Sinn eines Gespräches, in dem der Vater unter¬ legen war. Es war ja nicht eigentlich sein Depar¬ tement; er fühlte, daß der Geist seiner Tochter auf Fittigen flog, die im Staube des Aktenlebens nicht wachsen. Nun, und wenn er in seinem Mißmuth Seufzern und Klagen gegen die erhabene Person Luft gegeben, so fühlte Adelheid eine andere Lebenslust in sich. -- Sie fühlte sich nicht decouragirt.
Die Königin kam, aber nicht allein. Ein Ca¬ valier ging an ihrer Seite, mit dem sie in lebhaftem Gespräche schien. Es war ein stattlicher, schöner Mann, von einem gewinnenden Ansehen, jede Be¬ wegung weltmännische Grazie, obwohl sein rechter Arm, früh vom Schlage getroffen, gelähmt an der Seite hing.
"Graf Hoym, flüsterte die Schadow, der Vice¬ könig von Schlesien. Wir müssen zurücktreten."
Beide gingen vorüber, und die Königin bemerkte sie in ihrer Aufregung wirklich nicht.
"Palm! Palm! lieber Hoym, das bleibt doch das Abscheulichste. -- So unschuldig, in der Nacht fortgerissen von Frau und Kindern -- um -- o mein Gott, ich glaube oft seinen Schatten zu sehen, wenn ich unter diesen Bäumen gehe."
"Die Hunderttausende, gnädige Frau, die auf den Schlachtfeldern auch die Kugel traf --"
"Nein, Hoym, das ist nicht das. Er schreitet über Leichen, das ist der Weg des Gräßlichen. Aber der Mord an einem schuldlosen Familienvater --"
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Sinn eines Geſpräches, in dem der Vater unter¬ legen war. Es war ja nicht eigentlich ſein Depar¬ tement; er fühlte, daß der Geiſt ſeiner Tochter auf Fittigen flog, die im Staube des Aktenlebens nicht wachſen. Nun, und wenn er in ſeinem Mißmuth Seufzern und Klagen gegen die erhabene Perſon Luft gegeben, ſo fühlte Adelheid eine andere Lebensluſt in ſich. — Sie fühlte ſich nicht decouragirt.
Die Königin kam, aber nicht allein. Ein Ca¬ valier ging an ihrer Seite, mit dem ſie in lebhaftem Geſpräche ſchien. Es war ein ſtattlicher, ſchöner Mann, von einem gewinnenden Anſehen, jede Be¬ wegung weltmänniſche Grazie, obwohl ſein rechter Arm, früh vom Schlage getroffen, gelähmt an der Seite hing.
„Graf Hoym, flüſterte die Schadow, der Vice¬ könig von Schleſien. Wir müſſen zurücktreten.“
Beide gingen vorüber, und die Königin bemerkte ſie in ihrer Aufregung wirklich nicht.
„Palm! Palm! lieber Hoym, das bleibt doch das Abſcheulichſte. — So unſchuldig, in der Nacht fortgeriſſen von Frau und Kindern — um — o mein Gott, ich glaube oft ſeinen Schatten zu ſehen, wenn ich unter dieſen Bäumen gehe.“
„Die Hunderttauſende, gnädige Frau, die auf den Schlachtfeldern auch die Kugel traf —“
„Nein, Hoym, das iſt nicht das. Er ſchreitet über Leichen, das iſt der Weg des Gräßlichen. Aber der Mord an einem ſchuldloſen Familienvater —“
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Sinn eines Geſpräches, in dem der Vater unter¬
legen war. Es war ja nicht eigentlich ſein Depar¬
tement; er fühlte, daß der Geiſt ſeiner Tochter auf
Fittigen flog, die im Staube des Aktenlebens nicht
wachſen. Nun, und wenn er in ſeinem Mißmuth
Seufzern und Klagen gegen die erhabene Perſon Luft
gegeben, ſo fühlte Adelheid eine andere Lebensluſt
in ſich. — Sie fühlte ſich nicht decouragirt.
Die Königin kam, aber nicht allein. Ein Ca¬
valier ging an ihrer Seite, mit dem ſie in lebhaftem
Geſpräche ſchien. Es war ein ſtattlicher, ſchöner
Mann, von einem gewinnenden Anſehen, jede Be¬
wegung weltmänniſche Grazie, obwohl ſein rechter
Arm, früh vom Schlage getroffen, gelähmt an der
Seite hing.
„Graf Hoym, flüſterte die Schadow, der Vice¬
könig von Schleſien. Wir müſſen zurücktreten.“
Beide gingen vorüber, und die Königin bemerkte
ſie in ihrer Aufregung wirklich nicht.
„Palm! Palm! lieber Hoym, das bleibt doch
das Abſcheulichſte. — So unſchuldig, in der Nacht
fortgeriſſen von Frau und Kindern — um — o mein
Gott, ich glaube oft ſeinen Schatten zu ſehen, wenn
ich unter dieſen Bäumen gehe.“
„Die Hunderttauſende, gnädige Frau, die auf
den Schlachtfeldern auch die Kugel traf —“
„Nein, Hoym, das iſt nicht das. Er ſchreitet
über Leichen, das iſt der Weg des Gräßlichen. Aber
der Mord an einem ſchuldloſen Familienvater —“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/109>, abgerufen am 23.11.2024.
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