den Mund, über die ich mich in der Seele schäme. Sie haben nicht daran gedacht, und ihre Pflicht war es. Ist das Loyalität? -- Auch im Kriegs¬ wesen sagte mir Rüchel Unbegreifliches. Für das Nöthigste nicht gesorgt! Unsre Festungen zu armi¬ ren, dazu schickt man sich jetzt erst an. Es ist uner¬ hört, man wird es künftig nicht glauben. Wozu bezogen sie die großen Besoldungen, wozu wurden ihnen Güter über Güter geschenkt! -- Nein, lieber Graf, das Cabinet, was diesen gräßlichen Zustand möglich machte -- es kann, darf nicht bleiben -- oder --"
Die Worte verhallten. Am Ende der Allee war der Vicekönig von Schlesien entlassen. Louise stand eine Weile sinnend. Ihre schöne, anmuthige Gestalt im weißen einfachen Morgenkleide ward noch vortheil¬ hafter gehoben durch den grünen Rasenfleck, gegen den sie wie eine Marmorstatue abschnitt. Ein Sonnen¬ strahl, der durch die Baumwipfel auf ihren Scheitel fiel, setzte ihr eine goldene Krone auf, aber er goß zugleich ein wunderbares Leben auf das schöne Ge¬ sicht. Es war keine Bildsäule; die Königin schwebte die Allee wieder herab.
"Sie hat uns gesehen. Sie kommt auf uns zu, sie wird uns ansprechen. Nun muthig, liebe Demoiselle. Wenn ich Ihnen winke, thun wir also wie erschrocken und treten einen halben Schritt zurück. Dann wird sie eine Bewegung machen, daß wir herantreten. Sie knixen so, die Arme kreuzweis auf
den Mund, über die ich mich in der Seele ſchäme. Sie haben nicht daran gedacht, und ihre Pflicht war es. Iſt das Loyalität? — Auch im Kriegs¬ weſen ſagte mir Rüchel Unbegreifliches. Für das Nöthigſte nicht geſorgt! Unſre Feſtungen zu armi¬ ren, dazu ſchickt man ſich jetzt erſt an. Es iſt uner¬ hört, man wird es künftig nicht glauben. Wozu bezogen ſie die großen Beſoldungen, wozu wurden ihnen Güter über Güter geſchenkt! — Nein, lieber Graf, das Cabinet, was dieſen gräßlichen Zuſtand möglich machte — es kann, darf nicht bleiben — oder —“
Die Worte verhallten. Am Ende der Allee war der Vicekönig von Schleſien entlaſſen. Louiſe ſtand eine Weile ſinnend. Ihre ſchöne, anmuthige Geſtalt im weißen einfachen Morgenkleide ward noch vortheil¬ hafter gehoben durch den grünen Raſenfleck, gegen den ſie wie eine Marmorſtatue abſchnitt. Ein Sonnen¬ ſtrahl, der durch die Baumwipfel auf ihren Scheitel fiel, ſetzte ihr eine goldene Krone auf, aber er goß zugleich ein wunderbares Leben auf das ſchöne Ge¬ ſicht. Es war keine Bildſäule; die Königin ſchwebte die Allee wieder herab.
„Sie hat uns geſehen. Sie kommt auf uns zu, ſie wird uns anſprechen. Nun muthig, liebe Demoiſelle. Wenn ich Ihnen winke, thun wir alſo wie erſchrocken und treten einen halben Schritt zurück. Dann wird ſie eine Bewegung machen, daß wir herantreten. Sie knixen ſo, die Arme kreuzweis auf
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den Mund, über die ich mich in der Seele ſchäme.
Sie haben nicht daran gedacht, und ihre Pflicht
war es. Iſt das Loyalität? — Auch im Kriegs¬
weſen ſagte mir Rüchel Unbegreifliches. Für das
Nöthigſte nicht geſorgt! Unſre Feſtungen zu armi¬
ren, dazu ſchickt man ſich jetzt erſt an. Es iſt uner¬
hört, man wird es künftig nicht glauben. Wozu
bezogen ſie die großen Beſoldungen, wozu wurden
ihnen Güter über Güter geſchenkt! — Nein, lieber
Graf, das Cabinet, was dieſen gräßlichen Zuſtand
möglich machte — es kann, darf nicht bleiben —
oder —“
Die Worte verhallten. Am Ende der Allee war
der Vicekönig von Schleſien entlaſſen. Louiſe ſtand
eine Weile ſinnend. Ihre ſchöne, anmuthige Geſtalt
im weißen einfachen Morgenkleide ward noch vortheil¬
hafter gehoben durch den grünen Raſenfleck, gegen
den ſie wie eine Marmorſtatue abſchnitt. Ein Sonnen¬
ſtrahl, der durch die Baumwipfel auf ihren Scheitel
fiel, ſetzte ihr eine goldene Krone auf, aber er goß
zugleich ein wunderbares Leben auf das ſchöne Ge¬
ſicht. Es war keine Bildſäule; die Königin ſchwebte
die Allee wieder herab.
„Sie hat uns geſehen. Sie kommt auf uns
zu, ſie wird uns anſprechen. Nun muthig, liebe
Demoiſelle. Wenn ich Ihnen winke, thun wir alſo
wie erſchrocken und treten einen halben Schritt zurück.
Dann wird ſie eine Bewegung machen, daß wir
herantreten. Sie knixen ſo, die Arme kreuzweis auf
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/117>, abgerufen am 23.11.2024.
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