Die Fürstin sah über die Arbeit starr vor sich hin: "Es ist etwas eigenes, das Kapitel von den Sympathieen und Antipathieen."
"Von den Sympathieen haben wir das corpus delicti vor uns," lächelte Wandel, auf das Liebes¬ paar blickend.
"Aber die Antipathieen haben etwas Monströses, sagte die Gargazin, weil wir sie mit allem Ver¬ stande uns nicht zu erklären wissen. Giebt es einen Gegensatz zum Magnet, einen Stein, der abstößt?"
"Feuer und Wasser mischen sich nicht."
"Das ist es nicht, was ich meine. Das eine löscht doch, das andere durchglüht das andere. Aber wer erklärt diese innere Seelen- und Körperangst, die ein vernünftiges Wesen oft vom ersten Erblicken an gegen das andere empfindet? den angebornen Widerwillen, den geheimen Schauder, wo gar kein vernünftiger Grund da ist?"
"Doch vielleicht der Kitzel zu Paradoxieen! Das häßlich zu finden, was Andre entzückt, fordert der Widerspruchsgeist von selbst auf, der gerade begabten Naturen eigen ist."
"Warum fürchtet sich Haugwitz vor Ihnen?"
Wandel schien etwas betroffen. Er wollte von dem Unglück sprechen, von geheimen Feinden ver¬ redet zu werden, wo ein Ehrenmann sich nicht ver¬ theidigen kann, weil ihm die Anklage selbst unbekannt blieb. Das war es nicht, was die Fürstin meinte.
"Warum hat Louis Vater einen angebornen
Die Fürſtin ſah über die Arbeit ſtarr vor ſich hin: „Es iſt etwas eigenes, das Kapitel von den Sympathieen und Antipathieen.“
„Von den Sympathieen haben wir das corpus delicti vor uns,“ lächelte Wandel, auf das Liebes¬ paar blickend.
„Aber die Antipathieen haben etwas Monſtröſes, ſagte die Gargazin, weil wir ſie mit allem Ver¬ ſtande uns nicht zu erklären wiſſen. Giebt es einen Gegenſatz zum Magnet, einen Stein, der abſtößt?“
„Feuer und Waſſer miſchen ſich nicht.“
„Das iſt es nicht, was ich meine. Das eine löſcht doch, das andere durchglüht das andere. Aber wer erklärt dieſe innere Seelen- und Körperangſt, die ein vernünftiges Weſen oft vom erſten Erblicken an gegen das andere empfindet? den angebornen Widerwillen, den geheimen Schauder, wo gar kein vernünftiger Grund da iſt?“
„Doch vielleicht der Kitzel zu Paradoxieen! Das häßlich zu finden, was Andre entzückt, fordert der Widerſpruchsgeiſt von ſelbſt auf, der gerade begabten Naturen eigen iſt.“
„Warum fürchtet ſich Haugwitz vor Ihnen?“
Wandel ſchien etwas betroffen. Er wollte von dem Unglück ſprechen, von geheimen Feinden ver¬ redet zu werden, wo ein Ehrenmann ſich nicht ver¬ theidigen kann, weil ihm die Anklage ſelbſt unbekannt blieb. Das war es nicht, was die Fürſtin meinte.
„Warum hat Louis Vater einen angebornen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0274"n="264"/><p>Die Fürſtin ſah über die Arbeit ſtarr vor ſich<lb/>
hin: „Es iſt etwas eigenes, das Kapitel von den<lb/>
Sympathieen und Antipathieen.“</p><lb/><p>„Von den Sympathieen haben wir das <hirendition="#aq">corpus<lb/>
delicti</hi> vor uns,“ lächelte Wandel, auf das Liebes¬<lb/>
paar blickend.</p><lb/><p>„Aber die Antipathieen haben etwas Monſtröſes,<lb/>ſagte die Gargazin, weil wir ſie mit allem Ver¬<lb/>ſtande uns nicht zu erklären wiſſen. Giebt es einen<lb/>
Gegenſatz zum Magnet, einen Stein, der abſtößt?“</p><lb/><p>„Feuer und Waſſer miſchen ſich nicht.“</p><lb/><p>„Das iſt es nicht, was ich meine. Das eine<lb/>
löſcht doch, das andere durchglüht das andere. Aber<lb/>
wer erklärt dieſe innere Seelen- und Körperangſt, die<lb/>
ein vernünftiges Weſen oft vom erſten Erblicken an<lb/>
gegen das andere empfindet? den angebornen<lb/>
Widerwillen, den geheimen Schauder, wo gar kein<lb/>
vernünftiger Grund da iſt?“</p><lb/><p>„Doch vielleicht der Kitzel zu Paradoxieen! Das<lb/>
häßlich zu finden, was Andre entzückt, fordert der<lb/>
Widerſpruchsgeiſt von ſelbſt auf, der gerade begabten<lb/>
Naturen eigen iſt.“</p><lb/><p>„Warum fürchtet ſich Haugwitz vor Ihnen?“</p><lb/><p>Wandel ſchien etwas betroffen. Er wollte von<lb/>
dem Unglück ſprechen, von geheimen Feinden ver¬<lb/>
redet zu werden, wo ein Ehrenmann ſich nicht ver¬<lb/>
theidigen kann, weil ihm die Anklage ſelbſt unbekannt<lb/>
blieb. Das war es nicht, was die Fürſtin meinte.</p><lb/><p>„Warum hat Louis Vater einen angebornen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[264/0274]
Die Fürſtin ſah über die Arbeit ſtarr vor ſich
hin: „Es iſt etwas eigenes, das Kapitel von den
Sympathieen und Antipathieen.“
„Von den Sympathieen haben wir das corpus
delicti vor uns,“ lächelte Wandel, auf das Liebes¬
paar blickend.
„Aber die Antipathieen haben etwas Monſtröſes,
ſagte die Gargazin, weil wir ſie mit allem Ver¬
ſtande uns nicht zu erklären wiſſen. Giebt es einen
Gegenſatz zum Magnet, einen Stein, der abſtößt?“
„Feuer und Waſſer miſchen ſich nicht.“
„Das iſt es nicht, was ich meine. Das eine
löſcht doch, das andere durchglüht das andere. Aber
wer erklärt dieſe innere Seelen- und Körperangſt, die
ein vernünftiges Weſen oft vom erſten Erblicken an
gegen das andere empfindet? den angebornen
Widerwillen, den geheimen Schauder, wo gar kein
vernünftiger Grund da iſt?“
„Doch vielleicht der Kitzel zu Paradoxieen! Das
häßlich zu finden, was Andre entzückt, fordert der
Widerſpruchsgeiſt von ſelbſt auf, der gerade begabten
Naturen eigen iſt.“
„Warum fürchtet ſich Haugwitz vor Ihnen?“
Wandel ſchien etwas betroffen. Er wollte von
dem Unglück ſprechen, von geheimen Feinden ver¬
redet zu werden, wo ein Ehrenmann ſich nicht ver¬
theidigen kann, weil ihm die Anklage ſelbſt unbekannt
blieb. Das war es nicht, was die Fürſtin meinte.
„Warum hat Louis Vater einen angebornen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/274>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.