Ihnen könnte Gefahr drohen. -- Mich dünkt, man glaubt Sie zu kennen --"
"Wer?"
"Ich nicht, rief mit Nachdruck die Gargazin. Ich will nicht, mir graut, Sie kennen zu lernen. Die Akademie will Sie nicht, aber für Gelegenheit nach Rußland lassen Sie mich sorgen -- ich könnte Ihnen eine Professur in Kasan verschaffen."
Er sah sie groß an: "Was ist's? Wissen Sie etwas? Droht mir etwas? Ist's vorsorgende Liebe, oder ward ich Ihnen lästig?"
"Ich könnte Sie hassen."
"Weil Sie mich nicht bekehren können."
"Nein, ich zittre, wenn ich Sie ansehe. Jetzt begreif' ich's, wie die erhabene Katharina vor Ab¬ scheu und Wuth zittern konnte --"
"Wenn Lieblinge nicht fühlten, daß es ihre Pflicht sei, vor ihr zu verschwinden, wo ihre Gunst ausging. Allerdings ein großes Verbrechen der Un¬ dankbaren, durch ihren Anblick der Czarewna eine Er¬ innerung zu verursachen, die sie in angenehmeren Phan¬ tasieen störte. Es war eine sehr zartfühlende Fürstin. Erlaucht, unser Verhältniß steht aber doch anders."
"Es steht nichts mehr, es fällt und bricht, wo Alles bricht und kracht. Aber ich möchte nicht, daß etwas vor meinen Augen zusammenbricht, wo ich mir selbst Mühe gab, es zu bilden, als -- meine Laune so war. Wollen Sie nach Kasan?"
Der Legationsrath verneigte sich zum Abschied:
Ihnen könnte Gefahr drohen. — Mich dünkt, man glaubt Sie zu kennen —“
„Wer?“
„Ich nicht, rief mit Nachdruck die Gargazin. Ich will nicht, mir graut, Sie kennen zu lernen. Die Akademie will Sie nicht, aber für Gelegenheit nach Rußland laſſen Sie mich ſorgen — ich könnte Ihnen eine Profeſſur in Kaſan verſchaffen.“
Er ſah ſie groß an: „Was iſt's? Wiſſen Sie etwas? Droht mir etwas? Iſt's vorſorgende Liebe, oder ward ich Ihnen läſtig?“
„Ich könnte Sie haſſen.“
„Weil Sie mich nicht bekehren können.“
„Nein, ich zittre, wenn ich Sie anſehe. Jetzt begreif' ich's, wie die erhabene Katharina vor Ab¬ ſcheu und Wuth zittern konnte —“
„Wenn Lieblinge nicht fühlten, daß es ihre Pflicht ſei, vor ihr zu verſchwinden, wo ihre Gunſt ausging. Allerdings ein großes Verbrechen der Un¬ dankbaren, durch ihren Anblick der Czarewna eine Er¬ innerung zu verurſachen, die ſie in angenehmeren Phan¬ taſieen ſtörte. Es war eine ſehr zartfühlende Fürſtin. Erlaucht, unſer Verhältniß ſteht aber doch anders.“
„Es ſteht nichts mehr, es fällt und bricht, wo Alles bricht und kracht. Aber ich möchte nicht, daß etwas vor meinen Augen zuſammenbricht, wo ich mir ſelbſt Mühe gab, es zu bilden, als — meine Laune ſo war. Wollen Sie nach Kaſan?“
Der Legationsrath verneigte ſich zum Abſchied:
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0193"n="183"/>
Ihnen könnte Gefahr drohen. — Mich dünkt, man<lb/>
glaubt Sie zu kennen —“</p><lb/><p>„Wer?“</p><lb/><p>„Ich nicht, rief mit Nachdruck die Gargazin.<lb/>
Ich will nicht, mir graut, Sie kennen zu lernen.<lb/>
Die Akademie will Sie nicht, aber für Gelegenheit<lb/>
nach Rußland laſſen Sie mich ſorgen — ich könnte<lb/>
Ihnen eine Profeſſur in Kaſan verſchaffen.“</p><lb/><p>Er ſah ſie groß an: „Was iſt's? Wiſſen Sie<lb/>
etwas? Droht mir etwas? Iſt's vorſorgende Liebe,<lb/>
oder ward ich Ihnen läſtig?“</p><lb/><p>„Ich könnte Sie haſſen.“</p><lb/><p>„Weil Sie mich nicht bekehren können.“</p><lb/><p>„Nein, ich zittre, wenn ich Sie anſehe. Jetzt<lb/>
begreif' ich's, wie die erhabene Katharina vor Ab¬<lb/>ſcheu und Wuth zittern konnte —“</p><lb/><p>„Wenn Lieblinge nicht fühlten, daß es ihre<lb/>
Pflicht ſei, vor ihr zu verſchwinden, wo ihre Gunſt<lb/>
ausging. Allerdings ein großes Verbrechen der Un¬<lb/>
dankbaren, durch ihren Anblick der Czarewna eine Er¬<lb/>
innerung zu verurſachen, die ſie in angenehmeren Phan¬<lb/>
taſieen ſtörte. Es war eine ſehr zartfühlende Fürſtin.<lb/>
Erlaucht, unſer Verhältniß ſteht aber doch anders.“</p><lb/><p>„Es ſteht nichts mehr, es fällt und bricht, wo<lb/>
Alles bricht und kracht. Aber ich möchte nicht, daß<lb/>
etwas vor meinen Augen zuſammenbricht, wo ich<lb/>
mir ſelbſt Mühe gab, es zu bilden, als — meine<lb/>
Laune ſo war. Wollen Sie nach Kaſan?“</p><lb/><p>Der Legationsrath verneigte ſich zum Abſchied:</p><lb/></div></body></text></TEI>
[183/0193]
Ihnen könnte Gefahr drohen. — Mich dünkt, man
glaubt Sie zu kennen —“
„Wer?“
„Ich nicht, rief mit Nachdruck die Gargazin.
Ich will nicht, mir graut, Sie kennen zu lernen.
Die Akademie will Sie nicht, aber für Gelegenheit
nach Rußland laſſen Sie mich ſorgen — ich könnte
Ihnen eine Profeſſur in Kaſan verſchaffen.“
Er ſah ſie groß an: „Was iſt's? Wiſſen Sie
etwas? Droht mir etwas? Iſt's vorſorgende Liebe,
oder ward ich Ihnen läſtig?“
„Ich könnte Sie haſſen.“
„Weil Sie mich nicht bekehren können.“
„Nein, ich zittre, wenn ich Sie anſehe. Jetzt
begreif' ich's, wie die erhabene Katharina vor Ab¬
ſcheu und Wuth zittern konnte —“
„Wenn Lieblinge nicht fühlten, daß es ihre
Pflicht ſei, vor ihr zu verſchwinden, wo ihre Gunſt
ausging. Allerdings ein großes Verbrechen der Un¬
dankbaren, durch ihren Anblick der Czarewna eine Er¬
innerung zu verurſachen, die ſie in angenehmeren Phan¬
taſieen ſtörte. Es war eine ſehr zartfühlende Fürſtin.
Erlaucht, unſer Verhältniß ſteht aber doch anders.“
„Es ſteht nichts mehr, es fällt und bricht, wo
Alles bricht und kracht. Aber ich möchte nicht, daß
etwas vor meinen Augen zuſammenbricht, wo ich
mir ſelbſt Mühe gab, es zu bilden, als — meine
Laune ſo war. Wollen Sie nach Kaſan?“
Der Legationsrath verneigte ſich zum Abſchied:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/193>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.