nennt es nicht Götzendienst, das ist Anbetung der Wahrheit! Und sie haben Recht. Das sind noch die Bessern. Wer nichts ist, muß sich doch am Anblick von Etwas, das mehr ist, stärken, und wer nie ein Goldstück in die Hand bekam, freut sich auch über ein Stückchen Goldpapier."
"Erlaucht! Das sind ja Ihre Alliirten! Von diesen beredten Lippen hörte ich zwar oft den Wunsch, daß dies sündhafte Berlin von seinen Götzen ließe, seinem Friedrich und Lessing, seinem Schiller und Goethe den Rücken kehre und vor dem König der Könige niederkniete; aber woher diese Vernichtungs¬ wuth?"
"Weil sie nicht zu bekehren sind! -- Dies in eignem Wissensdünkel aufgeschwollene Pilzgeschlecht, im Innern faul und hohl, nimmt keine Lehre an. Die Ermahnungen der Gesendeten strömen durch das Faß der Danaiden. Berlin hat die Strafruthe des langmüthigen Gottes an den Himmel gerufen. Nun steht sie da. Schmähen Sie mir nicht auf den Mann, den wir bekriegen müssen. Des neuen Attila Mission ist groß, und ich sehe, sie ist noch nicht zu Ende. Nur wir sind zu oft am Ende, weil wir mit unserm Ver¬ stand ihm immer dies und das Ziel abstecken wollten, und der unsichtbare Wille lächelt über unsre Thorheit. Die Leichen sollen sich noch zu Bergen thürmen und das Blut in Strömen fließen, wo wir noch kein Bett dafür sehen. -- Ei, Sie schaudern, das freut mich. So blutig roth wie dieser Morgen --"
12 *
nennt es nicht Götzendienſt, das iſt Anbetung der Wahrheit! Und ſie haben Recht. Das ſind noch die Beſſern. Wer nichts iſt, muß ſich doch am Anblick von Etwas, das mehr iſt, ſtärken, und wer nie ein Goldſtück in die Hand bekam, freut ſich auch über ein Stückchen Goldpapier.“
„Erlaucht! Das ſind ja Ihre Alliirten! Von dieſen beredten Lippen hörte ich zwar oft den Wunſch, daß dies ſündhafte Berlin von ſeinen Götzen ließe, ſeinem Friedrich und Leſſing, ſeinem Schiller und Goethe den Rücken kehre und vor dem König der Könige niederkniete; aber woher dieſe Vernichtungs¬ wuth?“
„Weil ſie nicht zu bekehren ſind! — Dies in eignem Wiſſensdünkel aufgeſchwollene Pilzgeſchlecht, im Innern faul und hohl, nimmt keine Lehre an. Die Ermahnungen der Geſendeten ſtrömen durch das Faß der Danaiden. Berlin hat die Strafruthe des langmüthigen Gottes an den Himmel gerufen. Nun ſteht ſie da. Schmähen Sie mir nicht auf den Mann, den wir bekriegen müſſen. Des neuen Attila Miſſion iſt groß, und ich ſehe, ſie iſt noch nicht zu Ende. Nur wir ſind zu oft am Ende, weil wir mit unſerm Ver¬ ſtand ihm immer dies und das Ziel abſtecken wollten, und der unſichtbare Wille lächelt über unſre Thorheit. Die Leichen ſollen ſich noch zu Bergen thürmen und das Blut in Strömen fließen, wo wir noch kein Bett dafür ſehen. — Ei, Sie ſchaudern, das freut mich. So blutig roth wie dieſer Morgen —“
12 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0189"n="179"/>
nennt es nicht Götzendienſt, das iſt Anbetung der<lb/>
Wahrheit! Und ſie haben Recht. Das ſind noch die<lb/>
Beſſern. Wer nichts iſt, muß ſich doch am Anblick<lb/>
