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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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Lection einer älteren Freundin an, daß wir uns de¬
müthigen müssen. Sie muß Alles thun, denken,
wir lauschen nur und lassen im Gewande der Bitte
Vorstellungen aufflattern, welche die Fürstin aufgreift
und zu den ihren macht. Da geben Sie Ihr Eigen¬
thum hin; Sie wären augenblicklich verloren, wenn
Sie in Freude aufblitzten: das habe ich ja gesagt!
das sind ja meine Gedanken! Einer Monarchin ge¬
genüber dürfen Sie gar nicht denken. Wie eine
Pythia auf dem Dreifuß athmen Sie in halber Auf¬
lösung ihre Aeußerungen ein, Sie nehmen Alles an,
nun, und ich traue Ihnen doch die Klugheit zu, daß
Sie, wie die Priesterin, diese Töne dann zu einem
Spruche ordnen werden, der Ihren Absichten ent¬
spricht. Ach, Sie glauben nicht, wie leicht das ist,
wenn man erst die Neigungen und Schwächen der
Großen kennt."

"Ich werde versuchen, zu ihrer Seele zu sprechen."

"Das ist recht. Sie liebt bürgerliche, rührende
Scenen. Malen Sie Ihren Liebesschmerz unter
Schluchzen, mit von Thränen erstickten Worten. So¬
bald Sie merken, daß sie gerührt wird, stürzen Sie
auf die Knie, ergreifen ihr Kleid -- sie wird Ihnen
aber die Hand reichen, wenn Sie die rechte Sprache
trafen -- dann erklären Sie, Ihr ganzes Lebensglück
läge in dieser Hand, sie wird Sie huldreich auf¬
fordern aufzustehen. Sie erklären aber, Sie würden
nicht aufstehen, bis -- nun, das Uebrige wird ein so
kluges Mädchen wissen."

Lection einer älteren Freundin an, daß wir uns de¬
müthigen müſſen. Sie muß Alles thun, denken,
wir lauſchen nur und laſſen im Gewande der Bitte
Vorſtellungen aufflattern, welche die Fürſtin aufgreift
und zu den ihren macht. Da geben Sie Ihr Eigen¬
thum hin; Sie wären augenblicklich verloren, wenn
Sie in Freude aufblitzten: das habe ich ja geſagt!
das ſind ja meine Gedanken! Einer Monarchin ge¬
genüber dürfen Sie gar nicht denken. Wie eine
Pythia auf dem Dreifuß athmen Sie in halber Auf¬
löſung ihre Aeußerungen ein, Sie nehmen Alles an,
nun, und ich traue Ihnen doch die Klugheit zu, daß
Sie, wie die Prieſterin, dieſe Töne dann zu einem
Spruche ordnen werden, der Ihren Abſichten ent¬
ſpricht. Ach, Sie glauben nicht, wie leicht das iſt,
wenn man erſt die Neigungen und Schwächen der
Großen kennt.“

„Ich werde verſuchen, zu ihrer Seele zu ſprechen.“

„Das iſt recht. Sie liebt bürgerliche, rührende
Scenen. Malen Sie Ihren Liebesſchmerz unter
Schluchzen, mit von Thränen erſtickten Worten. So¬
bald Sie merken, daß ſie gerührt wird, ſtürzen Sie
auf die Knie, ergreifen ihr Kleid — ſie wird Ihnen
aber die Hand reichen, wenn Sie die rechte Sprache
trafen — dann erklären Sie, Ihr ganzes Lebensglück
läge in dieſer Hand, ſie wird Sie huldreich auf¬
fordern aufzuſtehen. Sie erklären aber, Sie würden
nicht aufſtehen, bis — nun, das Uebrige wird ein ſo
kluges Mädchen wiſſen.“

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[94/0104] Lection einer älteren Freundin an, daß wir uns de¬ müthigen müſſen. Sie muß Alles thun, denken, wir lauſchen nur und laſſen im Gewande der Bitte Vorſtellungen aufflattern, welche die Fürſtin aufgreift und zu den ihren macht. Da geben Sie Ihr Eigen¬ thum hin; Sie wären augenblicklich verloren, wenn Sie in Freude aufblitzten: das habe ich ja geſagt! das ſind ja meine Gedanken! Einer Monarchin ge¬ genüber dürfen Sie gar nicht denken. Wie eine Pythia auf dem Dreifuß athmen Sie in halber Auf¬ löſung ihre Aeußerungen ein, Sie nehmen Alles an, nun, und ich traue Ihnen doch die Klugheit zu, daß Sie, wie die Prieſterin, dieſe Töne dann zu einem Spruche ordnen werden, der Ihren Abſichten ent¬ ſpricht. Ach, Sie glauben nicht, wie leicht das iſt, wenn man erſt die Neigungen und Schwächen der Großen kennt.“ „Ich werde verſuchen, zu ihrer Seele zu ſprechen.“ „Das iſt recht. Sie liebt bürgerliche, rührende Scenen. Malen Sie Ihren Liebesſchmerz unter Schluchzen, mit von Thränen erſtickten Worten. So¬ bald Sie merken, daß ſie gerührt wird, ſtürzen Sie auf die Knie, ergreifen ihr Kleid — ſie wird Ihnen aber die Hand reichen, wenn Sie die rechte Sprache trafen — dann erklären Sie, Ihr ganzes Lebensglück läge in dieſer Hand, ſie wird Sie huldreich auf¬ fordern aufzuſtehen. Sie erklären aber, Sie würden nicht aufſtehen, bis — nun, das Uebrige wird ein ſo kluges Mädchen wiſſen.“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/104>, abgerufen am 23.11.2024.