Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

die Blechgefäße polterten auf die Straße, aber auch
die Equipage hatte sich übergelehnt, und Adelheid
war jetzt zu dem gezwungen, wozu vorhin innere
Angst sie drängte.

Als die Baronin noch um Hülfe schrie, hatte sie,
rasch entschlossen, sich schon danach umgesehen, und
sie war zur Hand. Zwei einsame Spaziergänger
waren von den entgegengesetzten Seiten des Weges
auf den Lärm herangeeilt. Adelheid riß ihr Shawl
von den Schultern, und warf es dem ihr Nächst¬
stehenden zu. Als er aber die Arme ausbreitete, um
ihr herabzuhelfen, fuhr auch ihr ein Schrei über die
Lippen, kein lauter in dem allgemeinen Toben und
Fluchen, aber laut genug, daß er zweien durchs Herz
fuhr, der, welche ihn ausgestoßen, und dem, welcher
ihr die Arme entgegenstreckte. Walter van Asten sah,
wie Adelheid sich von ihm abwandte und umschlungen
vom Arm des Rittmeisters Stier von Dohleneck aus
ihrer gefährlichen Lage gehoben ward. Er hatte genug
gesehen. Auch die Baronin durchzückte ein Ton, der
nur halb über ihre Lippen kam. Sie nahm die Hülfe
des jungen Mannes dankbar an: "Ich danke Ihnen,
sagte sie, ihr Haar in Ordnung bringend, daß gerade
Sie es sind."

Wir lassen unsere Leser auf der dunkelnden
Charlottenburger Chaussee nicht länger verweilen;
was geht uns der Lärm, das wüste Gezänk an zwi¬
schen Kutscher, Milchmann, den umstehenden Schieds¬
richtern und Helfern. Ein Rad war gebrochen, in

die Blechgefäße polterten auf die Straße, aber auch
die Equipage hatte ſich übergelehnt, und Adelheid
war jetzt zu dem gezwungen, wozu vorhin innere
Angſt ſie drängte.

Als die Baronin noch um Hülfe ſchrie, hatte ſie,
raſch entſchloſſen, ſich ſchon danach umgeſehen, und
ſie war zur Hand. Zwei einſame Spaziergänger
waren von den entgegengeſetzten Seiten des Weges
auf den Lärm herangeeilt. Adelheid riß ihr Shawl
von den Schultern, und warf es dem ihr Nächſt¬
ſtehenden zu. Als er aber die Arme ausbreitete, um
ihr herabzuhelfen, fuhr auch ihr ein Schrei über die
Lippen, kein lauter in dem allgemeinen Toben und
Fluchen, aber laut genug, daß er zweien durchs Herz
fuhr, der, welche ihn ausgeſtoßen, und dem, welcher
ihr die Arme entgegenſtreckte. Walter van Aſten ſah,
wie Adelheid ſich von ihm abwandte und umſchlungen
vom Arm des Rittmeiſters Stier von Dohleneck aus
ihrer gefährlichen Lage gehoben ward. Er hatte genug
geſehen. Auch die Baronin durchzückte ein Ton, der
nur halb über ihre Lippen kam. Sie nahm die Hülfe
des jungen Mannes dankbar an: „Ich danke Ihnen,
ſagte ſie, ihr Haar in Ordnung bringend, daß gerade
Sie es ſind.“

