grade ihr damit in's Haus zu rücken. Sie gehörte natürlich zur Tuch- und Mäntelpartei, und erklärte, sie würde nicht einen Pfennig rausrücken. "Eine Kleinigkeit doch!" flüsterte ihr der Legationsrath zu. Das brachte sie nur noch mehr auf: Wenn sie gäbe, lasse sie sich nicht lumpen, und wenn's honorig sei, greife sie in die Tasche, daß es sich sehn lassen könne, aber Bettelei könne sie nun ein für alle Mal nicht ausstehn. "Und wie kommt er denn dazu!"
Wandel zog seine "edle Freundin" bei Seite. Er theile ganz ihre Ansichten, ob sie es ihm aber verzeihen werde, wenn er eine Kleinigkeit nach Kräf¬ ten beisteure: "Meine Stellung zum Hofe bringt es mit sich, und der Geheimrath ist wohl nicht ohne Auf¬ trag hier." Dies wirkte. Es konnte bei Hofe ver¬ merkt werden, daß Madame Braunbiegler nichts für die Cavallerie gethan. "Schreiben Sie mir auf mit zwanzig Thaler, Geheimderath!" rief die Wir¬ thin, und die Blicke der stattlichen Frau überflogen die Gesellschaft, um für die Thaler das Erstaunen zu erndten. "Eine Prise, Baron!" Sie griff mit ihren markigen Fingern tief in die Dose und schien den Spaniol mit Befriedigung einzuschlürfen, wäh¬ rend sie nicht mit gleicher die Worte ihres Compag¬ nons vernahm: "Lupinus, Sie, hören Sie -- notiren Sie mich auch mit zwanzig!" -- "Na, na, Baron, nur keine Extravaganzen nicht! Seit wann haben Sie's denn so dicke sitzen?" -- Allerdings hatte der Baron es nicht so dick sitzen als sein corpulenter
grade ihr damit in's Haus zu rücken. Sie gehörte natürlich zur Tuch- und Mäntelpartei, und erklärte, ſie würde nicht einen Pfennig rausrücken. „Eine Kleinigkeit doch!“ flüſterte ihr der Legationsrath zu. Das brachte ſie nur noch mehr auf: Wenn ſie gäbe, laſſe ſie ſich nicht lumpen, und wenn's honorig ſei, greife ſie in die Taſche, daß es ſich ſehn laſſen könne, aber Bettelei könne ſie nun ein für alle Mal nicht ausſtehn. „Und wie kommt er denn dazu!“
Wandel zog ſeine „edle Freundin“ bei Seite. Er theile ganz ihre Anſichten, ob ſie es ihm aber verzeihen werde, wenn er eine Kleinigkeit nach Kräf¬ ten beiſteure: „Meine Stellung zum Hofe bringt es mit ſich, und der Geheimrath iſt wohl nicht ohne Auf¬ trag hier.“ Dies wirkte. Es konnte bei Hofe ver¬ merkt werden, daß Madame Braunbiegler nichts für die Cavallerie gethan. „Schreiben Sie mir auf mit zwanzig Thaler, Geheimderath!“ rief die Wir¬ thin, und die Blicke der ſtattlichen Frau überflogen die Geſellſchaft, um für die Thaler das Erſtaunen zu erndten. „Eine Priſe, Baron!“ Sie griff mit ihren markigen Fingern tief in die Doſe und ſchien den Spaniol mit Befriedigung einzuſchlürfen, wäh¬ rend ſie nicht mit gleicher die Worte ihres Compag¬ nons vernahm: „Lupinus, Sie, hören Sie — notiren Sie mich auch mit zwanzig!“ — „Na, na, Baron, nur keine Extravaganzen nicht! Seit wann haben Sie's denn ſo dicke ſitzen?“ — Allerdings hatte der Baron es nicht ſo dick ſitzen als ſein corpulenter
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0160"n="150"/>
grade ihr damit in's Haus zu rücken. Sie gehörte<lb/>
natürlich zur Tuch- und Mäntelpartei, und erklärte,<lb/>ſie würde nicht einen Pfennig rausrücken. „Eine<lb/>
