mehr zu Hause bin, wenn die jüngern Schwestern mich mit neugierigen Fragen bestürmen, über die ich lächeln muß. Wäre ich wieder so! ruft es, aber ich möchte doch wieder nicht so sein, ich könnte nicht wieder so sein, -- es ist eine Kluft gerissen, und ich gehöre nicht hierhin, nicht dorthin. Das ist der Fluch --"
"Nicht Deiner Schuld."
Sie blickte sinnend vor sich und schüttelte lang¬ sam den Kopf: "Wenn mein Herz blutete und springen wollte unter der schillernden Maske, log ich nicht, indem ich nicht aus der Rolle fiel? Mischte nicht da etwas Falschheit sich unwillkürlich in mein Denken und Thun? Ich log mir Entschuldigungs¬ gründe vor. Die Phantasie ist unerschöpflich. Ich log mir vor die Vortrefflichkeit meiner zweiten Mutter, der Gesellschaft, der Welt, bis es nicht mehr ging, bis das Bewußtsein herausplatzte. War es keine lange Lüge, die ich auch mit Dir gespielt? Schon da an dem schrecklichen Orte! Dein Blick hatte mich verwundet, aber die Wunde that nicht weh. Hatte sich Dein Gesicht mir nicht eingeprägt! Es durch¬ schauerte mich mit Angst, als Du mich verfolgtest, aber es war eine bange, süße Angst, bis an jenem Abend, wo Du --"
"Da schon! Entzückendes Bekenntniß!"
Sie nickte, die Hände vor'm Gesicht. "Ja, da schon, wie ich Dich mit kaltem Mitleid von mir stieß, Dir verzieh unter der Bedingung, daß Du
mehr zu Hauſe bin, wenn die jüngern Schweſtern mich mit neugierigen Fragen beſtürmen, über die ich lächeln muß. Wäre ich wieder ſo! ruft es, aber ich möchte doch wieder nicht ſo ſein, ich könnte nicht wieder ſo ſein, — es iſt eine Kluft geriſſen, und ich gehöre nicht hierhin, nicht dorthin. Das iſt der Fluch —“
„Nicht Deiner Schuld.“
Sie blickte ſinnend vor ſich und ſchüttelte lang¬ ſam den Kopf: „Wenn mein Herz blutete und ſpringen wollte unter der ſchillernden Maske, log ich nicht, indem ich nicht aus der Rolle fiel? Miſchte nicht da etwas Falſchheit ſich unwillkürlich in mein Denken und Thun? Ich log mir Entſchuldigungs¬ gründe vor. Die Phantaſie iſt unerſchöpflich. Ich log mir vor die Vortrefflichkeit meiner zweiten Mutter, der Geſellſchaft, der Welt, bis es nicht mehr ging, bis das Bewußtſein herausplatzte. War es keine lange Lüge, die ich auch mit Dir geſpielt? Schon da an dem ſchrecklichen Orte! Dein Blick hatte mich verwundet, aber die Wunde that nicht weh. Hatte ſich Dein Geſicht mir nicht eingeprägt! Es durch¬ ſchauerte mich mit Angſt, als Du mich verfolgteſt, aber es war eine bange, ſüße Angſt, bis an jenem Abend, wo Du —“
„Da ſchon! Entzückendes Bekenntniß!“
Sie nickte, die Hände vor'm Geſicht. „Ja, da ſchon, wie ich Dich mit kaltem Mitleid von mir ſtieß, Dir verzieh unter der Bedingung, daß Du
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mehr zu Hauſe bin, wenn die jüngern Schweſtern
mich mit neugierigen Fragen beſtürmen, über die ich
lächeln muß. Wäre ich wieder ſo! ruft es, aber ich
möchte doch wieder nicht ſo ſein, ich könnte nicht
wieder ſo ſein, — es iſt eine Kluft geriſſen, und
ich gehöre nicht hierhin, nicht dorthin. Das iſt der
Fluch —“
„Nicht Deiner Schuld.“
Sie blickte ſinnend vor ſich und ſchüttelte lang¬
ſam den Kopf: „Wenn mein Herz blutete und
ſpringen wollte unter der ſchillernden Maske, log
ich nicht, indem ich nicht aus der Rolle fiel? Miſchte
nicht da etwas Falſchheit ſich unwillkürlich in mein
Denken und Thun? Ich log mir Entſchuldigungs¬
gründe vor. Die Phantaſie iſt unerſchöpflich. Ich
log mir vor die Vortrefflichkeit meiner zweiten Mutter,
der Geſellſchaft, der Welt, bis es nicht mehr ging,
bis das Bewußtſein herausplatzte. War es keine
lange Lüge, die ich auch mit Dir geſpielt? Schon
da an dem ſchrecklichen Orte! Dein Blick hatte mich
verwundet, aber die Wunde that nicht weh. Hatte
ſich Dein Geſicht mir nicht eingeprägt! Es durch¬
ſchauerte mich mit Angſt, als Du mich verfolgteſt,
aber es war eine bange, ſüße Angſt, bis an jenem
Abend, wo Du —“
„Da ſchon! Entzückendes Bekenntniß!“
Sie nickte, die Hände vor'm Geſicht. „Ja, da
ſchon, wie ich Dich mit kaltem Mitleid von mir
ſtieß, Dir verzieh unter der Bedingung, daß Du
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/294>, abgerufen am 23.11.2024.
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