müssen sie dieselben bleiben, wenn der Sturm sie packt! Verjüngt sich denn nicht die Natur; wenn Aecker durch lange Jahre brach lagen, ist ihre Trag¬ kraft dann nicht eine neue? Wenn die Stadt brennt, Ueberschwemmung die Deiche gebrochen hat, entwickelt sich nicht eine Kraft, eine Energie, die man nie er¬ wartet hatte! Haben wir nicht Beispiele, daß die Muthlosesten in's Feuer stürzen, über glühende Bal¬ ken klettern, um ihre Theuren zu retten. Ja, der Rettungsmuth wird zum Fieber, sie stürzen um Gleich¬ gültige in die Flammen. Das trauen Sie einem Volke nicht mehr zu, wenn es das Vaterland gilt! Aber nein, wir sind einig. Das Volk ist eine Masse, die Färbung und Form, Thätigkeit und Trieb nur von den Wenigen empfängt, die sich ihm geweiht ha¬ ben. Sie wie ich verachten das Gesindel, das so lange die Brut des Adlers in Käfigen fütterte, ihr die Flügel verschnitt, wenn sie aufflatterte, sie strei¬ chelte: überhebe dich nicht, der Weg zur Sonne ist zu weit für dich. Diese stoßen wir fort. Ihr Mi߬ trauen jetzt trifft die Wenigen, die es wagen. Nein, Herr von Fuchsius, es trifft weiter. Ihr Mißtrauen spritzt sein Gift über die Natur hinaus, die wir sehen, in die Natur, die wir nur ahnen. In ihr herrscht ein ewiges Maaß, das der mächtigste Frevler nicht über¬ schreitet. Das Glück wie das Verbrechen hat sein Ziel; so die Schmach, das Elend. Es muß eine Erhebung, eine Erlösung geben für ein gedrücktes Volk, wenn es eine sittliche Weltordnung giebt."
müſſen ſie dieſelben bleiben, wenn der Sturm ſie packt! Verjüngt ſich denn nicht die Natur; wenn Aecker durch lange Jahre brach lagen, iſt ihre Trag¬ kraft dann nicht eine neue? Wenn die Stadt brennt, Ueberſchwemmung die Deiche gebrochen hat, entwickelt ſich nicht eine Kraft, eine Energie, die man nie er¬ wartet hatte! Haben wir nicht Beiſpiele, daß die Muthloſeſten in's Feuer ſtürzen, über glühende Bal¬ ken klettern, um ihre Theuren zu retten. Ja, der Rettungsmuth wird zum Fieber, ſie ſtürzen um Gleich¬ gültige in die Flammen. Das trauen Sie einem Volke nicht mehr zu, wenn es das Vaterland gilt! Aber nein, wir ſind einig. Das Volk iſt eine Maſſe, die Färbung und Form, Thätigkeit und Trieb nur von den Wenigen empfängt, die ſich ihm geweiht ha¬ ben. Sie wie ich verachten das Geſindel, das ſo lange die Brut des Adlers in Käfigen fütterte, ihr die Flügel verſchnitt, wenn ſie aufflatterte, ſie ſtrei¬ chelte: überhebe dich nicht, der Weg zur Sonne iſt zu weit für dich. Dieſe ſtoßen wir fort. Ihr Mi߬ trauen jetzt trifft die Wenigen, die es wagen. Nein, Herr von Fuchſius, es trifft weiter. Ihr Mißtrauen ſpritzt ſein Gift über die Natur hinaus, die wir ſehen, in die Natur, die wir nur ahnen. In ihr herrſcht ein ewiges Maaß, das der mächtigſte Frevler nicht über¬ ſchreitet. Das Glück wie das Verbrechen hat ſein Ziel; ſo die Schmach, das Elend. Es muß eine Erhebung, eine Erlöſung geben für ein gedrücktes Volk, wenn es eine ſittliche Weltordnung giebt.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0026"n="16"/>
müſſen ſie dieſelben bleiben, wenn der Sturm ſie<lb/>
packt! Verjüngt ſich denn nicht die Natur; wenn<lb/>
Aecker durch lange Jahre brach lagen, iſt ihre Trag¬<lb/>
