am besten in der Einsamkeit, aber nicht im Zimmer, ich muß hinaus in die freie Luft, in die stillen Schatten der Bäume. Unterlasse ich es, dann tritt gewöhnlich Verstimmung bei mir ein, und je geräusch¬ voller es um mich wird, um so ärger wird sie. Ach, es liegt ein ungemeiner Segen in dem abgeschlossenen Umgange mit uns selbst."
Das war viel von einer Fürstin gegen ein jun¬ ges Mädchen, welches keine Ansprüche an ihre Ver¬ traulichkeit hatte, welches sie zum zweiten Mal sah. Adelheid fühlte das Viele, es drückte sie indeß weder nieder, noch erhob es sie. Jene hatte wohl Recht: die auf den isolirten Höhen thronen, fühlen auch das Bedürfniß, ihre Gefühle mitzutheilen. Wenn sie keine Herzen, Seelen, Geister finden, die sie ver¬ stehen, klagen sie's der sternbesäeten Nacht. Sie schütten in der Verzweiflung ihr Herz auch aus vor den glatten Marmorwänden, lieber als vor marmor¬ kalten und glatten Menschengesichtern.
Adelheid gestand sich, sie war in diesem Augen¬ blick nur eine Wand, ein Baum, an den die Fürstin ihr Herz ausschüttete. In der Art lag aber zugleich eine Correction. Die Königin hatte die Saiten auf den Ton gestimmt, der im Gespräche durchklingen sollte, es war ein elegisch-sentimentaler. Er paßte nicht zu der Stimmung, welche Adelheid mitgebracht, und die in dem belauschten Gespräche neue Nah¬ rung erhalten hatte. Weil Adelheids Saiten zu hoch gestimmt gewesen, schwieg sie, in Erwar¬
am beſten in der Einſamkeit, aber nicht im Zimmer, ich muß hinaus in die freie Luft, in die ſtillen Schatten der Bäume. Unterlaſſe ich es, dann tritt gewöhnlich Verſtimmung bei mir ein, und je geräuſch¬ voller es um mich wird, um ſo ärger wird ſie. Ach, es liegt ein ungemeiner Segen in dem abgeſchloſſenen Umgange mit uns ſelbſt.“
Das war viel von einer Fürſtin gegen ein jun¬ ges Mädchen, welches keine Anſprüche an ihre Ver¬ traulichkeit hatte, welches ſie zum zweiten Mal ſah. Adelheid fühlte das Viele, es drückte ſie indeß weder nieder, noch erhob es ſie. Jene hatte wohl Recht: die auf den iſolirten Höhen thronen, fühlen auch das Bedürfniß, ihre Gefühle mitzutheilen. Wenn ſie keine Herzen, Seelen, Geiſter finden, die ſie ver¬ ſtehen, klagen ſie's der ſternbeſäeten Nacht. Sie ſchütten in der Verzweiflung ihr Herz auch aus vor den glatten Marmorwänden, lieber als vor marmor¬ kalten und glatten Menſchengeſichtern.
Adelheid geſtand ſich, ſie war in dieſem Augen¬ blick nur eine Wand, ein Baum, an den die Fürſtin ihr Herz ausſchüttete. In der Art lag aber zugleich eine Correction. Die Königin hatte die Saiten auf den Ton geſtimmt, der im Geſpräche durchklingen ſollte, es war ein elegiſch-ſentimentaler. Er paßte nicht zu der Stimmung, welche Adelheid mitgebracht, und die in dem belauſchten Geſpräche neue Nah¬ rung erhalten hatte. Weil Adelheids Saiten zu hoch geſtimmt geweſen, ſchwieg ſie, in Erwar¬
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am beſten in der Einſamkeit, aber nicht im Zimmer,
ich muß hinaus in die freie Luft, in die ſtillen
Schatten der Bäume. Unterlaſſe ich es, dann tritt
gewöhnlich Verſtimmung bei mir ein, und je geräuſch¬
voller es um mich wird, um ſo ärger wird ſie. Ach,
es liegt ein ungemeiner Segen in dem abgeſchloſſenen
Umgange mit uns ſelbſt.“
Das war viel von einer Fürſtin gegen ein jun¬
ges Mädchen, welches keine Anſprüche an ihre Ver¬
traulichkeit hatte, welches ſie zum zweiten Mal ſah.
Adelheid fühlte das Viele, es drückte ſie indeß weder
nieder, noch erhob es ſie. Jene hatte wohl Recht:
die auf den iſolirten Höhen thronen, fühlen auch das
Bedürfniß, ihre Gefühle mitzutheilen. Wenn ſie
keine Herzen, Seelen, Geiſter finden, die ſie ver¬
ſtehen, klagen ſie's der ſternbeſäeten Nacht. Sie
ſchütten in der Verzweiflung ihr Herz auch aus vor
den glatten Marmorwänden, lieber als vor marmor¬
kalten und glatten Menſchengeſichtern.
Adelheid geſtand ſich, ſie war in dieſem Augen¬
blick nur eine Wand, ein Baum, an den die Fürſtin
ihr Herz ausſchüttete. In der Art lag aber zugleich
eine Correction. Die Königin hatte die Saiten auf
den Ton geſtimmt, der im Geſpräche durchklingen
ſollte, es war ein elegiſch-ſentimentaler. Er paßte nicht
zu der Stimmung, welche Adelheid mitgebracht,
und die in dem belauſchten Geſpräche neue Nah¬
rung erhalten hatte. Weil Adelheids Saiten zu
hoch geſtimmt geweſen, ſchwieg ſie, in Erwar¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/121>, abgerufen am 23.11.2024.
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