Wandel schien ungewiß, welche Antwort sie er¬ wartete: "Man hat es der Geheimräthin Lupinus verdacht, daß sie die Leiche ihres Dieners wie die eines Familiengliedes pflegte und schmückte. Es ist hierorts nicht Sitte."
"Man muß sich in die des Ortes fügen, sagte befriedigt und laut die Fürstin, und richtete den Blick nach oben. Ich werde den treuen Paulowitsch noch oft sehen. Den irdischen Qualen enthoben, schwebt sein verklärter Geist in die Räume des Lich¬ tes. Ob es da Hohe und Niedere, ob Herren und Leibeigene giebt, ob wir Alle wie Atome in der Se¬ ligkeit verschmelzen, die nichts Gesondertes duldet, Alle Accorde in dem großen Hallelujah, Glockentöne in der ewigen Harmonie!"
Sie sprach es, sich selbst anregend, mit silber¬ reiner Stimme. Aus dem andern Zimmer respon¬ dirte das Klavier, in Phantasien, die der Stimmung entsprachen; ein ernster Grundton, wie das Wogen des Meeres, aber wie Schaumwellen sprützte die Freude dann und wann auf. Es war Adelheid.
Wandel hatte, um der Stimmung auch zu ent¬ sprechen, die Hände vor sich gefaltet. Als die Für¬ stin es bemerkte, trat sie an ihn und riß seinen Arm zurück: "Das sollen Sie nicht. Sie können gehen."
Er schien einen andern Befehl erwartet zu ha¬ ben, aber mit einer spitzen Stimme wiederholte sie: "Gute Nacht, Herr von Wandel, ich will im Thomas a Kempis lesen. Die Lecture interessirt Sie nicht."
Wandel ſchien ungewiß, welche Antwort ſie er¬ wartete: „Man hat es der Geheimräthin Lupinus verdacht, daß ſie die Leiche ihres Dieners wie die eines Familiengliedes pflegte und ſchmückte. Es iſt hierorts nicht Sitte.“
„Man muß ſich in die des Ortes fügen, ſagte befriedigt und laut die Fürſtin, und richtete den Blick nach oben. Ich werde den treuen Paulowitſch noch oft ſehen. Den irdiſchen Qualen enthoben, ſchwebt ſein verklärter Geiſt in die Räume des Lich¬ tes. Ob es da Hohe und Niedere, ob Herren und Leibeigene giebt, ob wir Alle wie Atome in der Se¬ ligkeit verſchmelzen, die nichts Geſondertes duldet, Alle Accorde in dem großen Hallelujah, Glockentöne in der ewigen Harmonie!“
Sie ſprach es, ſich ſelbſt anregend, mit ſilber¬ reiner Stimme. Aus dem andern Zimmer reſpon¬ dirte das Klavier, in Phantaſien, die der Stimmung entſprachen; ein ernſter Grundton, wie das Wogen des Meeres, aber wie Schaumwellen ſprützte die Freude dann und wann auf. Es war Adelheid.
Wandel hatte, um der Stimmung auch zu ent¬ ſprechen, die Hände vor ſich gefaltet. Als die Für¬ ſtin es bemerkte, trat ſie an ihn und riß ſeinen Arm zurück: „Das ſollen Sie nicht. Sie können gehen.“
Er ſchien einen andern Befehl erwartet zu ha¬ ben, aber mit einer ſpitzen Stimme wiederholte ſie: „Gute Nacht, Herr von Wandel, ich will im Thomas a Kempis leſen. Die Lecture intereſſirt Sie nicht.“
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Wandel ſchien ungewiß, welche Antwort ſie er¬
wartete: „Man hat es der Geheimräthin Lupinus
verdacht, daß ſie die Leiche ihres Dieners wie die
eines Familiengliedes pflegte und ſchmückte. Es iſt
hierorts nicht Sitte.“
„Man muß ſich in die des Ortes fügen, ſagte
befriedigt und laut die Fürſtin, und richtete den
Blick nach oben. Ich werde den treuen Paulowitſch
noch oft ſehen. Den irdiſchen Qualen enthoben,
ſchwebt ſein verklärter Geiſt in die Räume des Lich¬
tes. Ob es da Hohe und Niedere, ob Herren und
Leibeigene giebt, ob wir Alle wie Atome in der Se¬
ligkeit verſchmelzen, die nichts Geſondertes duldet,
Alle Accorde in dem großen Hallelujah, Glockentöne
in der ewigen Harmonie!“
Sie ſprach es, ſich ſelbſt anregend, mit ſilber¬
reiner Stimme. Aus dem andern Zimmer reſpon¬
dirte das Klavier, in Phantaſien, die der Stimmung
entſprachen; ein ernſter Grundton, wie das Wogen
des Meeres, aber wie Schaumwellen ſprützte die
Freude dann und wann auf. Es war Adelheid.
Wandel hatte, um der Stimmung auch zu ent¬
ſprechen, die Hände vor ſich gefaltet. Als die Für¬
ſtin es bemerkte, trat ſie an ihn und riß ſeinen Arm
zurück: „Das ſollen Sie nicht. Sie können gehen.“
Er ſchien einen andern Befehl erwartet zu ha¬
ben, aber mit einer ſpitzen Stimme wiederholte ſie:
„Gute Nacht, Herr von Wandel, ich will im Thomas
a Kempis leſen. Die Lecture intereſſirt Sie nicht.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/280>, abgerufen am 27.11.2024.
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