uns am Ende an ihn fesselt. So kommt mir Lafon¬ taine vor, erlauchte Frau, er weiß, wo wir Alle schwach sind, und da versucht er uns zu streicheln, er drückt wehmüthig die Hand, schlägt verführerische Accorde an, bis wir fortgerissen sind, und wenn wir wieder zu uns kommen, schämen wir uns darüber, denn er hat uns weich gemacht, wo wir stark sein sollten, und wo haben wir dann noch Gefühl, Stimmung, die unentweihte Thräne für das große Schicksal wirk¬ lich großer Menschen."
Die Königin hatte mit Aufmerksamkeit zugehört. Von Spöttern waren ihr ähnliche Urtheile über ihren frühern Lieblingsdichter schon zugedrungen. Dieser Ton war anders. Sie stimmte nicht bei, sie wider¬ sprach nicht, sie schien die Sache zur weitern Ueber¬ legung zurückzulegen, als sie sich seitwärts wandte:
"Dann ist wohl Jean Paul Ihr Dichter? Die¬ ser Liebling der Musen erhebt uns in die Höhen, wo unsre Adelheid sich wohl befindet. Ich liebe ihn auch, aber mir schwindelt zuweilen in seinen lichten Räumen, mitten in meiner Begeisterung und Bewun¬ derung für ihn fühle ich mich beklommen. Daß ich es grade heraussage, die Luft dieser erhabenen We¬ sen ist mir zu rein, meine Neigungen sind doch noch zu irdisch, ich fühle, daß ich unter diesen Natalien und Lianen eine schlechte Rolle spielen würde. Es ist vielleicht die Eitelkeit -- setzte sie lächelnd hinzu -- die Königin möchte nicht gern die Magd spielen in der überirdischen Gesellschaft des edlen Dichters."
uns am Ende an ihn feſſelt. So kommt mir Lafon¬ taine vor, erlauchte Frau, er weiß, wo wir Alle ſchwach ſind, und da verſucht er uns zu ſtreicheln, er drückt wehmüthig die Hand, ſchlägt verführeriſche Accorde an, bis wir fortgeriſſen ſind, und wenn wir wieder zu uns kommen, ſchämen wir uns darüber, denn er hat uns weich gemacht, wo wir ſtark ſein ſollten, und wo haben wir dann noch Gefühl, Stimmung, die unentweihte Thräne für das große Schickſal wirk¬ lich großer Menſchen.“
Die Königin hatte mit Aufmerkſamkeit zugehört. Von Spöttern waren ihr ähnliche Urtheile über ihren frühern Lieblingsdichter ſchon zugedrungen. Dieſer Ton war anders. Sie ſtimmte nicht bei, ſie wider¬ ſprach nicht, ſie ſchien die Sache zur weitern Ueber¬ legung zurückzulegen, als ſie ſich ſeitwärts wandte:
„Dann iſt wohl Jean Paul Ihr Dichter? Die¬ ſer Liebling der Muſen erhebt uns in die Höhen, wo unſre Adelheid ſich wohl befindet. Ich liebe ihn auch, aber mir ſchwindelt zuweilen in ſeinen lichten Räumen, mitten in meiner Begeiſterung und Bewun¬ derung für ihn fühle ich mich beklommen. Daß ich es grade herausſage, die Luft dieſer erhabenen We¬ ſen iſt mir zu rein, meine Neigungen ſind doch noch zu irdiſch, ich fühle, daß ich unter dieſen Natalien und Lianen eine ſchlechte Rolle ſpielen würde. Es iſt vielleicht die Eitelkeit — ſetzte ſie lächelnd hinzu — die Königin möchte nicht gern die Magd ſpielen in der überirdiſchen Geſellſchaft des edlen Dichters.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0133"n="123"/>
uns am Ende an ihn feſſelt. So kommt mir Lafon¬<lb/>
taine vor, erlauchte Frau, er weiß, wo wir Alle ſchwach<lb/>ſind, und da verſucht er uns zu ſtreicheln, er drückt<lb/>
