Wärme ausströmt auf die Subjecte, welche es am wenigsten empfinden und, statt es zu erwiedern, mit Undank belohnen, eine Liebe, die sich gefällt, immer zu geben und zu opfern, ohne wieder zu nehmen, ja die ihre höchste Befriedigung in der Empfindung sucht, von Verkennung und Undank heimgesucht zu sein."
"Das ist nicht unsre Sorte von Liebe; nicht wahr, Wandel?"
"Die Welt ist mannigfalt. Bewundern darf man doch die Märtyrer, auch wenn man sich nicht berufen fühlt ihnen nachzufolgen."
"Par distance! -- Warum nahm sie aber die Kinder zu sich?"
"Warum! -- Warum nahm sie ihren Mann? Sie hat den Geheimrath nie geliebt. Um ihn zu pflegen. Warum nahm sie die Alltag zu sich? Aus Liebe doch nicht zu dem eigensinnigen Geschöpfe? Mein Herr Geheimrath, Männer wie wir sind über die Ungerechtigkeit der Welt hinaus, wir warten nicht auf Dank, aber erlauben Sie mir, wenn ich die Frau unglücklich nenne, die für die Anstrengungen ihres warmen Herzens, Andre glücklich zu machen, nichts erndtete, als Verkennung."
"Liebster Legationsrath, entgegnete Bovillard, erlauben Sie mir nichts drauf zu sagen als: les goauts sont differents!"
"Ich wünschte, Sie hätten sie am Schmerzens¬ lager der kleinen Malwine gesehen. Weil sie nicht weinen konnte, das hat man auch getadelt."
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Wärme ausſtrömt auf die Subjecte, welche es am wenigſten empfinden und, ſtatt es zu erwiedern, mit Undank belohnen, eine Liebe, die ſich gefällt, immer zu geben und zu opfern, ohne wieder zu nehmen, ja die ihre höchſte Befriedigung in der Empfindung ſucht, von Verkennung und Undank heimgeſucht zu ſein.“
„Das iſt nicht unſre Sorte von Liebe; nicht wahr, Wandel?“
„Die Welt iſt mannigfalt. Bewundern darf man doch die Märtyrer, auch wenn man ſich nicht berufen fühlt ihnen nachzufolgen.“
„Par distance! — Warum nahm ſie aber die Kinder zu ſich?“
„Warum! — Warum nahm ſie ihren Mann? Sie hat den Geheimrath nie geliebt. Um ihn zu pflegen. Warum nahm ſie die Alltag zu ſich? Aus Liebe doch nicht zu dem eigenſinnigen Geſchöpfe? Mein Herr Geheimrath, Männer wie wir ſind über die Ungerechtigkeit der Welt hinaus, wir warten nicht auf Dank, aber erlauben Sie mir, wenn ich die Frau unglücklich nenne, die für die Anſtrengungen ihres warmen Herzens, Andre glücklich zu machen, nichts erndtete, als Verkennung.“
„Liebſter Legationsrath, entgegnete Bovillard, erlauben Sie mir nichts drauf zu ſagen als: les goûts sont différents!“
„Ich wünſchte, Sie hätten ſie am Schmerzens¬ lager der kleinen Malwine geſehen. Weil ſie nicht weinen konnte, das hat man auch getadelt.“
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Wärme ausſtrömt auf die Subjecte, welche es am
wenigſten empfinden und, ſtatt es zu erwiedern, mit
Undank belohnen, eine Liebe, die ſich gefällt, immer
zu geben und zu opfern, ohne wieder zu nehmen, ja
die ihre höchſte Befriedigung in der Empfindung ſucht,
von Verkennung und Undank heimgeſucht zu ſein.“
„Das iſt nicht unſre Sorte von Liebe; nicht
wahr, Wandel?“
„Die Welt iſt mannigfalt. Bewundern darf
man doch die Märtyrer, auch wenn man ſich nicht
berufen fühlt ihnen nachzufolgen.“
„Par distance! — Warum nahm ſie aber die
Kinder zu ſich?“
„Warum! — Warum nahm ſie ihren Mann?
Sie hat den Geheimrath nie geliebt. Um ihn zu
pflegen. Warum nahm ſie die Alltag zu ſich? Aus
Liebe doch nicht zu dem eigenſinnigen Geſchöpfe?
Mein Herr Geheimrath, Männer wie wir ſind über
die Ungerechtigkeit der Welt hinaus, wir warten nicht
auf Dank, aber erlauben Sie mir, wenn ich die
Frau unglücklich nenne, die für die Anſtrengungen
ihres warmen Herzens, Andre glücklich zu machen,
nichts erndtete, als Verkennung.“
„Liebſter Legationsrath, entgegnete Bovillard,
erlauben Sie mir nichts drauf zu ſagen als: les
goûts sont différents!“
„Ich wünſchte, Sie hätten ſie am Schmerzens¬
lager der kleinen Malwine geſehen. Weil ſie nicht
weinen konnte, das hat man auch getadelt.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/29>, abgerufen am 16.02.2025.
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