"Halten Sie sich nur recht warm, schluchzte sie, daß Sie sich nicht verkälten."
"Halten Sie nur Ihren Geheimerath warm, sagte er. Darauf kommt Alles an. Denn die Civil¬ versorgungen, das ist die Schwerenoth, die sind ver¬ flucht mager."
"Und trinken Sie nicht so viel Schnaps. -- Und wenn eine Kugel kommt --"
"Dann schreib ich's Ihnen."
"Und wenn Sie mir nicht schreiben?"
Da hub das Schluchzen von Neuem an; aber es war nur Charlotte. Der Wachtmeister hatte seine Handschuh angezogen, den Pallasch in die rechte Lage gebracht und sich grad aufgerichtet:
"Demoiselle Charlotte, wozu hilft das Greinen! Sie müssen bedenken, der Soldat ist Soldat. Ist's nicht so, so ist's so. Sterben müssen wir alle, und wenn's uns noch so gefällt in einem Quartier, ein¬ mal ziehn wir raus. Drum sagt unser Obristwacht¬ meister: Kerle, Ihr müßt denken, daß Andre nach Euch kommen, die wollen auch was finden. Und warum nicht! Sie sind ja auch Menschen. Und so ist das ganze Leben, sagt er, wir ziehn aus einem Quartier in's andre. Und wem's sein letztes war, das weiß Keiner nicht, denn 's kommt auf ein Mal, auf den Plutz. Da steht der Tod vor ihm roth und blaß auf der Mauer und kräht ihn an, und eh es ausgekräht --"
Charlotte schrie auf. Es krähte ihn ja an. Auf
V. 16
„Halten Sie ſich nur recht warm, ſchluchzte ſie, daß Sie ſich nicht verkälten.“
„Halten Sie nur Ihren Geheimerath warm, ſagte er. Darauf kommt Alles an. Denn die Civil¬ verſorgungen, das iſt die Schwerenoth, die ſind ver¬ flucht mager.“
„Und trinken Sie nicht ſo viel Schnaps. — Und wenn eine Kugel kommt —“
„Dann ſchreib ich's Ihnen.“
„Und wenn Sie mir nicht ſchreiben?“
Da hub das Schluchzen von Neuem an; aber es war nur Charlotte. Der Wachtmeiſter hatte ſeine Handſchuh angezogen, den Pallaſch in die rechte Lage gebracht und ſich grad aufgerichtet:
„Demoiſelle Charlotte, wozu hilft das Greinen! Sie müſſen bedenken, der Soldat iſt Soldat. Iſt's nicht ſo, ſo iſt's ſo. Sterben müſſen wir alle, und wenn's uns noch ſo gefällt in einem Quartier, ein¬ mal ziehn wir raus. Drum ſagt unſer Obriſtwacht¬ meiſter: Kerle, Ihr müßt denken, daß Andre nach Euch kommen, die wollen auch was finden. Und warum nicht! Sie ſind ja auch Menſchen. Und ſo iſt das ganze Leben, ſagt er, wir ziehn aus einem Quartier in's andre. Und wem's ſein letztes war, das weiß Keiner nicht, denn 's kommt auf ein Mal, auf den Plutz. Da ſteht der Tod vor ihm roth und blaß auf der Mauer und kräht ihn an, und eh es ausgekräht —“
Charlotte ſchrie auf. Es krähte ihn ja an. Auf
V. 16
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„Halten Sie ſich nur recht warm, ſchluchzte ſie,
daß Sie ſich nicht verkälten.“
„Halten Sie nur Ihren Geheimerath warm,
ſagte er. Darauf kommt Alles an. Denn die Civil¬
verſorgungen, das iſt die Schwerenoth, die ſind ver¬
flucht mager.“
„Und trinken Sie nicht ſo viel Schnaps. —
Und wenn eine Kugel kommt —“
„Dann ſchreib ich's Ihnen.“
„Und wenn Sie mir nicht ſchreiben?“
Da hub das Schluchzen von Neuem an; aber
es war nur Charlotte. Der Wachtmeiſter hatte ſeine
Handſchuh angezogen, den Pallaſch in die rechte Lage
gebracht und ſich grad aufgerichtet:
„Demoiſelle Charlotte, wozu hilft das Greinen!
Sie müſſen bedenken, der Soldat iſt Soldat. Iſt's
nicht ſo, ſo iſt's ſo. Sterben müſſen wir alle, und
wenn's uns noch ſo gefällt in einem Quartier, ein¬
mal ziehn wir raus. Drum ſagt unſer Obriſtwacht¬
meiſter: Kerle, Ihr müßt denken, daß Andre nach
Euch kommen, die wollen auch was finden. Und
warum nicht! Sie ſind ja auch Menſchen. Und ſo
iſt das ganze Leben, ſagt er, wir ziehn aus einem
Quartier in's andre. Und wem's ſein letztes war,
das weiß Keiner nicht, denn 's kommt auf ein Mal,
auf den Plutz. Da ſteht der Tod vor ihm roth und
blaß auf der Mauer und kräht ihn an, und eh es
ausgekräht —“
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V. 16
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/251>, abgerufen am 24.11.2024.
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