Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

peu phantaste, Mystiker, er glaubt zuweilen an Geister¬
erscheinungen."

"Nein, Hoym. Er glaubt nur an sich. Er
schrieb damals her: ""Sobald ich ihn gesehen, ist
Alles abgemacht; ich weiß ja, was er in Wien zu
mir gesagt hat."" Solcher naive Glaube wäre
rührend, wenn er nicht ein Staatsminister des
Königs wäre, wenn nicht Seine Majestät das
Wohl seines Volkes und seiner Krone in seine Hand
gelegt hätte. Da, in der schrecklichen Audienz, die
er am siebenten Tage auf vieles Bitten und Drin¬
gen erhielt, mußte er sich von Bonaparte die Schmei¬
chelei in's Gesicht sagen lassen: ""Sie sind ehrlich,
ich weiß es, aber Sie haben keinen Credit mehr
in Berlin; Hardenberg und ein Paar andre hirn¬
kranke Narren wühlen das Volk auf und beherr¬
schen Ihren König."" Das mußte er hören, der Ab¬
gesandte Preußens, aus dem Munde des Corsen,
und --- schwieg --- mußte schweigen -- und --
und --"

Als sie wieder vorüber waren, meinte Adelheid, die
Königin sei jetzt wohl schwerlich gestimmt, ein unbedeu¬
tendes Mädchen zu empfangen; ob es nicht schickli¬
cher wäre, wenn sie sich still zurückzöge? Die Scha¬
dow verneinte es: "Das geht bald vorüber. Sie
kann nicht lange zürnen, das ist ihr himmlisches Ge¬
müth. Es ist, wie wenn ein Gewittersturm vorüber¬
zog und dann die Abendsonne scheint. Dann athmet
sie auf, sie kann sich an einer Feldblume freuen, und

peu phantaste, Myſtiker, er glaubt zuweilen an Geiſter¬
erſcheinungen.“

„Nein, Hoym. Er glaubt nur an ſich. Er
ſchrieb damals her: „„Sobald ich ihn geſehen, iſt
Alles abgemacht; ich weiß ja, was er in Wien zu
mir geſagt hat.““ Solcher naive Glaube wäre
rührend, wenn er nicht ein Staatsminiſter des
Königs wäre, wenn nicht Seine Majeſtät das
Wohl ſeines Volkes und ſeiner Krone in ſeine Hand
gelegt hätte. Da, in der ſchrecklichen Audienz, die
er am ſiebenten Tage auf vieles Bitten und Drin¬
gen erhielt, mußte er ſich von Bonaparte die Schmei¬
chelei in's Geſicht ſagen laſſen: „„Sie ſind ehrlich,
ich weiß es, aber Sie haben keinen Credit mehr
in Berlin; Hardenberg und ein Paar andre hirn¬
kranke Narren wühlen das Volk auf und beherr¬
ſchen Ihren König.““ Das mußte er hören, der Ab¬
geſandte Preußens, aus dem Munde des Corſen,
und —– ſchwieg –— mußte ſchweigen — und —
und —“

