Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

eine unförmlich große Feuerkugel tanzte im Dunst¬
licht. Aber bald sah man sie nicht mehr vor der
Färbung, die sie dem ganzen Dunstmeer mittheilte.
Das Firmament schien in Feuer. Das Zimmer,
eben noch in unheimlichem Grau, war von rothem
Gefunkel übersprenkelt. Rasch hatte die Wirthin das
Fenster aufgerissen, und die Dächer der Häuser, die
weite Stadt, so weit man sie übersah, schwammen in
einem Blutroth.

Wenn sie überrascht war, schien es nicht die
Ueberraschung des Schrecks, sondern einer dämoni¬
schen Freude. Sie streckte ihren entblößten Arm hinaus
in die kalte Luft, während diese Kälte sie doch nö¬
thigte, die Enveloppe mit der andern Hand fester
um Brust und Hals zu drücken.

"Sehen Sie!"

"Die Nebel zertheilen sich. Es wird ein schöner
Herbsttag werden."

"Der Tag der Vergeltung! Er bricht an. Feuer
und Blut gemischt. O ich könnte mich freuen, ein
entzückendes Schauspiel, wenn die wogenden Flammen
über diese Dächer sausten, das Lied der Vergeltung
heulend --"

"Die sanfteste Frau mit Nero-Phantasieen!"

"Diese Dächer, diese steinernen hohen Mauern
mit ihren griechischen, ihren etrurisch römischen For¬
men, sie waren immer meinem Auge eine heidnische
Decoration. O ich hätte sie abreißen, offen legen
mögen, daß man hineinblicke und sehe, was sie so

eine unförmlich große Feuerkugel tanzte im Dunſt¬
licht. Aber bald ſah man ſie nicht mehr vor der
Färbung, die ſie dem ganzen Dunſtmeer mittheilte.
Das Firmament ſchien in Feuer. Das Zimmer,
eben noch in unheimlichem Grau, war von rothem
Gefunkel überſprenkelt. Raſch hatte die Wirthin das
Fenſter aufgeriſſen, und die Dächer der Häuſer, die
weite Stadt, ſo weit man ſie überſah, ſchwammen in
einem Blutroth.

Wenn ſie überraſcht war, ſchien es nicht die
Ueberraſchung des Schrecks, ſondern einer dämoni¬
ſchen Freude. Sie ſtreckte ihren entblößten Arm hinaus
in die kalte Luft, während dieſe Kälte ſie doch nö¬
thigte, die Enveloppe mit der andern Hand feſter
um Bruſt und Hals zu drücken.

„Sehen Sie!“

„Die Nebel zertheilen ſich. Es wird ein ſchöner
Herbſttag werden.“

„Der Tag der Vergeltung! Er bricht an. Feuer
und Blut gemiſcht. O ich könnte mich freuen, ein
entzückendes Schauſpiel, wenn die wogenden Flammen
über dieſe Dächer ſauſten, das Lied der Vergeltung
heulend —“

