In einem öffentlichen Garten der Vorstadt war an einem schönen Octobernachmittage eine ungewöhn¬ lich große Zahl von Gästen versammelt. Jene Zeit, wo die Schichten der Gesellschaft sich weit schroffer gegenüber standen, als es später der Fall war, hatte doch den Vorzug, oder, wenn man es nicht so nennen will, sie bot für das gesellige Leben den Vortheil, daß die öffentlichen Vergnügungsorte noch nicht in der Art schroff gesondert waren, daß die Anwesenheit von im Le¬ ben niedriger Gestellten die höher Gestellten abhielt, auch ihr Vergnügen zu suchen. Wo der Handwerks¬ bursch Kegel schob, konnte auch der höhere Bürger¬ stand mit Ehren Weißbier trinken; Beider Gegenwart schreckte sogar den Königlichen Staatsbeamten und -- was mehr sagen will -- den Officier nicht ab, seine Pfeife zu rauchen. Wenn auch der Respect die Stände nicht an denselben Tischen vereinigte, wie es im glück¬
Elftes Kapitel. Sie ſind die Puten von Excellenz.
In einem öffentlichen Garten der Vorſtadt war an einem ſchönen Octobernachmittage eine ungewöhn¬ lich große Zahl von Gäſten verſammelt. Jene Zeit, wo die Schichten der Geſellſchaft ſich weit ſchroffer gegenüber ſtanden, als es ſpäter der Fall war, hatte doch den Vorzug, oder, wenn man es nicht ſo nennen will, ſie bot für das geſellige Leben den Vortheil, daß die öffentlichen Vergnügungsorte noch nicht in der Art ſchroff geſondert waren, daß die Anweſenheit von im Le¬ ben niedriger Geſtellten die höher Geſtellten abhielt, auch ihr Vergnügen zu ſuchen. Wo der Handwerks¬ burſch Kegel ſchob, konnte auch der höhere Bürger¬ ſtand mit Ehren Weißbier trinken; Beider Gegenwart ſchreckte ſogar den Königlichen Staatsbeamten und — was mehr ſagen will — den Officier nicht ab, ſeine Pfeife zu rauchen. Wenn auch der Reſpect die Stände nicht an denſelben Tiſchen vereinigte, wie es im glück¬
<TEI><text><body><pbfacs="#f0238"n="[228]"/><divn="1"><head>Elftes Kapitel.<lb/><hirendition="#b">Sie ſind die Puten von Excellenz.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>In einem öffentlichen Garten der Vorſtadt war<lb/>
an einem ſchönen Octobernachmittage eine ungewöhn¬<lb/>
lich große Zahl von Gäſten verſammelt. Jene Zeit,<lb/>
wo die Schichten der Geſellſchaft ſich weit ſchroffer<lb/>
gegenüber ſtanden, als es ſpäter der Fall war, hatte<lb/>
doch den Vorzug, oder, wenn man es nicht ſo nennen<lb/>
will, ſie bot für das geſellige Leben den Vortheil, daß<lb/>
die öffentlichen Vergnügungsorte noch nicht in der Art<lb/>ſchroff geſondert waren, daß die Anweſenheit von im Le¬<lb/>
ben niedriger Geſtellten die höher Geſtellten abhielt,<lb/>
auch ihr Vergnügen zu ſuchen. Wo der Handwerks¬<lb/>
burſch Kegel ſchob, konnte auch der höhere Bürger¬<lb/>ſtand mit Ehren Weißbier trinken; Beider Gegenwart<lb/>ſchreckte ſogar den Königlichen Staatsbeamten und —<lb/>
was mehr ſagen will — den Officier nicht ab, ſeine<lb/>
Pfeife zu rauchen. Wenn auch der Reſpect die Stände<lb/>
nicht an denſelben Tiſchen vereinigte, wie es im glück¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[[228]/0238]
Elftes Kapitel.
Sie ſind die Puten von Excellenz.
In einem öffentlichen Garten der Vorſtadt war
an einem ſchönen Octobernachmittage eine ungewöhn¬
lich große Zahl von Gäſten verſammelt. Jene Zeit,
wo die Schichten der Geſellſchaft ſich weit ſchroffer
gegenüber ſtanden, als es ſpäter der Fall war, hatte
doch den Vorzug, oder, wenn man es nicht ſo nennen
will, ſie bot für das geſellige Leben den Vortheil, daß
die öffentlichen Vergnügungsorte noch nicht in der Art
ſchroff geſondert waren, daß die Anweſenheit von im Le¬
ben niedriger Geſtellten die höher Geſtellten abhielt,
auch ihr Vergnügen zu ſuchen. Wo der Handwerks¬
burſch Kegel ſchob, konnte auch der höhere Bürger¬
ſtand mit Ehren Weißbier trinken; Beider Gegenwart
ſchreckte ſogar den Königlichen Staatsbeamten und —
was mehr ſagen will — den Officier nicht ab, ſeine
Pfeife zu rauchen. Wenn auch der Reſpect die Stände
nicht an denſelben Tiſchen vereinigte, wie es im glück¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. [228]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/238>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.