"Aber, Louis, Du bist ein Mann. Ein Mann muß lieben oder hassen; in wetterschweren Zei¬ ten darf er nicht die Hände in den Schooß legen, abwarten, was kommt. Mein innig Geliebter, Du darfst nicht unter die Alltagsmenschen versinken. Dein edles Selbst darf nicht untergehen in dem Schwarm, den Du verachtest; nein, aufrichten sollst Du Dich, stärken am Anblick der Jämmerlichen, deren Unent¬ schiedenheit das Elend über uns gebracht. Du mußt Dich entscheiden; hast Du gewählt, o dann wird der Funke wieder sprühen, er wird Dich drängen zum Handeln. Wo Du wählst, ich folge Dir."
Er hielt seine Hand auf ihre Stirn: "Wäre ich Sachse gewesen, und hätte den großen Karl bewun¬ dert, ich glaube doch nicht, daß ich gegen mein Volk streiten könnte."
Ihr Auge blickte ihn freudig an.
"In dieser Luft bin ich, sind meine Väter ge¬ boren, in diesen Sitten, Gewohnheiten sogen sie das Leben ein, zeugten ihre Kinder. Wir erwarben ein Vaterland, und es hat uns erworben. Ich hätte in den Reihen der Sachsen gestritten, Adelheid, auch wenn ich gewußt, daß Karl sie zertreten mußte."
Sie hatte gesiegt, er war wieder gewonnen, dop¬ pelt gewonnen. Es waren Momente der Seligkeit, die Feder und Farbe umsonst zu malen versuchen. Die Morgenluft wehte schon frisch in's Zimmer, als sie die Balconthür öffneten, die ersten Vögel erhoben ihre zwitschernden Stimmen in den dunkeln Gebüschen
„Aber, Louis, Du biſt ein Mann. Ein Mann muß lieben oder haſſen; in wetterſchweren Zei¬ ten darf er nicht die Hände in den Schooß legen, abwarten, was kommt. Mein innig Geliebter, Du darfſt nicht unter die Alltagsmenſchen verſinken. Dein edles Selbſt darf nicht untergehen in dem Schwarm, den Du verachteſt; nein, aufrichten ſollſt Du Dich, ſtärken am Anblick der Jämmerlichen, deren Unent¬ ſchiedenheit das Elend über uns gebracht. Du mußt Dich entſcheiden; haſt Du gewählt, o dann wird der Funke wieder ſprühen, er wird Dich drängen zum Handeln. Wo Du wählſt, ich folge Dir.“
Er hielt ſeine Hand auf ihre Stirn: „Wäre ich Sachſe geweſen, und hätte den großen Karl bewun¬ dert, ich glaube doch nicht, daß ich gegen mein Volk ſtreiten könnte.“
Ihr Auge blickte ihn freudig an.
„In dieſer Luft bin ich, ſind meine Väter ge¬ boren, in dieſen Sitten, Gewohnheiten ſogen ſie das Leben ein, zeugten ihre Kinder. Wir erwarben ein Vaterland, und es hat uns erworben. Ich hätte in den Reihen der Sachſen geſtritten, Adelheid, auch wenn ich gewußt, daß Karl ſie zertreten mußte.“
Sie hatte geſiegt, er war wieder gewonnen, dop¬ pelt gewonnen. Es waren Momente der Seligkeit, die Feder und Farbe umſonſt zu malen verſuchen. Die Morgenluft wehte ſchon friſch in's Zimmer, als ſie die Balconthür öffneten, die erſten Vögel erhoben ihre zwitſchernden Stimmen in den dunkeln Gebüſchen
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„Aber, Louis, Du biſt ein Mann. Ein Mann
muß lieben oder haſſen; in wetterſchweren Zei¬
ten darf er nicht die Hände in den Schooß legen,
abwarten, was kommt. Mein innig Geliebter, Du
darfſt nicht unter die Alltagsmenſchen verſinken. Dein
edles Selbſt darf nicht untergehen in dem Schwarm,
den Du verachteſt; nein, aufrichten ſollſt Du Dich,
ſtärken am Anblick der Jämmerlichen, deren Unent¬
ſchiedenheit das Elend über uns gebracht. Du mußt
Dich entſcheiden; haſt Du gewählt, o dann wird der
Funke wieder ſprühen, er wird Dich drängen zum
Handeln. Wo Du wählſt, ich folge Dir.“
Er hielt ſeine Hand auf ihre Stirn: „Wäre ich
Sachſe geweſen, und hätte den großen Karl bewun¬
dert, ich glaube doch nicht, daß ich gegen mein Volk
ſtreiten könnte.“
Ihr Auge blickte ihn freudig an.
„In dieſer Luft bin ich, ſind meine Väter ge¬
boren, in dieſen Sitten, Gewohnheiten ſogen ſie
das Leben ein, zeugten ihre Kinder. Wir erwarben
ein Vaterland, und es hat uns erworben. Ich hätte
in den Reihen der Sachſen geſtritten, Adelheid, auch
wenn ich gewußt, daß Karl ſie zertreten mußte.“
Sie hatte geſiegt, er war wieder gewonnen, dop¬
pelt gewonnen. Es waren Momente der Seligkeit,
die Feder und Farbe umſonſt zu malen verſuchen.
Die Morgenluft wehte ſchon friſch in's Zimmer, als
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/303>, abgerufen am 23.11.2024.
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