lange an, und sind immer mit einer demüthigenden Aetzung gemischt. Das zeigt Ihnen schon die Art, wie die Königin Sie rufen läßt."
"Mich rufen?"
"Sie fühlen sich schon -- ich will nicht sagen gekränkt, aber Ihr Gefühl sträubt sich. Sie werden ihr nun vielleicht nicht in der Art entgegentreten, wie sie es erwartet; Sie werden in Worten, Blicken, Haltung, Ihr Selbstbewußtsein verrathen. Liebes Kind, das dürfen wir nicht den Großen der Erde gegenüber. Weil sie ihre Größe immer fühlen wollen, wollen sie uns immer klein sehen. Je größer wir vor ihnen stehen, so mehr heben sie sich, um uns niederzudrücken; je niedriger wir uns aber bücken, je mehr wir den Schein annehmen, daß ihre Majestät uns eblouirt, so gnädiger werden sie, und heben uns Zoll um Zoll -- es freut sie dann, wenn wir uns über Andere groß dünken, denn sie feiern sich selbst, weil sie uns so groß gemacht."
"Gnädigste Frau, die Königin hat mich nicht rufen lassen, sie hat mich vielleicht schon vergessen. Es ist mein eigener Wunsch, mich ihr vorstellen zu dürfen."
"Ihr eigener!" Die Fürstin hielt inne und maß das junge Mädchen. Adelheid war immer wahr; es war eben die Art der Wahrheit, welche der Gargazin nicht convenirte. Nach einer Pause hub sie lächelnd wieder an: -- "Sie erlauben mir doch zu zweifeln, daß es ganz Ihr eigener Wunsch ist, wenn ich be¬
lange an, und ſind immer mit einer demüthigenden Aetzung gemiſcht. Das zeigt Ihnen ſchon die Art, wie die Königin Sie rufen läßt.“
„Mich rufen?“
„Sie fühlen ſich ſchon — ich will nicht ſagen gekränkt, aber Ihr Gefühl ſträubt ſich. Sie werden ihr nun vielleicht nicht in der Art entgegentreten, wie ſie es erwartet; Sie werden in Worten, Blicken, Haltung, Ihr Selbſtbewußtſein verrathen. Liebes Kind, das dürfen wir nicht den Großen der Erde gegenüber. Weil ſie ihre Größe immer fühlen wollen, wollen ſie uns immer klein ſehen. Je größer wir vor ihnen ſtehen, ſo mehr heben ſie ſich, um uns niederzudrücken; je niedriger wir uns aber bücken, je mehr wir den Schein annehmen, daß ihre Majeſtät uns eblouirt, ſo gnädiger werden ſie, und heben uns Zoll um Zoll — es freut ſie dann, wenn wir uns über Andere groß dünken, denn ſie feiern ſich ſelbſt, weil ſie uns ſo groß gemacht.“
„Gnädigſte Frau, die Königin hat mich nicht rufen laſſen, ſie hat mich vielleicht ſchon vergeſſen. Es iſt mein eigener Wunſch, mich ihr vorſtellen zu dürfen.“
„Ihr eigener!“ Die Fürſtin hielt inne und maß das junge Mädchen. Adelheid war immer wahr; es war eben die Art der Wahrheit, welche der Gargazin nicht convenirte. Nach einer Pauſe hub ſie lächelnd wieder an: — „Sie erlauben mir doch zu zweifeln, daß es ganz Ihr eigener Wunſch iſt, wenn ich be¬
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lange an, und ſind immer mit einer demüthigenden
Aetzung gemiſcht. Das zeigt Ihnen ſchon die Art,
wie die Königin Sie rufen läßt.“
„Mich rufen?“
„Sie fühlen ſich ſchon — ich will nicht ſagen
gekränkt, aber Ihr Gefühl ſträubt ſich. Sie werden
ihr nun vielleicht nicht in der Art entgegentreten,
wie ſie es erwartet; Sie werden in Worten, Blicken,
Haltung, Ihr Selbſtbewußtſein verrathen. Liebes
Kind, das dürfen wir nicht den Großen der Erde
gegenüber. Weil ſie ihre Größe immer fühlen wollen,
wollen ſie uns immer klein ſehen. Je größer wir
vor ihnen ſtehen, ſo mehr heben ſie ſich, um uns
niederzudrücken; je niedriger wir uns aber bücken,
je mehr wir den Schein annehmen, daß ihre Majeſtät
uns eblouirt, ſo gnädiger werden ſie, und heben uns
Zoll um Zoll — es freut ſie dann, wenn wir uns
über Andere groß dünken, denn ſie feiern ſich ſelbſt,
weil ſie uns ſo groß gemacht.“
„Gnädigſte Frau, die Königin hat mich nicht
rufen laſſen, ſie hat mich vielleicht ſchon vergeſſen.
Es iſt mein eigener Wunſch, mich ihr vorſtellen zu
dürfen.“
„Ihr eigener!“ Die Fürſtin hielt inne und maß
das junge Mädchen. Adelheid war immer wahr; es
war eben die Art der Wahrheit, welche der Gargazin
nicht convenirte. Nach einer Pauſe hub ſie lächelnd
wieder an: — „Sie erlauben mir doch zu zweifeln,
daß es ganz Ihr eigener Wunſch iſt, wenn ich be¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/102>, abgerufen am 23.11.2024.
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