„Die ſanfteſte Frau mit Nero-Phantaſieen!“

„Dieſe Dächer, dieſe ſteinernen hohen Mauern
mit ihren griechiſchen, ihren etruriſch römiſchen For¬
men, ſie waren immer meinem Auge eine heidniſche
Decoration. O ich hätte ſie abreißen, offen legen
mögen, daß man hineinblicke und ſehe, was ſie ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0186" n="176"/>
eine unförmlich große Feuerkugel tanzte im Dun&#x017F;<lb/>
licht. Aber bald &#x017F;ah man &#x017F;ie nicht mehr vor der<lb/>
Färbung, die &#x017F;ie dem ganzen Dun&#x017F;tmeer mittheilte.<lb/>
Das Firmament &#x017F;chien in Feuer. Das Zimmer,<lb/>
eben noch in unheimlichem Grau, war von rothem<lb/>
Gefunkel über&#x017F;prenkelt. Ra&#x017F;ch hatte die Wirthin das<lb/>
Fen&#x017F;ter aufgeri&#x017F;&#x017F;en, und die Dächer der Häu&#x017F;er, die<lb/>
weite Stadt, &#x017F;o weit man &#x017F;ie über&#x017F;ah, &#x017F;chwammen in<lb/>
einem Blutroth.</p><lb/>
        <p>Wenn &#x017F;ie überra&#x017F;cht war, &#x017F;chien es nicht die<lb/>
Ueberra&#x017F;chung des Schrecks, &#x017F;ondern einer dämoni¬<lb/>
&#x017F;chen Freude. Sie &#x017F;treckte ihren entblößten Arm hinaus<lb/>
in die kalte Luft, während die&#x017F;e Kälte &#x017F;ie doch nö¬<lb/>
thigte, die Enveloppe mit der andern Hand fe&#x017F;ter<lb/>
um Bru&#x017F;t und Hals zu drücken.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sehen Sie!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Nebel zertheilen &#x017F;ich. Es wird ein &#x017F;chöner<lb/>
Herb&#x017F;ttag werden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Tag der Vergeltung! Er bricht an. Feuer<lb/>
und Blut gemi&#x017F;cht. O ich könnte mich freuen, ein<lb/>
entzückendes Schau&#x017F;piel, wenn die wogenden Flammen<lb/>
über die&#x017F;e Dächer &#x017F;au&#x017F;ten, das Lied der Vergeltung<lb/>
heulend &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die &#x017F;anfte&#x017F;te Frau mit Nero-Phanta&#x017F;ieen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die&#x017F;e Dächer, die&#x017F;e &#x017F;teinernen hohen Mauern<lb/>
mit ihren griechi&#x017F;chen, ihren etruri&#x017F;ch römi&#x017F;chen For¬<lb/>
men, &#x017F;ie waren immer meinem Auge eine heidni&#x017F;che<lb/>
Decoration. O ich hätte &#x017F;ie abreißen, offen legen<lb/>
mögen, daß man hineinblicke und &#x017F;ehe, was &#x017F;ie &#x017F;o<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0186] eine unförmlich große Feuerkugel tanzte im Dunſt¬ licht. Aber bald ſah man ſie nicht mehr vor der Färbung, die ſie dem ganzen Dunſtmeer mittheilte. Das Firmament ſchien in Feuer. Das Zimmer, eben noch in unheimlichem Grau, war von rothem Gefunkel überſprenkelt. Raſch hatte die Wirthin das Fenſter aufgeriſſen, und die Dächer der Häuſer, die weite Stadt, ſo weit man ſie überſah, ſchwammen in einem Blutroth. Wenn ſie überraſcht war, ſchien es nicht die Ueberraſchung des Schrecks, ſondern einer dämoni¬ ſchen Freude. Sie ſtreckte ihren entblößten Arm hinaus in die kalte Luft, während dieſe Kälte ſie doch nö¬ thigte, die Enveloppe mit der andern Hand feſter um Bruſt und Hals zu drücken. „Sehen Sie!“ „Die Nebel zertheilen ſich. Es wird ein ſchöner Herbſttag werden.“ „Der Tag der Vergeltung! Er bricht an. Feuer und Blut gemiſcht. O ich könnte mich freuen, ein entzückendes Schauſpiel, wenn die wogenden Flammen über dieſe Dächer ſauſten, das Lied der Vergeltung heulend —“ „Die ſanfteſte Frau mit Nero-Phantaſieen!“ „Dieſe Dächer, dieſe ſteinernen hohen Mauern mit ihren griechiſchen, ihren etruriſch römiſchen For¬ men, ſie waren immer meinem Auge eine heidniſche Decoration. O ich hätte ſie abreißen, offen legen mögen, daß man hineinblicke und ſehe, was ſie ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/186
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/186>, abgerufen am 28.11.2024.