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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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schon zufrieden geben, es war eine Maus, Madame
Braunbiegler." An der Thür sagte er halb für sich:
"Eine Falle wird ja auch im Hause sein." Die Ba¬
ronin meinte, er gehe eine zu holen, als er sich un¬
bemerkt im allgemeinen Aufstand entfernte.

Es war ein verdrießlicher Aufstand, am verdrie߬
lichsten für die Geheimräthin Lupinus, welche die
Ursache gewesen, denn sie konnte nun einmal keine
Mäuse sehen, ohne einer Ohnmacht nahe zu kommen.
Aber wie schnell hatte sie auch jetzt sich erholt, sie
war die erste, welche ihre Karten wieder in der Hand
hielt: "Warum mußten Sie mich verrathen! schmollte
sie mit einem eignen Blick zum Legationsrath. Das
Thier raschelte so ganz unerwartet zwischen Decke und
Wand hervor. Was that das! Die Gesellschaft wäre
doch in ihrer Assiette geblieben."

Die Gesellschaft war wieder in ihrer Assiette,
aber die Maus noch nicht fort. Man erzählte von
andern bekannten Personen, die auch eine Idiosyn¬
krasie vor Mäusen hätten. Auch Herr von St. Real
ward erwähnt. Er spränge trotz seines Krückenstockes,
wenn er eine wittere, auf Stuhl und Tisch. "Sprang!"
rief eine Stimme von einem andern Spieltisch: "Ach,
wissen Sie noch nicht, er ist todt, plötzlich am Schlag¬
fluß gestorben." -- Ein allgemeines Bedauern, das
sich indeß in ein allgemeines wohlgefälliges Lächeln
auflöste. Nicht der Kammerherr, sondern sein Onkel,
der reiche Johannitercomthur Graf St. Real, war
gestorben und sein Neffe Erbe seines Vermögens und

ſchon zufrieden geben, es war eine Maus, Madame
Braunbiegler.“ An der Thür ſagte er halb für ſich:
„Eine Falle wird ja auch im Hauſe ſein.“ Die Ba¬
ronin meinte, er gehe eine zu holen, als er ſich un¬
bemerkt im allgemeinen Aufſtand entfernte.

Es war ein verdrießlicher Aufſtand, am verdrie߬
lichſten für die Geheimräthin Lupinus, welche die
Urſache geweſen, denn ſie konnte nun einmal keine
Mäuſe ſehen, ohne einer Ohnmacht nahe zu kommen.
Aber wie ſchnell hatte ſie auch jetzt ſich erholt, ſie
war die erſte, welche ihre Karten wieder in der Hand
hielt: „Warum mußten Sie mich verrathen! ſchmollte
ſie mit einem eignen Blick zum Legationsrath. Das
Thier raſchelte ſo ganz unerwartet zwiſchen Decke und
Wand hervor. Was that das! Die Geſellſchaft wäre
doch in ihrer Aſſiette geblieben.“

Die Geſellſchaft war wieder in ihrer Aſſiette,
aber die Maus noch nicht fort. Man erzählte von
andern bekannten Perſonen, die auch eine Idioſyn¬
kraſie vor Mäuſen hätten. Auch Herr von St. Real
ward erwähnt. Er ſpränge trotz ſeines Krückenſtockes,
wenn er eine wittere, auf Stuhl und Tiſch. „Sprang!“
rief eine Stimme von einem andern Spieltiſch: „Ach,
wiſſen Sie noch nicht, er iſt todt, plötzlich am Schlag¬
fluß geſtorben.“ — Ein allgemeines Bedauern, das
ſich indeß in ein allgemeines wohlgefälliges Lächeln
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[158/0168] ſchon zufrieden geben, es war eine Maus, Madame Braunbiegler.“ An der Thür ſagte er halb für ſich: „Eine Falle wird ja auch im Hauſe ſein.“ Die Ba¬ ronin meinte, er gehe eine zu holen, als er ſich un¬ bemerkt im allgemeinen Aufſtand entfernte. Es war ein verdrießlicher Aufſtand, am verdrie߬ lichſten für die Geheimräthin Lupinus, welche die Urſache geweſen, denn ſie konnte nun einmal keine Mäuſe ſehen, ohne einer Ohnmacht nahe zu kommen. Aber wie ſchnell hatte ſie auch jetzt ſich erholt, ſie war die erſte, welche ihre Karten wieder in der Hand hielt: „Warum mußten Sie mich verrathen! ſchmollte ſie mit einem eignen Blick zum Legationsrath. Das Thier raſchelte ſo ganz unerwartet zwiſchen Decke und Wand hervor. Was that das! Die Geſellſchaft wäre doch in ihrer Aſſiette geblieben.“ Die Geſellſchaft war wieder in ihrer Aſſiette, aber die Maus noch nicht fort. Man erzählte von andern bekannten Perſonen, die auch eine Idioſyn¬ kraſie vor Mäuſen hätten. Auch Herr von St. Real ward erwähnt. Er ſpränge trotz ſeines Krückenſtockes, wenn er eine wittere, auf Stuhl und Tiſch. „Sprang!“ rief eine Stimme von einem andern Spieltiſch: „Ach, wiſſen Sie noch nicht, er iſt todt, plötzlich am Schlag¬ fluß geſtorben.“ — Ein allgemeines Bedauern, das ſich indeß in ein allgemeines wohlgefälliges Lächeln auflöſte. Nicht der Kammerherr, ſondern ſein Onkel, der reiche Johannitercomthur Graf St. Real, war geſtorben und ſein Neffe Erbe ſeines Vermögens und

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/168>, abgerufen am 25.11.2024.