König selbst den Herrn nicht liebt -- er ist ihm un¬ bequem. Ganz unter uns, er fühlt oft, daß es besser wäre, wenn die Andern, gegen die jetzt das Ge¬ schrei ist, fort wären, er möchte sie auch zuweilen los sein, denn er ist der edelste, beste Herr von der Welt, aber sie sind ihm bequem, er hat sich an sie gewöhnt. Er entläßt ja keinen seiner alten Diener. Und die seelensgute Königin, betrüben möchte sie ihn doch auch nicht, und in Staatsangelegenheiten hatte sie sich's zum Gesetz gemacht, nicht mitzusprechen. Aber wer kann dafür, wenn das Herz voll ist und die Augen übergehen -- sie sieht ja und hört -- und, wie gesagt, wenn da am ganzen Hofe Niemand da ist, der mit ihr fühlt und sieht -- Da ist nun der Herr Graf Hoym aus Schlesien angekommen. Ob's grade der rechte Mann ist, weiß ich nicht, aber er ist ein frisches Gesicht, er spielt ihr nicht immer die alte Melodie vor, und am Ende, wenn man kein Men¬ schenherz hat, klagt man auch gegen den Mond und gegen die Wände."
Die Spaziergänger waren abermals zurück¬ gekehrt.
"In den Provinzen theilt man Ihro Majestät Entrüstung, sagte Hoym, Allen ist es ein Räthsel: Friedrichs Staat in den Händen eines französischen Roturiers!"
Die Königin blieb stehen: "Sagen Sie lieber, eines charakterlosen Libertins, der mit den höchsten Gütern, den Tugenden, der Ehre des schönsten Reiches
König ſelbſt den Herrn nicht liebt — er iſt ihm un¬ bequem. Ganz unter uns, er fühlt oft, daß es beſſer wäre, wenn die Andern, gegen die jetzt das Ge¬ ſchrei iſt, fort wären, er möchte ſie auch zuweilen los ſein, denn er iſt der edelſte, beſte Herr von der Welt, aber ſie ſind ihm bequem, er hat ſich an ſie gewöhnt. Er entläßt ja keinen ſeiner alten Diener. Und die ſeelensgute Königin, betrüben möchte ſie ihn doch auch nicht, und in Staatsangelegenheiten hatte ſie ſich's zum Geſetz gemacht, nicht mitzuſprechen. Aber wer kann dafür, wenn das Herz voll iſt und die Augen übergehen — ſie ſieht ja und hört — und, wie geſagt, wenn da am ganzen Hofe Niemand da iſt, der mit ihr fühlt und ſieht — Da iſt nun der Herr Graf Hoym aus Schleſien angekommen. Ob's grade der rechte Mann iſt, weiß ich nicht, aber er iſt ein friſches Geſicht, er ſpielt ihr nicht immer die alte Melodie vor, und am Ende, wenn man kein Men¬ ſchenherz hat, klagt man auch gegen den Mond und gegen die Wände.“
Die Spaziergänger waren abermals zurück¬ gekehrt.
„In den Provinzen theilt man Ihro Majeſtät Entrüſtung, ſagte Hoym, Allen iſt es ein Räthſel: Friedrichs Staat in den Händen eines franzöſiſchen Roturiers!“
Die Königin blieb ſtehen: „Sagen Sie lieber, eines charakterloſen Libertins, der mit den höchſten Gütern, den Tugenden, der Ehre des ſchönſten Reiches
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König ſelbſt den Herrn nicht liebt — er iſt ihm un¬
bequem. Ganz unter uns, er fühlt oft, daß es beſſer
wäre, wenn die Andern, gegen die jetzt das Ge¬
ſchrei iſt, fort wären, er möchte ſie auch zuweilen
los ſein, denn er iſt der edelſte, beſte Herr von der
Welt, aber ſie ſind ihm bequem, er hat ſich an ſie
gewöhnt. Er entläßt ja keinen ſeiner alten Diener.
Und die ſeelensgute Königin, betrüben möchte ſie ihn
doch auch nicht, und in Staatsangelegenheiten hatte
ſie ſich's zum Geſetz gemacht, nicht mitzuſprechen.
Aber wer kann dafür, wenn das Herz voll iſt und
die Augen übergehen — ſie ſieht ja und hört — und,
wie geſagt, wenn da am ganzen Hofe Niemand da
iſt, der mit ihr fühlt und ſieht — Da iſt nun der
Herr Graf Hoym aus Schleſien angekommen. Ob's
grade der rechte Mann iſt, weiß ich nicht, aber er iſt
ein friſches Geſicht, er ſpielt ihr nicht immer die alte
Melodie vor, und am Ende, wenn man kein Men¬
ſchenherz hat, klagt man auch gegen den Mond und
gegen die Wände.“
Die Spaziergänger waren abermals zurück¬
gekehrt.
„In den Provinzen theilt man Ihro Majeſtät
Entrüſtung, ſagte Hoym, Allen iſt es ein Räthſel:
Friedrichs Staat in den Händen eines franzöſiſchen
Roturiers!“
Die Königin blieb ſtehen: „Sagen Sie lieber,
eines charakterloſen Libertins, der mit den höchſten
Gütern, den Tugenden, der Ehre des ſchönſten Reiches
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/112>, abgerufen am 23.11.2024.
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