Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Lippen davor, und er lispelt: er war stark und wir
schwach, er entschlossen, und wir wissen nie heut, was
wir morgen thun sollen, er hat ein kriegsgewöhntes,
siegreiches Heer und wir eines, was den Krieg ver¬
lernt hat. Ein Krieg kostet Blut, viele Menschen,
er ruinirt noch mehr Bürger, seine Nachwehen sind
furchtbarer als seine Verwüstungen. Alles das sind
Realitäten, die Ehre aber ist ein Wahn. Mein Kö¬
nig hat einen Abscheu vor Blutvergießen und ich
liebe es nicht. Alle gute Menschen lieben es nicht.
Gott auch nicht, er hat den Frieden geboten und Na¬
poleon bietet ihn uns auch. Sind das nicht eben so
viele Winke des Himmels! Wofür sollen wir uns
schlagen? Für uns doch nicht. Er will uns ja mehr
geben, als wir hatten. Für Oestreich etwa, das ver¬
loren hat? Wir sind doch nicht Don Quixoten, um
für einen Rivalen uns zu opfern? Oder für das thö¬
rige Gebrause, was man jetzt öffentliche Meinung
nennt? Wiegt meines Königs unausgesprochener
Wunsch nicht schwerer? Die öffentliche Meinung
macht mich nicht zum Minister, sie möchte mich stür¬
zen. Aber sie kann's nicht. Mein König kann
mich halten, und er wird es."

"Von Advocaten des Teufels hab' ich wohl ge¬
hört, sagte die Fürstin, ihn fixirend, nur weiß ich
nicht, wer sie bezahlt."

"Ich halte Excellenz für einen sehr honetten
und zuweilen sehr heiligen Mann, der, wenn er den
Feind citirt, es gewiß nur thut, um ihn zu beschwö¬

Lippen davor, und er lispelt: er war ſtark und wir
ſchwach, er entſchloſſen, und wir wiſſen nie heut, was
wir morgen thun ſollen, er hat ein kriegsgewöhntes,
ſiegreiches Heer und wir eines, was den Krieg ver¬
lernt hat. Ein Krieg koſtet Blut, viele Menſchen,
er ruinirt noch mehr Bürger, ſeine Nachwehen ſind
furchtbarer als ſeine Verwüſtungen. Alles das ſind
Realitäten, die Ehre aber iſt ein Wahn. Mein Kö¬
nig hat einen Abſcheu vor Blutvergießen und ich
liebe es nicht. Alle gute Menſchen lieben es nicht.
Gott auch nicht, er hat den Frieden geboten und Na¬
poleon bietet ihn uns auch. Sind das nicht eben ſo
viele Winke des Himmels! Wofür ſollen wir uns
ſchlagen? Für uns doch nicht. Er will uns ja mehr
geben, als wir hatten. Für Oeſtreich etwa, das ver¬
loren hat? Wir ſind doch nicht Don Quixoten, um
für einen Rivalen uns zu opfern? Oder für das thö¬
rige Gebrauſe, was man jetzt öffentliche Meinung
nennt? Wiegt meines Königs unausgeſprochener
Wunſch nicht ſchwerer? Die öffentliche Meinung
macht mich nicht zum Miniſter, ſie möchte mich ſtür¬
zen. Aber ſie kann's nicht. Mein König kann
mich halten, und er wird es.“

„Von Advocaten des Teufels hab' ich wohl ge¬
hört, ſagte die Fürſtin, ihn fixirend, nur weiß ich
nicht, wer ſie bezahlt.“

