tasie plötzlich sich dieses Gegenstandes so bemächtigen können, bleibt uns ungesagt, aber es war so, es war nicht unnatürlich, und die Königin sprach wie eine liebende, zärtlich besorgte Mutter zu ihrem Kinde.
Louisens Beredtsamkeit ward von ihren Zeitge¬ nossen als bezaubernd gerühmt. Jedes Wort aus ihrem Munde sei ein Schlag des Herzens, ein Klang der Seele gewesen, da wo eben das Wort nur die wahrhafte Aeußerung des wahrhaft im Innern Le¬ benden war. Der Zauber dieser Beredtsamkeit sei gewesen, daß sie nicht eine Kunst war, sondern eine Tugend. Wie ihre Briefe ein voller, unverkümmerter Herzenserguß waren, so folgte in ihrer Rede, wenn das Herz sie dictirt, die Sprachfertigkeit dem raschen Schwunge ihrer Gedanken.
So hatte die Königin zu Adelheid gesprochen. Der dürre Inhalt der belebten Rede würde lauten: Sie sind ein gutes Mädchen, und ein gutes Mädchen ist gehorsam dem Willen ihrer Eltern, Eltern sehen am besten, was zum Wohle ihrer Kinder ist, Ihre Eltern sind gegen diese Partie, weil sie dieselbe für unpassend halten, weil sie voraussehen, daß Sie mit diesem Manne kein glückliches Leben führen können. Der Mann Ihrer Liebe ist ein Wüstling, Sie selbst können sich darüber keiner Täuschung hingeben, denn Sie wissen es aus eigner Erfahrung. Wenn auch Ihre Eltern nicht wären, müßten Sie sich fragen: Ist dieser Mann meiner würdig, bin ich, bei ruhiger Ueberlegung, noch des Vertrauens, daß er mich glück¬
taſie plötzlich ſich dieſes Gegenſtandes ſo bemächtigen können, bleibt uns ungeſagt, aber es war ſo, es war nicht unnatürlich, und die Königin ſprach wie eine liebende, zärtlich beſorgte Mutter zu ihrem Kinde.
Louiſens Beredtſamkeit ward von ihren Zeitge¬ noſſen als bezaubernd gerühmt. Jedes Wort aus ihrem Munde ſei ein Schlag des Herzens, ein Klang der Seele geweſen, da wo eben das Wort nur die wahrhafte Aeußerung des wahrhaft im Innern Le¬ benden war. Der Zauber dieſer Beredtſamkeit ſei geweſen, daß ſie nicht eine Kunſt war, ſondern eine Tugend. Wie ihre Briefe ein voller, unverkümmerter Herzenserguß waren, ſo folgte in ihrer Rede, wenn das Herz ſie dictirt, die Sprachfertigkeit dem raſchen Schwunge ihrer Gedanken.
So hatte die Königin zu Adelheid geſprochen. Der dürre Inhalt der belebten Rede würde lauten: Sie ſind ein gutes Mädchen, und ein gutes Mädchen iſt gehorſam dem Willen ihrer Eltern, Eltern ſehen am beſten, was zum Wohle ihrer Kinder iſt, Ihre Eltern ſind gegen dieſe Partie, weil ſie dieſelbe für unpaſſend halten, weil ſie vorausſehen, daß Sie mit dieſem Manne kein glückliches Leben führen können. Der Mann Ihrer Liebe iſt ein Wüſtling, Sie ſelbſt können ſich darüber keiner Täuſchung hingeben, denn Sie wiſſen es aus eigner Erfahrung. Wenn auch Ihre Eltern nicht wären, müßten Sie ſich fragen: Iſt dieſer Mann meiner würdig, bin ich, bei ruhiger Ueberlegung, noch des Vertrauens, daß er mich glück¬
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taſie plötzlich ſich dieſes Gegenſtandes ſo bemächtigen
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nicht unnatürlich, und die Königin ſprach wie eine
liebende, zärtlich beſorgte Mutter zu ihrem Kinde.
Louiſens Beredtſamkeit ward von ihren Zeitge¬
noſſen als bezaubernd gerühmt. Jedes Wort aus
ihrem Munde ſei ein Schlag des Herzens, ein Klang
der Seele geweſen, da wo eben das Wort nur die
wahrhafte Aeußerung des wahrhaft im Innern Le¬
benden war. Der Zauber dieſer Beredtſamkeit ſei
geweſen, daß ſie nicht eine Kunſt war, ſondern eine
Tugend. Wie ihre Briefe ein voller, unverkümmerter
Herzenserguß waren, ſo folgte in ihrer Rede, wenn
das Herz ſie dictirt, die Sprachfertigkeit dem raſchen
Schwunge ihrer Gedanken.
So hatte die Königin zu Adelheid geſprochen.
Der dürre Inhalt der belebten Rede würde lauten:
Sie ſind ein gutes Mädchen, und ein gutes Mädchen
iſt gehorſam dem Willen ihrer Eltern, Eltern ſehen
am beſten, was zum Wohle ihrer Kinder iſt, Ihre
Eltern ſind gegen dieſe Partie, weil ſie dieſelbe für
unpaſſend halten, weil ſie vorausſehen, daß Sie mit
dieſem Manne kein glückliches Leben führen können.
Der Mann Ihrer Liebe iſt ein Wüſtling, Sie ſelbſt
können ſich darüber keiner Täuſchung hingeben, denn
Sie wiſſen es aus eigner Erfahrung. Wenn auch
Ihre Eltern nicht wären, müßten Sie ſich fragen:
Iſt dieſer Mann meiner würdig, bin ich, bei ruhiger
Ueberlegung, noch des Vertrauens, daß er mich glück¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/137>, abgerufen am 23.11.2024.
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