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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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sich warm mache. Wenn nun der letztere jetzt über¬
dies noch Mäntel erhalte, so erfordere die Humanität
und Billigkeit, daß man für den Soldaten zu Pferde
auch etwas Uebriges thue. Er ging dann auf die
drohende Herbst- und Wintercampagne über, und
schilderte, wie ein Cavallerist friere, wenn er auf der
Erde schlafen muß, denn die Zelte schützten nicht vor
der Kälte, die aus dem Boden dringt und zuerst in
den Magen geht, zumal wenn er leer ist. Nun aber
sorge ein guter Cavallerist allemal zuerst für den
seines Pferdes, und komme es auf diese Weise oft,
daß er für seinen eigenen nicht gesorgt hat. Mit einer
glücklichen Wendung wieder zu den Leibbinden zurück¬
gekehrt, zeigte er, wie sie am besten zugeschnitten und
gebunden würden, gab zu, daß die von Wolle ge¬
strickten allerdings zweckmäßiger, aber nicht so schnell
zu beschaffen seien, daher die von Flanell dem Be¬
dürfniß und Zeitgeist entsprächen, und schloß mit
einer rührenden Declamation an die Anwesenden,
daß sie für König und Vaterland und die leidende
Menschheit ihr Herz und ihren Beutel zu einer mil¬
den Gabe öffnen möchten. Auch die geringste sei
ihm willkommen, lieber jedoch die größeren.

An der Aufnahme sah man, daß auch hier schon
fertige Parteien waren, Infanteristen und Cavalleristen,
Mäntel und Leibbinden, Tuch und Flanell. Indessen
siegte der Flanell. Wer widersteht, wenn Andre ihm
vorangehn und der Controlleur dabei steht.

Nur Madame Braunbiegler fand es impertinent,

ſich warm mache. Wenn nun der letztere jetzt über¬
dies noch Mäntel erhalte, ſo erfordere die Humanität
und Billigkeit, daß man für den Soldaten zu Pferde
auch etwas Uebriges thue. Er ging dann auf die
drohende Herbſt- und Wintercampagne über, und
ſchilderte, wie ein Cavalleriſt friere, wenn er auf der
Erde ſchlafen muß, denn die Zelte ſchützten nicht vor
der Kälte, die aus dem Boden dringt und zuerſt in
den Magen geht, zumal wenn er leer iſt. Nun aber
ſorge ein guter Cavalleriſt allemal zuerſt für den
ſeines Pferdes, und komme es auf dieſe Weiſe oft,
daß er für ſeinen eigenen nicht geſorgt hat. Mit einer
glücklichen Wendung wieder zu den Leibbinden zurück¬
gekehrt, zeigte er, wie ſie am beſten zugeſchnitten und
gebunden würden, gab zu, daß die von Wolle ge¬
ſtrickten allerdings zweckmäßiger, aber nicht ſo ſchnell
zu beſchaffen ſeien, daher die von Flanell dem Be¬
dürfniß und Zeitgeiſt entſprächen, und ſchloß mit
einer rührenden Declamation an die Anweſenden,
daß ſie für König und Vaterland und die leidende
Menſchheit ihr Herz und ihren Beutel zu einer mil¬
den Gabe öffnen möchten. Auch die geringſte ſei
ihm willkommen, lieber jedoch die größeren.

An der Aufnahme ſah man, daß auch hier ſchon
fertige Parteien waren, Infanteriſten und Cavalleriſten,
Mäntel und Leibbinden, Tuch und Flanell. Indeſſen
ſiegte der Flanell. Wer widerſteht, wenn Andre ihm
vorangehn und der Controlleur dabei ſteht.

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[149/0159] ſich warm mache. Wenn nun der letztere jetzt über¬ dies noch Mäntel erhalte, ſo erfordere die Humanität und Billigkeit, daß man für den Soldaten zu Pferde auch etwas Uebriges thue. Er ging dann auf die drohende Herbſt- und Wintercampagne über, und ſchilderte, wie ein Cavalleriſt friere, wenn er auf der Erde ſchlafen muß, denn die Zelte ſchützten nicht vor der Kälte, die aus dem Boden dringt und zuerſt in den Magen geht, zumal wenn er leer iſt. Nun aber ſorge ein guter Cavalleriſt allemal zuerſt für den ſeines Pferdes, und komme es auf dieſe Weiſe oft, daß er für ſeinen eigenen nicht geſorgt hat. Mit einer glücklichen Wendung wieder zu den Leibbinden zurück¬ gekehrt, zeigte er, wie ſie am beſten zugeſchnitten und gebunden würden, gab zu, daß die von Wolle ge¬ ſtrickten allerdings zweckmäßiger, aber nicht ſo ſchnell zu beſchaffen ſeien, daher die von Flanell dem Be¬ dürfniß und Zeitgeiſt entſprächen, und ſchloß mit einer rührenden Declamation an die Anweſenden, daß ſie für König und Vaterland und die leidende Menſchheit ihr Herz und ihren Beutel zu einer mil¬ den Gabe öffnen möchten. Auch die geringſte ſei ihm willkommen, lieber jedoch die größeren. An der Aufnahme ſah man, daß auch hier ſchon fertige Parteien waren, Infanteriſten und Cavalleriſten, Mäntel und Leibbinden, Tuch und Flanell. Indeſſen ſiegte der Flanell. Wer widerſteht, wenn Andre ihm vorangehn und der Controlleur dabei ſteht. Nur Madame Braunbiegler fand es impertinent,

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/159>, abgerufen am 24.11.2024.