von Etwas, das mehr iſt, ſtärken, und wer nie ein<lb/>
Goldſtück in die Hand bekam, freut ſich auch über<lb/>
ein Stückchen Goldpapier.“</p><lb/><p>„Erlaucht! Das ſind ja Ihre Alliirten! Von<lb/>
dieſen beredten Lippen hörte ich zwar oft den Wunſch,<lb/>
daß dies ſündhafte Berlin von ſeinen Götzen ließe,<lb/>ſeinem Friedrich und Leſſing, ſeinem Schiller und<lb/>
Goethe den Rücken kehre und vor dem König der<lb/>
Könige niederkniete; aber woher dieſe Vernichtungs¬<lb/>
wuth?“</p><lb/><p>„Weil ſie nicht zu bekehren ſind! — Dies in<lb/>
eignem Wiſſensdünkel aufgeſchwollene Pilzgeſchlecht,<lb/>
im Innern faul und hohl, nimmt keine Lehre an.<lb/>
Die Ermahnungen der Geſendeten ſtrömen durch das<lb/>
Faß der Danaiden. Berlin hat die Strafruthe des<lb/>
langmüthigen Gottes an den Himmel gerufen. Nun<lb/>ſteht ſie da. Schmähen Sie mir nicht auf den Mann,<lb/>
den wir bekriegen müſſen. Des neuen Attila Miſſion<lb/>
iſt groß, und ich ſehe, ſie iſt noch nicht zu Ende. Nur<lb/>
wir ſind zu oft am Ende, weil wir mit unſerm Ver¬<lb/>ſtand ihm immer dies und das Ziel abſtecken wollten,<lb/>
und der unſichtbare Wille lächelt über unſre Thorheit.<lb/>
Die Leichen ſollen ſich noch zu Bergen thürmen und<lb/>
das Blut in Strömen fließen, wo wir noch kein<lb/>
Bett dafür ſehen. — Ei, Sie ſchaudern, das freut<lb/>
mich. So blutig roth wie dieſer Morgen —“</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">12 *<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[179/0189]
nennt es nicht Götzendienſt, das iſt Anbetung der
Wahrheit! Und ſie haben Recht. Das ſind noch die
Beſſern. Wer nichts iſt, muß ſich doch am Anblick
von Etwas, das mehr iſt, ſtärken, und wer nie ein
Goldſtück in die Hand bekam, freut ſich auch über
ein Stückchen Goldpapier.“
„Erlaucht! Das ſind ja Ihre Alliirten! Von
dieſen beredten Lippen hörte ich zwar oft den Wunſch,
daß dies ſündhafte Berlin von ſeinen Götzen ließe,
ſeinem Friedrich und Leſſing, ſeinem Schiller und
Goethe den Rücken kehre und vor dem König der
Könige niederkniete; aber woher dieſe Vernichtungs¬
wuth?“
„Weil ſie nicht zu bekehren ſind! — Dies in
eignem Wiſſensdünkel aufgeſchwollene Pilzgeſchlecht,
im Innern faul und hohl, nimmt keine Lehre an.
Die Ermahnungen der Geſendeten ſtrömen durch das
Faß der Danaiden. Berlin hat die Strafruthe des
langmüthigen Gottes an den Himmel gerufen. Nun
ſteht ſie da. Schmähen Sie mir nicht auf den Mann,
den wir bekriegen müſſen. Des neuen Attila Miſſion
iſt groß, und ich ſehe, ſie iſt noch nicht zu Ende. Nur
wir ſind zu oft am Ende, weil wir mit unſerm Ver¬
ſtand ihm immer dies und das Ziel abſtecken wollten,
und der unſichtbare Wille lächelt über unſre Thorheit.
Die Leichen ſollen ſich noch zu Bergen thürmen und
das Blut in Strömen fließen, wo wir noch kein
Bett dafür ſehen. — Ei, Sie ſchaudern, das freut
mich. So blutig roth wie dieſer Morgen —“
12 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/189>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.