kraft dann nicht eine neue? Wenn die Stadt brennt,<lb/>
Ueberſchwemmung die Deiche gebrochen hat, entwickelt<lb/>ſich nicht eine Kraft, eine Energie, die man nie er¬<lb/>
wartet hatte! Haben wir nicht Beiſpiele, daß die<lb/>
Muthloſeſten in's Feuer ſtürzen, über glühende Bal¬<lb/>
ken klettern, um ihre Theuren zu retten. Ja, der<lb/>
Rettungsmuth wird zum Fieber, ſie ſtürzen um Gleich¬<lb/>
gültige in die Flammen. Das trauen Sie einem<lb/>
Volke nicht mehr zu, wenn es das Vaterland gilt!<lb/>
Aber nein, wir ſind einig. Das Volk iſt eine Maſſe,<lb/>
die Färbung und Form, Thätigkeit und Trieb nur<lb/>
von den Wenigen empfängt, die ſich ihm geweiht ha¬<lb/>
ben. Sie wie ich verachten das Geſindel, das ſo<lb/>
lange die Brut des Adlers in Käfigen fütterte, ihr<lb/>
die Flügel verſchnitt, wenn ſie aufflatterte, ſie ſtrei¬<lb/>
chelte: überhebe dich nicht, der Weg zur Sonne iſt zu<lb/>
weit für dich. Dieſe ſtoßen wir fort. Ihr Mi߬<lb/>
trauen jetzt trifft die Wenigen, die es wagen. Nein,<lb/>
Herr von Fuchſius, es trifft weiter. Ihr Mißtrauen<lb/>ſpritzt ſein Gift über die Natur hinaus, die wir ſehen,<lb/>
in die Natur, die wir nur ahnen. In ihr herrſcht ein<lb/>
ewiges Maaß, das der mächtigſte Frevler nicht über¬<lb/>ſchreitet. Das Glück wie das Verbrechen hat ſein Ziel; ſo<lb/>
die Schmach, das Elend. <hirendition="#g">Es muß eine Erhebung</hi>,<lb/><hirendition="#g">eine Erlöſung geben für ein gedrücktes Volk</hi>,<lb/><hirendition="#g">wenn es eine ſittliche Weltordnung giebt</hi>.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[16/0026]
müſſen ſie dieſelben bleiben, wenn der Sturm ſie
packt! Verjüngt ſich denn nicht die Natur; wenn
Aecker durch lange Jahre brach lagen, iſt ihre Trag¬
kraft dann nicht eine neue? Wenn die Stadt brennt,
Ueberſchwemmung die Deiche gebrochen hat, entwickelt
ſich nicht eine Kraft, eine Energie, die man nie er¬
wartet hatte! Haben wir nicht Beiſpiele, daß die
Muthloſeſten in's Feuer ſtürzen, über glühende Bal¬
ken klettern, um ihre Theuren zu retten. Ja, der
Rettungsmuth wird zum Fieber, ſie ſtürzen um Gleich¬
gültige in die Flammen. Das trauen Sie einem
Volke nicht mehr zu, wenn es das Vaterland gilt!
Aber nein, wir ſind einig. Das Volk iſt eine Maſſe,
die Färbung und Form, Thätigkeit und Trieb nur
von den Wenigen empfängt, die ſich ihm geweiht ha¬
ben. Sie wie ich verachten das Geſindel, das ſo
lange die Brut des Adlers in Käfigen fütterte, ihr
die Flügel verſchnitt, wenn ſie aufflatterte, ſie ſtrei¬
chelte: überhebe dich nicht, der Weg zur Sonne iſt zu
weit für dich. Dieſe ſtoßen wir fort. Ihr Mi߬
trauen jetzt trifft die Wenigen, die es wagen. Nein,
Herr von Fuchſius, es trifft weiter. Ihr Mißtrauen
ſpritzt ſein Gift über die Natur hinaus, die wir ſehen,
in die Natur, die wir nur ahnen. In ihr herrſcht ein
ewiges Maaß, das der mächtigſte Frevler nicht über¬
ſchreitet. Das Glück wie das Verbrechen hat ſein Ziel; ſo
die Schmach, das Elend. Es muß eine Erhebung,
eine Erlöſung geben für ein gedrücktes Volk,
wenn es eine ſittliche Weltordnung giebt.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/26>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.