Kleinigkeit doch!“ flüſterte ihr der Legationsrath zu.<lb/>
Das brachte ſie nur noch mehr auf: Wenn ſie gäbe,<lb/>
laſſe ſie ſich nicht lumpen, und wenn's honorig ſei,<lb/>
greife ſie in die Taſche, daß es ſich ſehn laſſen könne,<lb/>
aber Bettelei könne ſie nun ein für alle Mal nicht<lb/>
ausſtehn. „Und wie kommt er denn dazu!“</p><lb/><p>Wandel zog ſeine „edle Freundin“ bei Seite.<lb/>
Er theile ganz ihre Anſichten, ob ſie es ihm aber<lb/>
verzeihen werde, wenn er eine Kleinigkeit nach Kräf¬<lb/>
ten beiſteure: „Meine Stellung zum Hofe bringt es<lb/>
mit ſich, und der Geheimrath iſt wohl nicht ohne Auf¬<lb/>
trag hier.“ Dies wirkte. Es konnte bei Hofe ver¬<lb/>
merkt werden, daß Madame Braunbiegler nichts für<lb/>
die Cavallerie gethan. „Schreiben Sie mir auf<lb/>
mit zwanzig Thaler, Geheimderath!“ rief die Wir¬<lb/>
thin, und die Blicke der ſtattlichen Frau überflogen<lb/>
die Geſellſchaft, um für die Thaler das Erſtaunen<lb/>
zu erndten. „Eine Priſe, Baron!“ Sie griff mit<lb/>
ihren markigen Fingern tief in die Doſe und ſchien<lb/>
den Spaniol mit Befriedigung einzuſchlürfen, wäh¬<lb/>
rend ſie nicht mit gleicher die Worte ihres Compag¬<lb/>
nons vernahm: „Lupinus, Sie, hören Sie — notiren<lb/>
Sie mich auch mit zwanzig!“—„Na, na, Baron,<lb/>
nur keine Extravaganzen nicht! Seit wann haben<lb/>
Sie's denn ſo dicke ſitzen?“— Allerdings hatte der<lb/>
Baron es nicht ſo dick ſitzen als ſein corpulenter<lb/></p></div></body></text></TEI>
[150/0160]
grade ihr damit in's Haus zu rücken. Sie gehörte
natürlich zur Tuch- und Mäntelpartei, und erklärte,
ſie würde nicht einen Pfennig rausrücken. „Eine
Kleinigkeit doch!“ flüſterte ihr der Legationsrath zu.
Das brachte ſie nur noch mehr auf: Wenn ſie gäbe,
laſſe ſie ſich nicht lumpen, und wenn's honorig ſei,
greife ſie in die Taſche, daß es ſich ſehn laſſen könne,
aber Bettelei könne ſie nun ein für alle Mal nicht
ausſtehn. „Und wie kommt er denn dazu!“
Wandel zog ſeine „edle Freundin“ bei Seite.
Er theile ganz ihre Anſichten, ob ſie es ihm aber
verzeihen werde, wenn er eine Kleinigkeit nach Kräf¬
ten beiſteure: „Meine Stellung zum Hofe bringt es
mit ſich, und der Geheimrath iſt wohl nicht ohne Auf¬
trag hier.“ Dies wirkte. Es konnte bei Hofe ver¬
merkt werden, daß Madame Braunbiegler nichts für
die Cavallerie gethan. „Schreiben Sie mir auf
mit zwanzig Thaler, Geheimderath!“ rief die Wir¬
thin, und die Blicke der ſtattlichen Frau überflogen
die Geſellſchaft, um für die Thaler das Erſtaunen
zu erndten. „Eine Priſe, Baron!“ Sie griff mit
ihren markigen Fingern tief in die Doſe und ſchien
den Spaniol mit Befriedigung einzuſchlürfen, wäh¬
rend ſie nicht mit gleicher die Worte ihres Compag¬
nons vernahm: „Lupinus, Sie, hören Sie — notiren
Sie mich auch mit zwanzig!“ — „Na, na, Baron,
nur keine Extravaganzen nicht! Seit wann haben
Sie's denn ſo dicke ſitzen?“ — Allerdings hatte der
Baron es nicht ſo dick ſitzen als ſein corpulenter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/160>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.