Worten brach es heraus, ach, von so lange her! Louis, das Schicksal schleudert mich ja in Deine Arme. Was würde ich denn, was bin ich? O mein Gott, es ist schrecklich, wenn die Binde so mit einem Mal von den Augen fällt!"
"Du bist die gefeierte --"
"Puppe von -- ich weiß nicht wie Vieler. War ich denn nicht herausgerissen aus dem Schooß meiner Familie, dem Glück, der Bildung, für die ich geboren war, haben sie nicht Alle an mir gear¬ beitet, mich zu erziehen, der Eine so, der Andere so, um aus mir zu machen, was ich nicht war, um mich zuzustutzen zu etwas, sie wußten selbst nicht, was, aber ihr Ziel haben sie Alle erreicht, die vielen Künstler, ich bin wie der Vogel, den man aus dem Neste nahm, und buntes Gefieder ihm anklebte. Die, denen das Gefieder gehört, erkennen ihn doch nicht an, sie spotten still über den Eindringling, aber zu den Seinen darf er auch nicht zurück. Er gehört da nicht mehr hin."
"Welche Phantasieen, meine Adelheid!"
"Ich sehe nur zu klar, und nur zu lange ließ ich mich von der süßen, eitlen Gewohnheit einschläfern, daß ich die Augen nicht aufschlug, daß ich die Stimme nicht hörte, die im Innern immer deut¬ licher rief. Jenes abscheuliche Weib -- o sie war noch die Beste, sie wollte mich nur einfach verderben; da war ich unschuldig; wie der Vogel, der aus dem Neste flattert, fiel ich in das Netz, das sie aus¬
Worten brach es heraus, ach, von ſo lange her! Louis, das Schickſal ſchleudert mich ja in Deine Arme. Was würde ich denn, was bin ich? O mein Gott, es iſt ſchrecklich, wenn die Binde ſo mit einem Mal von den Augen fällt!“
„Du biſt die gefeierte —“
„Puppe von — ich weiß nicht wie Vieler. War ich denn nicht herausgeriſſen aus dem Schooß meiner Familie, dem Glück, der Bildung, für die ich geboren war, haben ſie nicht Alle an mir gear¬ beitet, mich zu erziehen, der Eine ſo, der Andere ſo, um aus mir zu machen, was ich nicht war, um mich zuzuſtutzen zu etwas, ſie wußten ſelbſt nicht, was, aber ihr Ziel haben ſie Alle erreicht, die vielen Künſtler, ich bin wie der Vogel, den man aus dem Neſte nahm, und buntes Gefieder ihm anklebte. Die, denen das Gefieder gehört, erkennen ihn doch nicht an, ſie ſpotten ſtill über den Eindringling, aber zu den Seinen darf er auch nicht zurück. Er gehört da nicht mehr hin.“
„Welche Phantaſieen, meine Adelheid!“
„Ich ſehe nur zu klar, und nur zu lange ließ ich mich von der ſüßen, eitlen Gewohnheit einſchläfern, daß ich die Augen nicht aufſchlug, daß ich die Stimme nicht hörte, die im Innern immer deut¬ licher rief. Jenes abſcheuliche Weib — o ſie war noch die Beſte, ſie wollte mich nur einfach verderben; da war ich unſchuldig; wie der Vogel, der aus dem Neſte flattert, fiel ich in das Netz, das ſie aus¬
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Worten brach es heraus, ach, von ſo lange her!
Louis, das Schickſal ſchleudert mich ja in Deine
Arme. Was würde ich denn, was bin ich? O mein
Gott, es iſt ſchrecklich, wenn die Binde ſo mit
einem Mal von den Augen fällt!“
„Du biſt die gefeierte —“
„Puppe von — ich weiß nicht wie Vieler.
War ich denn nicht herausgeriſſen aus dem Schooß
meiner Familie, dem Glück, der Bildung, für die
ich geboren war, haben ſie nicht Alle an mir gear¬
beitet, mich zu erziehen, der Eine ſo, der Andere ſo,
um aus mir zu machen, was ich nicht war, um
mich zuzuſtutzen zu etwas, ſie wußten ſelbſt nicht,
was, aber ihr Ziel haben ſie Alle erreicht, die vielen
Künſtler, ich bin wie der Vogel, den man aus dem
Neſte nahm, und buntes Gefieder ihm anklebte. Die,
denen das Gefieder gehört, erkennen ihn doch nicht
an, ſie ſpotten ſtill über den Eindringling, aber zu
den Seinen darf er auch nicht zurück. Er gehört da
nicht mehr hin.“
„Welche Phantaſieen, meine Adelheid!“
„Ich ſehe nur zu klar, und nur zu lange ließ
ich mich von der ſüßen, eitlen Gewohnheit einſchläfern,
daß ich die Augen nicht aufſchlug, daß ich die
Stimme nicht hörte, die im Innern immer deut¬
licher rief. Jenes abſcheuliche Weib — o ſie war
noch die Beſte, ſie wollte mich nur einfach verderben;
da war ich unſchuldig; wie der Vogel, der aus dem
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/287>, abgerufen am 23.11.2024.
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