Wir laſſen unſere Leſer auf der dunkelnden
Charlottenburger Chauſſee nicht länger verweilen;
was geht uns der Lärm, das wüſte Gezänk an zwi¬
ſchen Kutſcher, Milchmann, den umſtehenden Schieds¬
richtern und Helfern. Ein Rad war gebrochen, in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0097" n="87"/>
die Blechgefäße polterten auf die Straße, aber auch<lb/>
die Equipage hatte &#x017F;ich übergelehnt, und Adelheid<lb/>
war jetzt zu dem gezwungen, wozu vorhin innere<lb/>
Ang&#x017F;t &#x017F;ie drängte.</p><lb/>
        <p>Als die Baronin noch um Hülfe &#x017F;chrie, hatte &#x017F;ie,<lb/>
ra&#x017F;ch ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ich &#x017F;chon danach umge&#x017F;ehen, und<lb/>
&#x017F;ie war zur Hand. Zwei ein&#x017F;ame Spaziergänger<lb/>
waren von den entgegenge&#x017F;etzten Seiten des Weges<lb/>
auf den Lärm herangeeilt. Adelheid riß ihr Shawl<lb/>
von den Schultern, und warf es dem ihr Näch&#x017F;<lb/>
&#x017F;tehenden zu. Als er aber die Arme ausbreitete, um<lb/>
ihr herabzuhelfen, fuhr auch ihr ein Schrei über die<lb/>
Lippen, kein lauter in dem allgemeinen Toben und<lb/>
Fluchen, aber laut genug, daß er zweien durchs Herz<lb/>
fuhr, der, welche ihn ausge&#x017F;toßen, und dem, welcher<lb/>
ihr die Arme entgegen&#x017F;treckte. Walter van A&#x017F;ten &#x017F;ah,<lb/>
wie Adelheid &#x017F;ich von ihm abwandte und um&#x017F;chlungen<lb/>
vom Arm des Rittmei&#x017F;ters Stier von Dohleneck aus<lb/>
ihrer gefährlichen Lage gehoben ward. Er hatte genug<lb/>
ge&#x017F;ehen. Auch die Baronin durchzückte ein Ton, der<lb/>
nur halb über ihre Lippen kam. Sie nahm die Hülfe<lb/>
des jungen Mannes dankbar an: &#x201E;Ich danke Ihnen,<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie, ihr Haar in Ordnung bringend, daß gerade<lb/>
Sie es &#x017F;ind.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wir la&#x017F;&#x017F;en un&#x017F;ere Le&#x017F;er auf der dunkelnden<lb/>
Charlottenburger Chau&#x017F;&#x017F;ee nicht länger verweilen;<lb/>
was geht uns der Lärm, das wü&#x017F;te Gezänk an zwi¬<lb/>
&#x017F;chen Kut&#x017F;cher, Milchmann, den um&#x017F;tehenden Schieds¬<lb/>
richtern und Helfern. Ein Rad war gebrochen, in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0097] die Blechgefäße polterten auf die Straße, aber auch die Equipage hatte ſich übergelehnt, und Adelheid war jetzt zu dem gezwungen, wozu vorhin innere Angſt ſie drängte. Als die Baronin noch um Hülfe ſchrie, hatte ſie, raſch entſchloſſen, ſich ſchon danach umgeſehen, und ſie war zur Hand. Zwei einſame Spaziergänger waren von den entgegengeſetzten Seiten des Weges auf den Lärm herangeeilt. Adelheid riß ihr Shawl von den Schultern, und warf es dem ihr Nächſt¬ ſtehenden zu. Als er aber die Arme ausbreitete, um ihr herabzuhelfen, fuhr auch ihr ein Schrei über die Lippen, kein lauter in dem allgemeinen Toben und Fluchen, aber laut genug, daß er zweien durchs Herz fuhr, der, welche ihn ausgeſtoßen, und dem, welcher ihr die Arme entgegenſtreckte. Walter van Aſten ſah, wie Adelheid ſich von ihm abwandte und umſchlungen vom Arm des Rittmeiſters Stier von Dohleneck aus ihrer gefährlichen Lage gehoben ward. Er hatte genug geſehen. Auch die Baronin durchzückte ein Ton, der nur halb über ihre Lippen kam. Sie nahm die Hülfe des jungen Mannes dankbar an: „Ich danke Ihnen, ſagte ſie, ihr Haar in Ordnung bringend, daß gerade Sie es ſind.“ Wir laſſen unſere Leſer auf der dunkelnden Charlottenburger Chauſſee nicht länger verweilen; was geht uns der Lärm, das wüſte Gezänk an zwi¬ ſchen Kutſcher, Milchmann, den umſtehenden Schieds¬ richtern und Helfern. Ein Rad war gebrochen, in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/97
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/97>, abgerufen am 22.11.2024.