"Da Herr von Laforest Geschichte studirt hat, bin ich wohl der Antwort überhoben."
"Es ist einmal so gewesen, aber nun ist es nicht mehr. Lassen Sie uns doch darüber klar werden. Ja, ein großer Geist hat in einer mesquinen Zeit¬ epoche die Gelegenheit ergriffen und das Problem gelöst, aus Nichts Etwas zu machen. Ich leugne auch nicht, daß einige andre tüchtige Geister, die ihm vorangingen, ihm vorgearbeitet hatten. Giebt dies aber dem Product ein Recht, für immer zu bestehen? Der große Geist schläft in Potsdam. Schon jetzt, nach zwanzig Jahren, sind seine Traditionen erlo¬ schen, wie sein Schatz erschöpft ist. Nur seine Zöpfe und Kamaschen sind noch da; auch die schon durch¬ löchert seit der Kanonade von Valmy. Seit dem Basler Frieden ward die Ehre schadhaft, der Riß immer größer, seine Reputation in Europa ist aus. -- Womit denn erhält man eine unnatürliche Exi¬ stenz, als durch krampfhafte Exaltation der kleinen Mittel. Sind sie erschöpft, dann fällt der sieche Leib um so schneller zusammen. Der Erbe des Empor¬ kömmlings hat das Gut des Erblassers verpraßt. Ein Friedrich selbst, wenn seine Gruft sprengte, wenn er mit der berühmten Krücke auf seinen Schimmel stiege, fände nicht mehr das Material. Er siegte über zersplit¬ terte, uneinige Kräfte, durch die Bewunderung seiner Feinde. Jetzt fände er große einige Nationen wider sich, und die Bewunderung der Völker gehört einem Andern. Lasse man doch zerfallen, was sich nicht selbst mehr hält."
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„Da Herr von Laforeſt Geſchichte ſtudirt hat, bin ich wohl der Antwort überhoben.“
„Es iſt einmal ſo geweſen, aber nun iſt es nicht mehr. Laſſen Sie uns doch darüber klar werden. Ja, ein großer Geiſt hat in einer mesquinen Zeit¬ epoche die Gelegenheit ergriffen und das Problem gelöſt, aus Nichts Etwas zu machen. Ich leugne auch nicht, daß einige andre tüchtige Geiſter, die ihm vorangingen, ihm vorgearbeitet hatten. Giebt dies aber dem Product ein Recht, für immer zu beſtehen? Der große Geiſt ſchläft in Potsdam. Schon jetzt, nach zwanzig Jahren, ſind ſeine Traditionen erlo¬ ſchen, wie ſein Schatz erſchöpft iſt. Nur ſeine Zöpfe und Kamaſchen ſind noch da; auch die ſchon durch¬ löchert ſeit der Kanonade von Valmy. Seit dem Basler Frieden ward die Ehre ſchadhaft, der Riß immer größer, ſeine Reputation in Europa iſt aus. — Womit denn erhält man eine unnatürliche Exi¬ ſtenz, als durch krampfhafte Exaltation der kleinen Mittel. Sind ſie erſchöpft, dann fällt der ſieche Leib um ſo ſchneller zuſammen. Der Erbe des Empor¬ kömmlings hat das Gut des Erblaſſers verpraßt. Ein Friedrich ſelbſt, wenn ſeine Gruft ſprengte, wenn er mit der berühmten Krücke auf ſeinen Schimmel ſtiege, fände nicht mehr das Material. Er ſiegte über zerſplit¬ terte, uneinige Kräfte, durch die Bewunderung ſeiner Feinde. Jetzt fände er große einige Nationen wider ſich, und die Bewunderung der Völker gehört einem Andern. Laſſe man doch zerfallen, was ſich nicht ſelbſt mehr hält.“
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„Da Herr von Laforeſt Geſchichte ſtudirt hat,
bin ich wohl der Antwort überhoben.“
„Es iſt einmal ſo geweſen, aber nun iſt es nicht
mehr. Laſſen Sie uns doch darüber klar werden.
Ja, ein großer Geiſt hat in einer mesquinen Zeit¬
epoche die Gelegenheit ergriffen und das Problem
gelöſt, aus Nichts Etwas zu machen. Ich leugne
auch nicht, daß einige andre tüchtige Geiſter, die ihm
vorangingen, ihm vorgearbeitet hatten. Giebt dies
aber dem Product ein Recht, für immer zu beſtehen?
Der große Geiſt ſchläft in Potsdam. Schon jetzt,
nach zwanzig Jahren, ſind ſeine Traditionen erlo¬
ſchen, wie ſein Schatz erſchöpft iſt. Nur ſeine Zöpfe
und Kamaſchen ſind noch da; auch die ſchon durch¬
löchert ſeit der Kanonade von Valmy. Seit dem
Basler Frieden ward die Ehre ſchadhaft, der Riß
immer größer, ſeine Reputation in Europa iſt aus.
— Womit denn erhält man eine unnatürliche Exi¬
ſtenz, als durch krampfhafte Exaltation der kleinen
Mittel. Sind ſie erſchöpft, dann fällt der ſieche Leib
um ſo ſchneller zuſammen. Der Erbe des Empor¬
kömmlings hat das Gut des Erblaſſers verpraßt.
Ein Friedrich ſelbſt, wenn ſeine Gruft ſprengte, wenn
er mit der berühmten Krücke auf ſeinen Schimmel ſtiege,
fände nicht mehr das Material. Er ſiegte über zerſplit¬
terte, uneinige Kräfte, durch die Bewunderung ſeiner
Feinde. Jetzt fände er große einige Nationen wider ſich,
und die Bewunderung der Völker gehört einem Andern.
Laſſe man doch zerfallen, was ſich nicht ſelbſt mehr hält.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/221>, abgerufen am 24.11.2024.
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