neigt, am tiefsten gegen Madame Braunbiegler. Die Gesellschaft verstand die Bedeutung. Trotz des allgemeinen Schauers, trotz der Unruhe des Auf¬ bruchs, denn die Meisten nahmen Abschied, be¬ wunderte man den ritterlichen Mann, welcher so der Ehre einer Frau sich, annahm, die ihm den Korb gegeben! Und seine hohe Gestalt, sein tief¬ glühendes Auge unter einer Stirn, die sich im edlen Zorn immer höher zu wölben schien! So hatte man ihn nur gesehen, als er im Hause der Obristin als Retter auftrat.
Niemand schien vergnügter als Baron Eitel¬ bach, er hätte, als Beide im Vorzimmer sich be¬ gegneten, dem Legationsrath um den Hals fallen können. Seine Frau übernahm es statt seiner. Eine Thräne glänzte in ihrem schönen Auge, als sie, vom Arm ihres Mannes sich losmachend, ihre Hände auf seine Schultern legte und, auf den Zehen sich erhebend, einen Kuß auf seine Stirn hauchte: "Eine schöne That verdient eine Be¬ lohnung. Eigentlich, daß Sie's wissen, habe ich Sie nicht leiden können -- Sie sind ein guter Mensch, das wußte ich, aber es war mir doch immer daneben, als wenn Sie ein schlechter Mensch wären -- heute aber -- nein, Sie sind gar kein Mensch nicht, heute waren Sie wie ein Gott."
Schade, daß die schöne Scene durch ein krei¬ schendes Gelächter unterbrochen ward. Nicht das des Barons, der nur etwas "grinste" und sich vor Scha¬
neigt, am tiefſten gegen Madame Braunbiegler. Die Geſellſchaft verſtand die Bedeutung. Trotz des allgemeinen Schauers, trotz der Unruhe des Auf¬ bruchs, denn die Meiſten nahmen Abſchied, be¬ wunderte man den ritterlichen Mann, welcher ſo der Ehre einer Frau ſich, annahm, die ihm den Korb gegeben! Und ſeine hohe Geſtalt, ſein tief¬ glühendes Auge unter einer Stirn, die ſich im edlen Zorn immer höher zu wölben ſchien! So hatte man ihn nur geſehen, als er im Hauſe der Obriſtin als Retter auftrat.
Niemand ſchien vergnügter als Baron Eitel¬ bach, er hätte, als Beide im Vorzimmer ſich be¬ gegneten, dem Legationsrath um den Hals fallen können. Seine Frau übernahm es ſtatt ſeiner. Eine Thräne glänzte in ihrem ſchönen Auge, als ſie, vom Arm ihres Mannes ſich losmachend, ihre Hände auf ſeine Schultern legte und, auf den Zehen ſich erhebend, einen Kuß auf ſeine Stirn hauchte: „Eine ſchöne That verdient eine Be¬ lohnung. Eigentlich, daß Sie's wiſſen, habe ich Sie nicht leiden können — Sie ſind ein guter Menſch, das wußte ich, aber es war mir doch immer daneben, als wenn Sie ein ſchlechter Menſch wären — heute aber — nein, Sie ſind gar kein Menſch nicht, heute waren Sie wie ein Gott.“
Schade, daß die ſchöne Scene durch ein krei¬ ſchendes Gelächter unterbrochen ward. Nicht das des Barons, der nur etwas „grinſte“ und ſich vor Scha¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0178"n="168"/>
neigt, am tiefſten gegen Madame Braunbiegler.<lb/>
Die Geſellſchaft verſtand die Bedeutung. Trotz des<lb/>
allgemeinen Schauers, trotz der Unruhe des Auf¬<lb/>
bruchs, denn die Meiſten nahmen Abſchied, be¬<lb/>
wunderte man den ritterlichen Mann, welcher ſo<lb/>
der Ehre einer Frau ſich, annahm, die ihm den<lb/>
Korb gegeben! Und ſeine hohe Geſtalt, ſein tief¬<lb/>
glühendes Auge unter einer Stirn, die ſich im edlen<lb/>
Zorn immer höher zu wölben ſchien! So hatte man<lb/>
ihn nur geſehen, als er im Hauſe der Obriſtin als<lb/>
Retter auftrat.</p><lb/><p>Niemand ſchien vergnügter als Baron Eitel¬<lb/>
bach, er hätte, als Beide im Vorzimmer ſich be¬<lb/>
gegneten, dem Legationsrath um den Hals fallen<lb/>
können. Seine Frau übernahm es ſtatt ſeiner.<lb/>
Eine Thräne glänzte in ihrem ſchönen Auge, als<lb/>ſie, vom Arm ihres Mannes ſich losmachend, ihre<lb/>
Hände auf ſeine Schultern legte und, auf den<lb/>
Zehen ſich erhebend, einen Kuß auf ſeine Stirn<lb/>
hauchte: „Eine ſchöne That verdient eine Be¬<lb/>
lohnung. Eigentlich, daß Sie's wiſſen, habe ich<lb/>
Sie nicht leiden können — Sie ſind ein guter<lb/>
Menſch, das wußte ich, aber es war mir doch<lb/>
immer daneben, als wenn Sie ein ſchlechter Menſch<lb/>
wären — heute aber — nein, Sie ſind gar kein<lb/>
Menſch nicht, heute waren Sie wie ein Gott.“</p><lb/><p>Schade, daß die ſchöne Scene durch ein krei¬<lb/>ſchendes Gelächter unterbrochen ward. Nicht das des<lb/>
Barons, der nur etwas „grinſte“ und ſich vor Scha¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[168/0178]
neigt, am tiefſten gegen Madame Braunbiegler.
Die Geſellſchaft verſtand die Bedeutung. Trotz des
allgemeinen Schauers, trotz der Unruhe des Auf¬
bruchs, denn die Meiſten nahmen Abſchied, be¬
wunderte man den ritterlichen Mann, welcher ſo
der Ehre einer Frau ſich, annahm, die ihm den
Korb gegeben! Und ſeine hohe Geſtalt, ſein tief¬
glühendes Auge unter einer Stirn, die ſich im edlen
Zorn immer höher zu wölben ſchien! So hatte man
ihn nur geſehen, als er im Hauſe der Obriſtin als
Retter auftrat.
Niemand ſchien vergnügter als Baron Eitel¬
bach, er hätte, als Beide im Vorzimmer ſich be¬
gegneten, dem Legationsrath um den Hals fallen
können. Seine Frau übernahm es ſtatt ſeiner.
Eine Thräne glänzte in ihrem ſchönen Auge, als
ſie, vom Arm ihres Mannes ſich losmachend, ihre
Hände auf ſeine Schultern legte und, auf den
Zehen ſich erhebend, einen Kuß auf ſeine Stirn
hauchte: „Eine ſchöne That verdient eine Be¬
lohnung. Eigentlich, daß Sie's wiſſen, habe ich
Sie nicht leiden können — Sie ſind ein guter
Menſch, das wußte ich, aber es war mir doch
immer daneben, als wenn Sie ein ſchlechter Menſch
wären — heute aber — nein, Sie ſind gar kein
Menſch nicht, heute waren Sie wie ein Gott.“
Schade, daß die ſchöne Scene durch ein krei¬
ſchendes Gelächter unterbrochen ward. Nicht das des
Barons, der nur etwas „grinſte“ und ſich vor Scha¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/178>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.