Als ſie wieder vorüber waren, meinte Adelheid, die
Königin ſei jetzt wohl ſchwerlich geſtimmt, ein unbedeu¬
tendes Mädchen zu empfangen; ob es nicht ſchickli¬
cher wäre, wenn ſie ſich ſtill zurückzöge? Die Scha¬
dow verneinte es: „Das geht bald vorüber. Sie
kann nicht lange zürnen, das iſt ihr himmliſches Ge¬
müth. Es iſt, wie wenn ein Gewitterſturm vorüber¬
zog und dann die Abendſonne ſcheint. Dann athmet
ſie auf, ſie kann ſich an einer Feldblume freuen, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#aq"><pb facs="#f0114" n="104"/>
peu phantaste</hi>, My&#x017F;tiker, er glaubt zuweilen an Gei&#x017F;ter¬<lb/>
er&#x017F;cheinungen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein, Hoym. Er glaubt nur an &#x017F;ich. Er<lb/>
&#x017F;chrieb damals her: &#x201E;&#x201E;Sobald ich ihn ge&#x017F;ehen, i&#x017F;t<lb/>
Alles abgemacht; ich weiß ja, was er in Wien zu<lb/>
mir ge&#x017F;agt hat.&#x201C;&#x201C; Solcher naive Glaube wäre<lb/>
rührend, wenn er nicht ein Staatsmini&#x017F;ter des<lb/>
Königs wäre, wenn nicht Seine Maje&#x017F;tät das<lb/>
Wohl &#x017F;eines Volkes und &#x017F;einer Krone in &#x017F;eine Hand<lb/>
gelegt hätte. Da, in der &#x017F;chrecklichen Audienz, die<lb/>
er am &#x017F;iebenten Tage auf vieles Bitten und Drin¬<lb/>
gen erhielt, mußte er &#x017F;ich von Bonaparte die Schmei¬<lb/>
chelei in's Ge&#x017F;icht &#x017F;agen la&#x017F;&#x017F;en: &#x201E;&#x201E;Sie &#x017F;ind ehrlich,<lb/>
ich weiß es, aber Sie haben keinen Credit mehr<lb/>
in Berlin; Hardenberg und ein Paar andre hirn¬<lb/>
kranke Narren wühlen das Volk auf und beherr¬<lb/>
&#x017F;chen Ihren König.&#x201C;&#x201C; Das mußte er hören, der Ab¬<lb/>
ge&#x017F;andte Preußens, aus dem Munde des Cor&#x017F;en,<lb/>
und &#x2014;&#x2013; &#x017F;chwieg &#x2013;&#x2014; mußte &#x017F;chweigen &#x2014; und &#x2014;<lb/>
und &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Als &#x017F;ie wieder vorüber waren, meinte Adelheid, die<lb/>
Königin &#x017F;ei jetzt wohl &#x017F;chwerlich ge&#x017F;timmt, ein unbedeu¬<lb/>
tendes Mädchen zu empfangen; ob es nicht &#x017F;chickli¬<lb/>
cher wäre, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;till zurückzöge? Die Scha¬<lb/>
dow verneinte es: &#x201E;Das geht bald vorüber. Sie<lb/>
kann nicht lange zürnen, das i&#x017F;t ihr himmli&#x017F;ches Ge¬<lb/>
müth. Es i&#x017F;t, wie wenn ein Gewitter&#x017F;turm vorüber¬<lb/>
zog und dann die Abend&#x017F;onne &#x017F;cheint. Dann athmet<lb/>
&#x017F;ie auf, &#x017F;ie kann &#x017F;ich an einer Feldblume freuen, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0114] peu phantaste, Myſtiker, er glaubt zuweilen an Geiſter¬ erſcheinungen.“ „Nein, Hoym. Er glaubt nur an ſich. Er ſchrieb damals her: „„Sobald ich ihn geſehen, iſt Alles abgemacht; ich weiß ja, was er in Wien zu mir geſagt hat.““ Solcher naive Glaube wäre rührend, wenn er nicht ein Staatsminiſter des Königs wäre, wenn nicht Seine Majeſtät das Wohl ſeines Volkes und ſeiner Krone in ſeine Hand gelegt hätte. Da, in der ſchrecklichen Audienz, die er am ſiebenten Tage auf vieles Bitten und Drin¬ gen erhielt, mußte er ſich von Bonaparte die Schmei¬ chelei in's Geſicht ſagen laſſen: „„Sie ſind ehrlich, ich weiß es, aber Sie haben keinen Credit mehr in Berlin; Hardenberg und ein Paar andre hirn¬ kranke Narren wühlen das Volk auf und beherr¬ ſchen Ihren König.““ Das mußte er hören, der Ab¬ geſandte Preußens, aus dem Munde des Corſen, und —– ſchwieg –— mußte ſchweigen — und — und —“ Als ſie wieder vorüber waren, meinte Adelheid, die Königin ſei jetzt wohl ſchwerlich geſtimmt, ein unbedeu¬ tendes Mädchen zu empfangen; ob es nicht ſchickli¬ cher wäre, wenn ſie ſich ſtill zurückzöge? Die Scha¬ dow verneinte es: „Das geht bald vorüber. Sie kann nicht lange zürnen, das iſt ihr himmliſches Ge¬ müth. Es iſt, wie wenn ein Gewitterſturm vorüber¬ zog und dann die Abendſonne ſcheint. Dann athmet ſie auf, ſie kann ſich an einer Feldblume freuen, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/114
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/114>, abgerufen am 23.11.2024.