gesammt Charlatane; das wußte Heim, Selle; Mu¬ cius hat es auch gewußt. Sie präparirte sich selbst ihre Hausmittel, sie hatte sich eine kleine Apotheke von Herrn Flittner verschafft, wie ich ihr auch ab¬ rieth, und vorstellte, daß es zu Mißdeutungen eben von Seiten der Aerzte führen könne. Es hat dazu, meine Herren, geführt, man hat Urtheile über sie ausgesprochen, die ich nicht wiederholen will. Wie nun, wenn ich diesem Schein nachginge, argumen¬ tirte: sie war eine sehr kluge Frau, die tiefer sah als Andere, darum waren die, denen sie in's Hand¬ werk schaute, ihre gebornen Widersacher, die ihr auf den Dienst lauerten, jede ihrer Handlungen mi߬ deuteten; diese Aerzte sind es, die, weil sie dieselben vom Todtenbett ihres Gatten fern gehalten, weil sie dieselben beleidigt, verhöhnt, an Ruf und Praxis geschadet, sie sind es, welche den Verdacht gegen die Unglückliche ausgestreut, bis andere Elende daraus eine Denunciation gebildet. O nein, meine Freunde, ich unterdrücke diese Vermuthung, und noch Andere, ich versichere Sie, Vermuthungen, die einem an¬ dern als mir zu Schlüssen würden. Nein, sie steht mir zu hoch, als daß ich ihr helfen sollte durch das Verderben Anderer. -- Sie wundern sich über mei¬ nen persönlichen Eifer. Nun wohl denn, wenn Ihnen die Entrüstung eines Edelmanns über das Unrecht, das man einer edlen Frau anthut, nicht Grund genug ist, so habe ich keinen, unter so nahen Freunden zu verschweigen, daß meine Achtung und
geſammt Charlatane; das wußte Heim, Selle; Mu¬ cius hat es auch gewußt. Sie präparirte ſich ſelbſt ihre Hausmittel, ſie hatte ſich eine kleine Apotheke von Herrn Flittner verſchafft, wie ich ihr auch ab¬ rieth, und vorſtellte, daß es zu Mißdeutungen eben von Seiten der Aerzte führen könne. Es hat dazu, meine Herren, geführt, man hat Urtheile über ſie ausgeſprochen, die ich nicht wiederholen will. Wie nun, wenn ich dieſem Schein nachginge, argumen¬ tirte: ſie war eine ſehr kluge Frau, die tiefer ſah als Andere, darum waren die, denen ſie in's Hand¬ werk ſchaute, ihre gebornen Widerſacher, die ihr auf den Dienſt lauerten, jede ihrer Handlungen mi߬ deuteten; dieſe Aerzte ſind es, die, weil ſie dieſelben vom Todtenbett ihres Gatten fern gehalten, weil ſie dieſelben beleidigt, verhöhnt, an Ruf und Praxis geſchadet, ſie ſind es, welche den Verdacht gegen die Unglückliche ausgeſtreut, bis andere Elende daraus eine Denunciation gebildet. O nein, meine Freunde, ich unterdrücke dieſe Vermuthung, und noch Andere, ich verſichere Sie, Vermuthungen, die einem an¬ dern als mir zu Schlüſſen würden. Nein, ſie ſteht mir zu hoch, als daß ich ihr helfen ſollte durch das Verderben Anderer. — Sie wundern ſich über mei¬ nen perſönlichen Eifer. Nun wohl denn, wenn Ihnen die Entrüſtung eines Edelmanns über das Unrecht, das man einer edlen Frau anthut, nicht Grund genug iſt, ſo habe ich keinen, unter ſo nahen Freunden zu verſchweigen, daß meine Achtung und
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geſammt Charlatane; das wußte Heim, Selle; Mu¬
cius hat es auch gewußt. Sie präparirte ſich ſelbſt
ihre Hausmittel, ſie hatte ſich eine kleine Apotheke
von Herrn Flittner verſchafft, wie ich ihr auch ab¬
rieth, und vorſtellte, daß es zu Mißdeutungen eben
von Seiten der Aerzte führen könne. Es hat dazu,
meine Herren, geführt, man hat Urtheile über ſie
ausgeſprochen, die ich nicht wiederholen will. Wie
nun, wenn ich dieſem Schein nachginge, argumen¬
tirte: ſie war eine ſehr kluge Frau, die tiefer ſah
als Andere, darum waren die, denen ſie in's Hand¬
werk ſchaute, ihre gebornen Widerſacher, die ihr auf
den Dienſt lauerten, jede ihrer Handlungen mi߬
deuteten; dieſe Aerzte ſind es, die, weil ſie dieſelben
vom Todtenbett ihres Gatten fern gehalten, weil
ſie dieſelben beleidigt, verhöhnt, an Ruf und Praxis
geſchadet, ſie ſind es, welche den Verdacht gegen
die Unglückliche ausgeſtreut, bis andere Elende daraus
eine Denunciation gebildet. O nein, meine Freunde,
ich unterdrücke dieſe Vermuthung, und noch Andere,
ich verſichere Sie, Vermuthungen, die einem an¬
dern als mir zu Schlüſſen würden. Nein, ſie ſteht
mir zu hoch, als daß ich ihr helfen ſollte durch das
Verderben Anderer. — Sie wundern ſich über mei¬
nen perſönlichen Eifer. Nun wohl denn, wenn
Ihnen die Entrüſtung eines Edelmanns über das
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Grund genug iſt, ſo habe ich keinen, unter ſo nahen
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/176>, abgerufen am 25.11.2024.
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