guten Sinne auf Tüchtiges gehofft, ist's die Unent¬ schlossenheit, die sich auf das Volk ergießt und es zersetzt. Wie, wo soll da geholfen werden! Nein, wer soll helfen, wer die adstringirende Säure gie¬ ßen in die in Auflösung befindliche Masse!"
"Frage lieber, wer ist der neue Prometheus? Denn die Nachkommen des alten verfolgten Revolu¬ tionairs sind im Laufe der Zeit legitime Philister geworden, gute Bürger, die des Nachtwächters Ruf gehorchen: Bewahrt das Feuer und das Licht. Schaff Dir neue Menschen. Mit den alten ist nichts anzu¬ fangen."
Bovillard war aufgestanden und blickte in die Ferne, wo die Sonne zwischen dem Walde versank.
"Thorheit, wiederholte er, zu rühmen, daß wir die Zeit verrücken, die, unser spottend, über uns hin¬ rollt. Der Kriegswagen des Donnergottes, von Sturmrossen gezogen, Festungen zermalmt er und Heere, die für unüberwindlich galten, wie Kartenhäu¬ ser und bleierne Soldaten, und es ist nichts so fest auf Erden, was nicht schon knickt, wo sein schnauben¬ des Gespann heranbraust." -- Er legte seinen Arm auf Walters Schultern. -- "Ich war da, Lieber, ich sah es ja in der Nähe. Unsern Staatsmann sah ich, hei¬ liger Gott! Friedrich und sein großer Ahn, der Kurfürst, müßten im Sarge roth werden, wenn sie das gesehen! Ein Verräther -- nein! Man kann nur verrathen, was man weiß. Wenn er sich in den Wagen setzte, zur Conferenz zu fahren, wußte er
guten Sinne auf Tüchtiges gehofft, iſt's die Unent¬ ſchloſſenheit, die ſich auf das Volk ergießt und es zerſetzt. Wie, wo ſoll da geholfen werden! Nein, wer ſoll helfen, wer die adſtringirende Säure gie¬ ßen in die in Auflöſung befindliche Maſſe!“
„Frage lieber, wer iſt der neue Prometheus? Denn die Nachkommen des alten verfolgten Revolu¬ tionairs ſind im Laufe der Zeit legitime Philiſter geworden, gute Bürger, die des Nachtwächters Ruf gehorchen: Bewahrt das Feuer und das Licht. Schaff Dir neue Menſchen. Mit den alten iſt nichts anzu¬ fangen.“
Bovillard war aufgeſtanden und blickte in die Ferne, wo die Sonne zwiſchen dem Walde verſank.
„Thorheit, wiederholte er, zu rühmen, daß wir die Zeit verrücken, die, unſer ſpottend, über uns hin¬ rollt. Der Kriegswagen des Donnergottes, von Sturmroſſen gezogen, Feſtungen zermalmt er und Heere, die für unüberwindlich galten, wie Kartenhäu¬ ſer und bleierne Soldaten, und es iſt nichts ſo feſt auf Erden, was nicht ſchon knickt, wo ſein ſchnauben¬ des Geſpann heranbrauſt.“ — Er legte ſeinen Arm auf Walters Schultern. — „Ich war da, Lieber, ich ſah es ja in der Nähe. Unſern Staatsmann ſah ich, hei¬ liger Gott! Friedrich und ſein großer Ahn, der Kurfürſt, müßten im Sarge roth werden, wenn ſie das geſehen! Ein Verräther — nein! Man kann nur verrathen, was man weiß. Wenn er ſich in den Wagen ſetzte, zur Conferenz zu fahren, wußte er
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guten Sinne auf Tüchtiges gehofft, iſt's die Unent¬
ſchloſſenheit, die ſich auf das Volk ergießt und es
zerſetzt. Wie, wo ſoll da geholfen werden! Nein,
wer ſoll helfen, wer die adſtringirende Säure gie¬
ßen in die in Auflöſung befindliche Maſſe!“
„Frage lieber, wer iſt der neue Prometheus?
Denn die Nachkommen des alten verfolgten Revolu¬
tionairs ſind im Laufe der Zeit legitime Philiſter
geworden, gute Bürger, die des Nachtwächters Ruf
gehorchen: Bewahrt das Feuer und das Licht. Schaff
Dir neue Menſchen. Mit den alten iſt nichts anzu¬
fangen.“
Bovillard war aufgeſtanden und blickte in die
Ferne, wo die Sonne zwiſchen dem Walde verſank.
„Thorheit, wiederholte er, zu rühmen, daß wir
die Zeit verrücken, die, unſer ſpottend, über uns hin¬
rollt. Der Kriegswagen des Donnergottes, von
Sturmroſſen gezogen, Feſtungen zermalmt er und
Heere, die für unüberwindlich galten, wie Kartenhäu¬
ſer und bleierne Soldaten, und es iſt nichts ſo feſt
auf Erden, was nicht ſchon knickt, wo ſein ſchnauben¬
des Geſpann heranbrauſt.“ — Er legte ſeinen Arm auf
Walters Schultern. — „Ich war da, Lieber, ich ſah
es ja in der Nähe. Unſern Staatsmann ſah ich, hei¬
liger Gott! Friedrich und ſein großer Ahn, der
Kurfürſt, müßten im Sarge roth werden, wenn ſie
das geſehen! Ein Verräther — nein! Man kann
nur verrathen, was man weiß. Wenn er ſich in den
Wagen ſetzte, zur Conferenz zu fahren, wußte er
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/58>, abgerufen am 17.09.2024.
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