zersetzenden Nähe, und etwas davon war in ihr ge¬ blieben, es beschwerte ihr Blut, es trübte ihren Blick, der Egoismus des Verstandes!
Und als diese wechselvollen Schicksale wie die Stäubchen im Sonnenstrahl vor ihrem inneren Auge wirbelten, hatte sie sich gefragt: warum das Schick¬ sal so wunderbar mit ihr gespielt? sie schleudere aus einem Arm in den andern, Menschen und Gewohn¬ heiten tauschend, wie die Bilder aus einer Laterna Magica? Ob sie eine besondere Bestimmung habe, indem sie die Menschen in ihrer Schlechtigkeit kennen¬ lernen sollte? Eine entsetzliche Frage hatte in dem jungen Herzen angepocht: hat die Natur den Men¬ schen auf die Welt gesetzt zur Lüge, oder um nach der Wahrheit zu ringen? Die der Lüge lebten, einen andern Schein um ihr Sein woben, -- hatte sie nicht beobachtet, daß grade diese vom Glück ange¬ strahlt waren, gesucht, geschätzt, anerkannt, selbst von denen, welche sie durch und durch erkannten! Die dagegen kein Aushängeschild über ihr Wesen trugen, ihre Gedanken rein aussprachen, grade auf ihr Ziel losgingen, wo hatten sie es erreicht, wie wurden doch ihre Gedanken mißverstanden, anders ausgelegt, höchstens belohnt durch eine laue Anerkennung ihres redlichen Strebens. Aber hinzugesetzt ward: schade, damit wird er nie durchdringen. Es hilft der Welt nichts was er thut. -- Was hatte Walter errungen? -- Der arme Walter! Und sie! -- Sie hatte ihn getäuscht, sie täuschte ihn noch immer fort, sie
zerſetzenden Nähe, und etwas davon war in ihr ge¬ blieben, es beſchwerte ihr Blut, es trübte ihren Blick, der Egoismus des Verſtandes!
Und als dieſe wechſelvollen Schickſale wie die Stäubchen im Sonnenſtrahl vor ihrem inneren Auge wirbelten, hatte ſie ſich gefragt: warum das Schick¬ ſal ſo wunderbar mit ihr geſpielt? ſie ſchleudere aus einem Arm in den andern, Menſchen und Gewohn¬ heiten tauſchend, wie die Bilder aus einer Laterna Magica? Ob ſie eine beſondere Beſtimmung habe, indem ſie die Menſchen in ihrer Schlechtigkeit kennen¬ lernen ſollte? Eine entſetzliche Frage hatte in dem jungen Herzen angepocht: hat die Natur den Men¬ ſchen auf die Welt geſetzt zur Lüge, oder um nach der Wahrheit zu ringen? Die der Lüge lebten, einen andern Schein um ihr Sein woben, — hatte ſie nicht beobachtet, daß grade dieſe vom Glück ange¬ ſtrahlt waren, geſucht, geſchätzt, anerkannt, ſelbſt von denen, welche ſie durch und durch erkannten! Die dagegen kein Aushängeſchild über ihr Weſen trugen, ihre Gedanken rein ausſprachen, grade auf ihr Ziel losgingen, wo hatten ſie es erreicht, wie wurden doch ihre Gedanken mißverſtanden, anders ausgelegt, höchſtens belohnt durch eine laue Anerkennung ihres redlichen Strebens. Aber hinzugeſetzt ward: ſchade, damit wird er nie durchdringen. Es hilft der Welt nichts was er thut. — Was hatte Walter errungen? — Der arme Walter! Und ſie! — Sie hatte ihn getäuſcht, ſie täuſchte ihn noch immer fort, ſie
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zerſetzenden Nähe, und etwas davon war in ihr ge¬
blieben, es beſchwerte ihr Blut, es trübte ihren Blick,
der Egoismus des Verſtandes!
Und als dieſe wechſelvollen Schickſale wie die
Stäubchen im Sonnenſtrahl vor ihrem inneren Auge
wirbelten, hatte ſie ſich gefragt: warum das Schick¬
ſal ſo wunderbar mit ihr geſpielt? ſie ſchleudere aus
einem Arm in den andern, Menſchen und Gewohn¬
heiten tauſchend, wie die Bilder aus einer Laterna
Magica? Ob ſie eine beſondere Beſtimmung habe,
indem ſie die Menſchen in ihrer Schlechtigkeit kennen¬
lernen ſollte? Eine entſetzliche Frage hatte in dem
jungen Herzen angepocht: hat die Natur den Men¬
ſchen auf die Welt geſetzt zur Lüge, oder um nach
der Wahrheit zu ringen? Die der Lüge lebten,
einen andern Schein um ihr Sein woben, — hatte ſie
nicht beobachtet, daß grade dieſe vom Glück ange¬
ſtrahlt waren, geſucht, geſchätzt, anerkannt, ſelbſt von
denen, welche ſie durch und durch erkannten! Die
dagegen kein Aushängeſchild über ihr Weſen trugen,
ihre Gedanken rein ausſprachen, grade auf ihr Ziel
losgingen, wo hatten ſie es erreicht, wie wurden
doch ihre Gedanken mißverſtanden, anders ausgelegt,
höchſtens belohnt durch eine laue Anerkennung ihres
redlichen Strebens. Aber hinzugeſetzt ward: ſchade,
damit wird er nie durchdringen. Es hilft der Welt
nichts was er thut. — Was hatte Walter errungen?
— Der arme Walter! Und ſie! — Sie hatte ihn
getäuſcht, ſie täuſchte ihn noch immer fort, ſie
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/90>, abgerufen am 23.11.2024.
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