men, daß dreißigtausend Mann in forcirten Märschen bis zum Entscheidungstage die Preußen erreichen, daß sie dieselben noch nicht geschlagen finden; wür¬ den diese dreißigtausend abgematteten Krieger, aus Complaisance auf die Schlachtbank geführt, das Schicksal ändern? Sie würden mit den Preußen aufgerollt, vernichtet. Und gesetzt, die Preußen sieg¬ ten, wie viel Brosamen Ehre würden die Bramar¬ basse dem russischen Succurs zukommen lassen? -- Rußland wäre noch einmal moralisch geschlagen, ohne selbst geschlagen zu haben. -- Nein, erlauchte Frau, ich versetze mich ganz in die Seele Ihrer klu¬ gen Staatsmänner, und spreche zugleich im Stolz eines Franzosen, wenn ich sie sagen lasse: Rußland ist es sich selbst schuldig, nicht mehr durch Echantil¬ lons seiner Macht gegen den Giganten zu kämpfen es darf nicht mehr das Schwert ziehen gelegentlich für Andre, es ist Pflicht seiner Ehre, Gehorsam gegen seine Machtstellung, seine ganze Macht zusam¬ menzuhalten, um sie für sich auf den furchtbaren Ri¬ valen loszuwälzen, wenn -- die Zeit kam."
"Nachdem die preußische Armee vernichtet ist!"
"Die wird es ohnedies. In ihrem Dünkel wol¬ len es die Herren, die den König zum Kriege zwin¬ gen, auf einen Schlag ankommen lassen. Durch einen Effectstreich soll wieder gut gemacht werden, was so lange Jahre durch versäumt ist. Schade nur, daß Preu¬ ßen nicht Rußland ist. Sind sie besiegt, so ist Preußen zertrümmert, das Land liegt vor uns, eine offene Beute."
men, daß dreißigtauſend Mann in forcirten Märſchen bis zum Entſcheidungstage die Preußen erreichen, daß ſie dieſelben noch nicht geſchlagen finden; wür¬ den dieſe dreißigtauſend abgematteten Krieger, aus Complaiſance auf die Schlachtbank geführt, das Schickſal ändern? Sie würden mit den Preußen aufgerollt, vernichtet. Und geſetzt, die Preußen ſieg¬ ten, wie viel Broſamen Ehre würden die Bramar¬ baſſe dem ruſſiſchen Succurs zukommen laſſen? — Rußland wäre noch einmal moraliſch geſchlagen, ohne ſelbſt geſchlagen zu haben. — Nein, erlauchte Frau, ich verſetze mich ganz in die Seele Ihrer klu¬ gen Staatsmänner, und ſpreche zugleich im Stolz eines Franzoſen, wenn ich ſie ſagen laſſe: Rußland iſt es ſich ſelbſt ſchuldig, nicht mehr durch Echantil¬ lons ſeiner Macht gegen den Giganten zu kämpfen es darf nicht mehr das Schwert ziehen gelegentlich für Andre, es iſt Pflicht ſeiner Ehre, Gehorſam gegen ſeine Machtſtellung, ſeine ganze Macht zuſam¬ menzuhalten, um ſie für ſich auf den furchtbaren Ri¬ valen loszuwälzen, wenn — die Zeit kam.“
„Nachdem die preußiſche Armee vernichtet iſt!“
„Die wird es ohnedies. In ihrem Dünkel wol¬ len es die Herren, die den König zum Kriege zwin¬ gen, auf einen Schlag ankommen laſſen. Durch einen Effectſtreich ſoll wieder gut gemacht werden, was ſo lange Jahre durch verſäumt iſt. Schade nur, daß Preu¬ ßen nicht Rußland iſt. Sind ſie beſiegt, ſo iſt Preußen zertrümmert, das Land liegt vor uns, eine offene Beute.“
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men, daß dreißigtauſend Mann in forcirten Märſchen
bis zum Entſcheidungstage die Preußen erreichen,
daß ſie dieſelben noch nicht geſchlagen finden; wür¬
den dieſe dreißigtauſend abgematteten Krieger, aus
Complaiſance auf die Schlachtbank geführt, das
Schickſal ändern? Sie würden mit den Preußen
aufgerollt, vernichtet. Und geſetzt, die Preußen ſieg¬
ten, wie viel Broſamen Ehre würden die Bramar¬
baſſe dem ruſſiſchen Succurs zukommen laſſen? —
Rußland wäre noch einmal moraliſch geſchlagen,
ohne ſelbſt geſchlagen zu haben. — Nein, erlauchte
Frau, ich verſetze mich ganz in die Seele Ihrer klu¬
gen Staatsmänner, und ſpreche zugleich im Stolz
eines Franzoſen, wenn ich ſie ſagen laſſe: Rußland
iſt es ſich ſelbſt ſchuldig, nicht mehr durch Echantil¬
lons ſeiner Macht gegen den Giganten zu kämpfen
es darf nicht mehr das Schwert ziehen gelegentlich
für Andre, es iſt Pflicht ſeiner Ehre, Gehorſam
gegen ſeine Machtſtellung, ſeine ganze Macht zuſam¬
menzuhalten, um ſie für ſich auf den furchtbaren Ri¬
valen loszuwälzen, wenn — die Zeit kam.“
„Nachdem die preußiſche Armee vernichtet iſt!“
„Die wird es ohnedies. In ihrem Dünkel wol¬
len es die Herren, die den König zum Kriege zwin¬
gen, auf einen Schlag ankommen laſſen. Durch
einen Effectſtreich ſoll wieder gut gemacht werden, was ſo
lange Jahre durch verſäumt iſt. Schade nur, daß Preu¬
ßen nicht Rußland iſt. Sind ſie beſiegt, ſo iſt Preußen
zertrümmert, das Land liegt vor uns, eine offene Beute.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/231>, abgerufen am 22.11.2024.
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