„Ich halte Excellenz für einen ſehr honetten
und zuweilen ſehr heiligen Mann, der, wenn er den
Feind citirt, es gewiß nur thut, um ihn zu beſchwö¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="30"/>
Lippen davor, und er lispelt: er war &#x017F;tark und wir<lb/>
&#x017F;chwach, er ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, und wir wi&#x017F;&#x017F;en nie heut, was<lb/>
wir morgen thun &#x017F;ollen, er hat ein kriegsgewöhntes,<lb/>
&#x017F;iegreiches Heer und wir eines, was den Krieg ver¬<lb/>
lernt hat. Ein Krieg ko&#x017F;tet Blut, viele Men&#x017F;chen,<lb/>
er ruinirt noch mehr Bürger, &#x017F;eine Nachwehen &#x017F;ind<lb/>
furchtbarer als &#x017F;eine Verwü&#x017F;tungen. Alles das &#x017F;ind<lb/>
Realitäten, die Ehre aber i&#x017F;t ein Wahn. Mein Kö¬<lb/>
nig hat einen Ab&#x017F;cheu vor Blutvergießen und ich<lb/>
liebe es nicht. Alle gute Men&#x017F;chen lieben es nicht.<lb/>
Gott auch nicht, er hat den Frieden geboten und Na¬<lb/>
poleon bietet ihn uns auch. Sind das nicht eben &#x017F;o<lb/>
viele Winke des Himmels! Wofür &#x017F;ollen wir uns<lb/>
&#x017F;chlagen? Für uns doch nicht. Er will uns ja mehr<lb/>
geben, als wir hatten. Für Oe&#x017F;treich etwa, das ver¬<lb/>
loren hat? Wir &#x017F;ind doch nicht Don Quixoten, um<lb/>
für einen Rivalen uns zu opfern? Oder für das thö¬<lb/>
rige Gebrau&#x017F;e, was man jetzt öffentliche Meinung<lb/>
nennt? Wiegt meines Königs unausge&#x017F;prochener<lb/>
Wun&#x017F;ch nicht &#x017F;chwerer? Die öffentliche Meinung<lb/>
macht mich nicht zum Mini&#x017F;ter, &#x017F;ie möchte mich &#x017F;tür¬<lb/>
zen. Aber &#x017F;ie kann's nicht. Mein König kann<lb/>
mich halten, und er wird es.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Von Advocaten des Teufels hab' ich wohl ge¬<lb/>
hört, &#x017F;agte die Für&#x017F;tin, ihn fixirend, nur weiß ich<lb/>
nicht, wer &#x017F;ie bezahlt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich halte Excellenz für einen &#x017F;ehr honetten<lb/>
und zuweilen &#x017F;ehr heiligen Mann, der, wenn er den<lb/>
Feind citirt, es gewiß nur thut, um ihn zu be&#x017F;chwö¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0040] Lippen davor, und er lispelt: er war ſtark und wir ſchwach, er entſchloſſen, und wir wiſſen nie heut, was wir morgen thun ſollen, er hat ein kriegsgewöhntes, ſiegreiches Heer und wir eines, was den Krieg ver¬ lernt hat. Ein Krieg koſtet Blut, viele Menſchen, er ruinirt noch mehr Bürger, ſeine Nachwehen ſind furchtbarer als ſeine Verwüſtungen. Alles das ſind Realitäten, die Ehre aber iſt ein Wahn. Mein Kö¬ nig hat einen Abſcheu vor Blutvergießen und ich liebe es nicht. Alle gute Menſchen lieben es nicht. Gott auch nicht, er hat den Frieden geboten und Na¬ poleon bietet ihn uns auch. Sind das nicht eben ſo viele Winke des Himmels! Wofür ſollen wir uns ſchlagen? Für uns doch nicht. Er will uns ja mehr geben, als wir hatten. Für Oeſtreich etwa, das ver¬ loren hat? Wir ſind doch nicht Don Quixoten, um für einen Rivalen uns zu opfern? Oder für das thö¬ rige Gebrauſe, was man jetzt öffentliche Meinung nennt? Wiegt meines Königs unausgeſprochener Wunſch nicht ſchwerer? Die öffentliche Meinung macht mich nicht zum Miniſter, ſie möchte mich ſtür¬ zen. Aber ſie kann's nicht. Mein König kann mich halten, und er wird es.“ „Von Advocaten des Teufels hab' ich wohl ge¬ hört, ſagte die Fürſtin, ihn fixirend, nur weiß ich nicht, wer ſie bezahlt.“ „Ich halte Excellenz für einen ſehr honetten und zuweilen ſehr heiligen Mann, der, wenn er den Feind citirt, es gewiß nur thut, um ihn zu beſchwö¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/40
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/40>, abgerufen am 21.11.2024.