdem
von ſeiner Seite weder eine freudige noch eine andre
Ueberraſchung ſtattgefunden, er brachte die Worte
vielmehr mit einer Art innerem Gähnen heraus, in¬
dem er neben ihr herging. Ach, meine gnädige
Frau, die Moraliſten ſagen, Alles in der Welt iſt
eitel; aber es iſt nur die Wirkung aus der Ferne.
Ich ſehe in der Welt nicht ab, warum das eitel ſein
ſoll, was ich genieße, und es ſchmeckt mir. Eitel,
das heißt, es verdirbt und vergeht, wird es nur
durch die Einflüſſe von außerhalb. Könnte Jeder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0261" n="251"/>
und &#x017F;tarke Laxanzen. Er, der erklärte Gegner der<lb/>
Romantik und alles My&#x017F;ticismus, las in Büchern,<lb/>
die man nicht auf &#x017F;einem Ti&#x017F;ch erwarten &#x017F;ollen, und<lb/>
an Aerzte, die &#x017F;ich jener Richtung näherten, &#x017F;tellte er<lb/>
die verblümte Frage, was &#x017F;ie von dem bö&#x017F;en Blick<lb/>
hielten, an den die &#x017F;üdlichen Nationen glauben, und<lb/>
ob nicht eine phy&#x017F;i&#x017F;che Möglichkeit &#x017F;ei, daß er der<lb/>
Ge&#x017F;undheit Anderer &#x017F;chaden könne? Der Geheim¬<lb/>
rath Bovillard war bereits als <hi rendition="#aq">malade imaginaire</hi><lb/>
&#x017F;prüchwörtlich. Sein Gönner, der Mini&#x017F;ter mit der<lb/>
aufrechten Haltung, hatte ihm &#x017F;eine Univer&#x017F;alcur,<lb/>
Karlsbad, wiederholentlich empfohlen, der Geheim¬<lb/>
rath den Rath aber von der Hand gewie&#x017F;en &#x2014; für<lb/>
jetzt. Er fürchte, es werde ihm als Furcht ausgelegt,<lb/>
wenn er &#x017F;ich aus Preußen entferne, er &#x017F;ei ein Pa¬<lb/>
triot, darum mü&#x017F;&#x017F;e er es zeigen. Darum zeigte er<lb/>
&#x017F;ich an öffentlichen Orten; wenn auch nicht grade an<lb/>
dem, wo die Baronin ihm begegnete.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, meine gnädige Frau, &#x017F;agte er, nachdem<lb/>
von &#x017F;einer Seite weder eine freudige noch eine andre<lb/>
Ueberra&#x017F;chung &#x017F;tattgefunden, er brachte die Worte<lb/>
vielmehr mit einer Art innerem Gähnen heraus, in¬<lb/>
dem er neben ihr herging. Ach, meine gnädige<lb/>
Frau, die Morali&#x017F;ten &#x017F;agen, Alles in der Welt i&#x017F;t<lb/>
eitel; aber es i&#x017F;t nur die Wirkung aus der Ferne.<lb/>
Ich &#x017F;ehe in der Welt nicht ab, warum das eitel &#x017F;ein<lb/>
&#x017F;oll, was ich genieße, und es &#x017F;chmeckt mir. Eitel,<lb/>
das heißt, es verdirbt und vergeht, wird es nur<lb/>
durch die Einflü&#x017F;&#x017F;e von außerhalb. Könnte Jeder<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0261] und ſtarke Laxanzen. Er, der erklärte Gegner der Romantik und alles Myſticismus, las in Büchern, die man nicht auf ſeinem Tiſch erwarten ſollen, und an Aerzte, die ſich jener Richtung näherten, ſtellte er die verblümte Frage, was ſie von dem böſen Blick hielten, an den die ſüdlichen Nationen glauben, und ob nicht eine phyſiſche Möglichkeit ſei, daß er der Geſundheit Anderer ſchaden könne? Der Geheim¬ rath Bovillard war bereits als malade imaginaire ſprüchwörtlich. Sein Gönner, der Miniſter mit der aufrechten Haltung, hatte ihm ſeine Univerſalcur, Karlsbad, wiederholentlich empfohlen, der Geheim¬ rath den Rath aber von der Hand gewieſen — für jetzt. Er fürchte, es werde ihm als Furcht ausgelegt, wenn er ſich aus Preußen entferne, er ſei ein Pa¬ triot, darum müſſe er es zeigen. Darum zeigte er ſich an öffentlichen Orten; wenn auch nicht grade an dem, wo die Baronin ihm begegnete. „Ach, meine gnädige Frau, ſagte er, nachdem von ſeiner Seite weder eine freudige noch eine andre Ueberraſchung ſtattgefunden, er brachte die Worte vielmehr mit einer Art innerem Gähnen heraus, in¬ dem er neben ihr herging. Ach, meine gnädige Frau, die Moraliſten ſagen, Alles in der Welt iſt eitel; aber es iſt nur die Wirkung aus der Ferne. Ich ſehe in der Welt nicht ab, warum das eitel ſein ſoll, was ich genieße, und es ſchmeckt mir. Eitel, das heißt, es verdirbt und vergeht, wird es nur durch die Einflüſſe von außerhalb. Könnte Jeder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/261
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/261>, abgerufen am 24.11.2024.