gerade dann wird sie erst recht gütig, wenn sie auf¬ gebracht war, und möchte es an Allen, denen sie be¬ gegnet, wieder gut machen."
Aber das Gewitter war noch nicht ganz vorüber. Es war nur auf dem Rückzuge. Die Königin wandte in kürzeren Absätzen um. Diesmal schien Hoym der Ankläger gewesen zu sein. Die Fürstin schüttelte den Kopf:
"Ich hielt ihn für ehrlich. Er hat ein so ange¬ nehmes Wesen."
"Leider ist es in Paris so bekannt wie hier, daß Lucchesini nach Berlin nur das berichtet, was uns schmeichelt. Die Hauptsachen hat er verschwiegen."
"Er ist ein Italiener. Ich will zugeben, daß seine Lust das Intriguiren ist, aber, Graf, er sieht sehr scharf die Dinge, wie sie sind."
"Das streitet ihm Niemand ab, Ihre Majestät, aber sein Gesandtenposten in der französischen Haupt¬ stadt gefiel ihm so außerordentlich, daß er das geschickt cachirt hat, was unser Cabinett genöthigt hätte, ihn auf der Stelle zurückzurufen. Noch weniger als er hatte seine Frau Lust Paris zu verlassen."
"Muß auch das in unser Unglück hineinspielen!"
"Madame la Marquise haßt ihre Schwester, die Bischofswerder, auf Tod und Blut. Sie hat ihrem Gemahl erklärt, daß sie an Krämpfen verginge, wenn sie mit ihr unter dem Himmel einer Stadt leben müßte. Unser Ambassadeur ist ein so guter Ehemann! Ich kann ihn nicht entschuldigen; in milderem Lichte
gerade dann wird ſie erſt recht gütig, wenn ſie auf¬ gebracht war, und möchte es an Allen, denen ſie be¬ gegnet, wieder gut machen.“
Aber das Gewitter war noch nicht ganz vorüber. Es war nur auf dem Rückzuge. Die Königin wandte in kürzeren Abſätzen um. Diesmal ſchien Hoym der Ankläger geweſen zu ſein. Die Fürſtin ſchüttelte den Kopf:
„Ich hielt ihn für ehrlich. Er hat ein ſo ange¬ nehmes Weſen.“
„Leider iſt es in Paris ſo bekannt wie hier, daß Luccheſini nach Berlin nur das berichtet, was uns ſchmeichelt. Die Hauptſachen hat er verſchwiegen.“
„Er iſt ein Italiener. Ich will zugeben, daß ſeine Luſt das Intriguiren iſt, aber, Graf, er ſieht ſehr ſcharf die Dinge, wie ſie ſind.“
„Das ſtreitet ihm Niemand ab, Ihre Majeſtät, aber ſein Geſandtenpoſten in der franzöſiſchen Haupt¬ ſtadt gefiel ihm ſo außerordentlich, daß er das geſchickt cachirt hat, was unſer Cabinett genöthigt hätte, ihn auf der Stelle zurückzurufen. Noch weniger als er hatte ſeine Frau Luſt Paris zu verlaſſen.“
„Muß auch das in unſer Unglück hineinſpielen!“
„Madame la Marquiſe haßt ihre Schweſter, die Biſchofswerder, auf Tod und Blut. Sie hat ihrem Gemahl erklärt, daß ſie an Krämpfen verginge, wenn ſie mit ihr unter dem Himmel einer Stadt leben müßte. Unſer Ambaſſadeur iſt ein ſo guter Ehemann! Ich kann ihn nicht entſchuldigen; in milderem Lichte
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gerade dann wird ſie erſt recht gütig, wenn ſie auf¬
gebracht war, und möchte es an Allen, denen ſie be¬
gegnet, wieder gut machen.“
Aber das Gewitter war noch nicht ganz vorüber.
Es war nur auf dem Rückzuge. Die Königin wandte
in kürzeren Abſätzen um. Diesmal ſchien Hoym
der Ankläger geweſen zu ſein. Die Fürſtin ſchüttelte
den Kopf:
„Ich hielt ihn für ehrlich. Er hat ein ſo ange¬
nehmes Weſen.“
„Leider iſt es in Paris ſo bekannt wie hier, daß
Luccheſini nach Berlin nur das berichtet, was uns
ſchmeichelt. Die Hauptſachen hat er verſchwiegen.“
„Er iſt ein Italiener. Ich will zugeben, daß
ſeine Luſt das Intriguiren iſt, aber, Graf, er ſieht
ſehr ſcharf die Dinge, wie ſie ſind.“
„Das ſtreitet ihm Niemand ab, Ihre Majeſtät,
aber ſein Geſandtenpoſten in der franzöſiſchen Haupt¬
ſtadt gefiel ihm ſo außerordentlich, daß er das geſchickt
cachirt hat, was unſer Cabinett genöthigt hätte, ihn
auf der Stelle zurückzurufen. Noch weniger als er
hatte ſeine Frau Luſt Paris zu verlaſſen.“
„Muß auch das in unſer Unglück hineinſpielen!“
„Madame la Marquiſe haßt ihre Schweſter, die
Biſchofswerder, auf Tod und Blut. Sie hat ihrem
Gemahl erklärt, daß ſie an Krämpfen verginge, wenn
ſie mit ihr unter dem Himmel einer Stadt leben
müßte. Unſer Ambaſſadeur iſt ein ſo guter Ehemann!
Ich kann ihn nicht entſchuldigen; in milderem Lichte
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/115>, abgerufen am 26.06.2024.
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