setzte sie hinzu, mußte doch wissen, warum er mit seiner unendlichen Güte den Schwachheiten seines Bruders nachsah. Ich bin nur seine Erbin. Sein Wille ist meiner."
Das Spiel ging gut. Die Braunbiegler ge¬ wann. Das kühlt den Unmuth. Aber hinter dem Spieltisch ward das Gespräch etwas laut. Verschie¬ dene Personen saßen an dem großen Trümeau, der die Spielgesellschaft in seinem Glase auffing.
"Sie sind ja so munter, liebe Eitelbach?" fragte die Lupinus hinüber.
"Der Regierungsrath erzählt uns allerliebste Criminalgeschichten."
Fuchsius hatte einen dankbaren Hörerkreis. "Das ist noch gar nichts, sagte er. Dann wird Sie eine andere Geschichte, die ich in einer englischen Zeitung las, noch mehr interessiren. Auf dem Lande lebte ein Gutsbesitzer oder Friedensrichter mit seiner Frau, wahre Muster in Sittlichkeit und Wohlthun. Man stellte die beiden Leute wirklich als Exempel auf. Sie waren schon in vorgerückten Jahren und ohne Kinder und, da ihnen Alles glücklich ging, bedauerte man sie nur, wenn ein Gatte dem andern in jene Welt voraufgehen sollte. Der Mann starb zuerst. Es hieß, er hätte sich zu wenig Bewegung gemacht, der viele Staub seiner Bibliothek, den er eingeschluckt, hätte sich auf seine Lunge geworfen."
"Die arme hinterbliebene Frau!" sagte die Eitelbach.
ſetzte ſie hinzu, mußte doch wiſſen, warum er mit ſeiner unendlichen Güte den Schwachheiten ſeines Bruders nachſah. Ich bin nur ſeine Erbin. Sein Wille iſt meiner.“
Das Spiel ging gut. Die Braunbiegler ge¬ wann. Das kühlt den Unmuth. Aber hinter dem Spieltiſch ward das Geſpräch etwas laut. Verſchie¬ dene Perſonen ſaßen an dem großen Trümeau, der die Spielgeſellſchaft in ſeinem Glaſe auffing.
„Sie ſind ja ſo munter, liebe Eitelbach?“ fragte die Lupinus hinüber.
„Der Regierungsrath erzählt uns allerliebſte Criminalgeſchichten.“
Fuchſius hatte einen dankbaren Hörerkreis. „Das iſt noch gar nichts, ſagte er. Dann wird Sie eine andere Geſchichte, die ich in einer engliſchen Zeitung las, noch mehr intereſſiren. Auf dem Lande lebte ein Gutsbeſitzer oder Friedensrichter mit ſeiner Frau, wahre Muſter in Sittlichkeit und Wohlthun. Man ſtellte die beiden Leute wirklich als Exempel auf. Sie waren ſchon in vorgerückten Jahren und ohne Kinder und, da ihnen Alles glücklich ging, bedauerte man ſie nur, wenn ein Gatte dem andern in jene Welt voraufgehen ſollte. Der Mann ſtarb zuerſt. Es hieß, er hätte ſich zu wenig Bewegung gemacht, der viele Staub ſeiner Bibliothek, den er eingeſchluckt, hätte ſich auf ſeine Lunge geworfen.“
„Die arme hinterbliebene Frau!“ ſagte die Eitelbach.
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ſetzte ſie hinzu, mußte doch wiſſen, warum er mit
ſeiner unendlichen Güte den Schwachheiten ſeines
Bruders nachſah. Ich bin nur ſeine Erbin. Sein
Wille iſt meiner.“
Das Spiel ging gut. Die Braunbiegler ge¬
wann. Das kühlt den Unmuth. Aber hinter dem
Spieltiſch ward das Geſpräch etwas laut. Verſchie¬
dene Perſonen ſaßen an dem großen Trümeau, der
die Spielgeſellſchaft in ſeinem Glaſe auffing.
„Sie ſind ja ſo munter, liebe Eitelbach?“ fragte
die Lupinus hinüber.
„Der Regierungsrath erzählt uns allerliebſte
Criminalgeſchichten.“
Fuchſius hatte einen dankbaren Hörerkreis. „Das
iſt noch gar nichts, ſagte er. Dann wird Sie eine
andere Geſchichte, die ich in einer engliſchen Zeitung
las, noch mehr intereſſiren. Auf dem Lande lebte
ein Gutsbeſitzer oder Friedensrichter mit ſeiner Frau,
wahre Muſter in Sittlichkeit und Wohlthun. Man
ſtellte die beiden Leute wirklich als Exempel auf.
Sie waren ſchon in vorgerückten Jahren und ohne
Kinder und, da ihnen Alles glücklich ging, bedauerte
man ſie nur, wenn ein Gatte dem andern in jene
Welt voraufgehen ſollte. Der Mann ſtarb zuerſt.
Es hieß, er hätte ſich zu wenig Bewegung gemacht,
der viele Staub ſeiner Bibliothek, den er eingeſchluckt,
hätte ſich auf ſeine Lunge geworfen.“
„Die arme hinterbliebene Frau!“ ſagte die
Eitelbach.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/165>, abgerufen am 25.11.2024.
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