wehmüthig die Hand, ſchlägt verführeriſche Accorde<lb/>
an, bis wir fortgeriſſen ſind, und wenn wir wieder<lb/>
zu uns kommen, ſchämen wir uns darüber, denn er<lb/>
hat uns weich gemacht, wo wir ſtark ſein ſollten,<lb/>
und wo haben wir dann noch Gefühl, Stimmung,<lb/>
die unentweihte Thräne für das große Schickſal wirk¬<lb/>
lich großer Menſchen.“</p><lb/><p>Die Königin hatte mit Aufmerkſamkeit zugehört.<lb/>
Von Spöttern waren ihr ähnliche Urtheile über ihren<lb/>
frühern Lieblingsdichter ſchon zugedrungen. Dieſer<lb/>
Ton war anders. Sie ſtimmte nicht bei, ſie wider¬<lb/>ſprach nicht, ſie ſchien die Sache zur weitern Ueber¬<lb/>
legung zurückzulegen, als ſie ſich ſeitwärts wandte:</p><lb/><p>„Dann iſt wohl Jean Paul Ihr Dichter? Die¬<lb/>ſer Liebling der Muſen erhebt uns in die Höhen,<lb/>
wo unſre Adelheid ſich wohl befindet. Ich liebe ihn<lb/>
auch, aber mir ſchwindelt zuweilen in ſeinen lichten<lb/>
Räumen, mitten in meiner Begeiſterung und Bewun¬<lb/>
derung für ihn fühle ich mich beklommen. Daß ich<lb/>
es grade herausſage, die Luft dieſer erhabenen We¬<lb/>ſen iſt mir zu rein, meine Neigungen ſind doch noch<lb/>
zu irdiſch, ich fühle, daß ich unter dieſen Natalien<lb/>
und Lianen eine ſchlechte Rolle ſpielen würde. Es<lb/>
iſt vielleicht die Eitelkeit —ſetzte ſie lächelnd hinzu<lb/>— die Königin möchte nicht gern die Magd ſpielen<lb/>
in der überirdiſchen Geſellſchaft des edlen Dichters.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[123/0133]
uns am Ende an ihn feſſelt. So kommt mir Lafon¬
taine vor, erlauchte Frau, er weiß, wo wir Alle ſchwach
ſind, und da verſucht er uns zu ſtreicheln, er drückt
wehmüthig die Hand, ſchlägt verführeriſche Accorde
an, bis wir fortgeriſſen ſind, und wenn wir wieder
zu uns kommen, ſchämen wir uns darüber, denn er
hat uns weich gemacht, wo wir ſtark ſein ſollten,
und wo haben wir dann noch Gefühl, Stimmung,
die unentweihte Thräne für das große Schickſal wirk¬
lich großer Menſchen.“
Die Königin hatte mit Aufmerkſamkeit zugehört.
Von Spöttern waren ihr ähnliche Urtheile über ihren
frühern Lieblingsdichter ſchon zugedrungen. Dieſer
Ton war anders. Sie ſtimmte nicht bei, ſie wider¬
ſprach nicht, ſie ſchien die Sache zur weitern Ueber¬
legung zurückzulegen, als ſie ſich ſeitwärts wandte:
„Dann iſt wohl Jean Paul Ihr Dichter? Die¬
ſer Liebling der Muſen erhebt uns in die Höhen,
wo unſre Adelheid ſich wohl befindet. Ich liebe ihn
auch, aber mir ſchwindelt zuweilen in ſeinen lichten
Räumen, mitten in meiner Begeiſterung und Bewun¬
derung für ihn fühle ich mich beklommen. Daß ich
es grade herausſage, die Luft dieſer erhabenen We¬
ſen iſt mir zu rein, meine Neigungen ſind doch noch
zu irdiſch, ich fühle, daß ich unter dieſen Natalien
und Lianen eine ſchlechte Rolle ſpielen würde. Es
iſt vielleicht die Eitelkeit — ſetzte ſie lächelnd hinzu
— die Königin möchte nicht gern die Magd ſpielen
in der überirdiſchen Geſellſchaft des edlen Dichters.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/133>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.