Wandel bewunderte die Laune der Fürstin und die Farben ihrer Stickerei. Sie stieß halb muthwillig seine Hand fort.
"Mir ist immer bange, wenn Sie etwas an¬ fassen, daß die Farbe ausgeht. Haben Sie nicht wieder eine chemische Tinktur an der Hand kleben?"
"Erlaucht vergessen, daß die Chemie die schönsten Färbestoffe präparirt."
"Bis sie nicht die Schminke erfindet, die einen Todten lebendig macht, geb' ich nichts auf Ihre Wissenschaft."
"Sie fordern zu viel. Den Schein des Lebens herzustellen, gilt doch für das höchste --"
"Was sie geleistet hat, fiel die Fürstin ein, und eben darum hasse ich sie. Eine scheinbare Tugend, ein scheinbarer Reichthum, ein anscheinend blühender Staat, und Alles übertünchte Gräber -- durch Ihre Chemie. -- Was fixiren Sie Adelheid's Freund?"
Wandel senkte die Augen: "Hippokratische Züge."
"Qu'importe! Schmeckt der Blumenhonig den Schmetterlingen darum weniger süß, weil sie nur ein Schmetterlingsleben führen?"
"Der Schmetterling weiß freilich nicht, wie lang sein Lebensfaden ihm zugemessen ist, aber -- der Legationsrath beugte sich näher zur Fürstin -- aber, ich kann Ihnen nicht verhehlen, man begreift meine erlauchte Freundin nicht. Sie begünstigen das Ver¬ hältniß, und thun nichts, ihm eine Zukunft zu sichern."
Wandel bewunderte die Laune der Fürſtin und die Farben ihrer Stickerei. Sie ſtieß halb muthwillig ſeine Hand fort.
„Mir iſt immer bange, wenn Sie etwas an¬ faſſen, daß die Farbe ausgeht. Haben Sie nicht wieder eine chemiſche Tinktur an der Hand kleben?“
„Erlaucht vergeſſen, daß die Chemie die ſchönſten Färbeſtoffe präparirt.“
„Bis ſie nicht die Schminke erfindet, die einen Todten lebendig macht, geb' ich nichts auf Ihre Wiſſenſchaft.“
„Sie fordern zu viel. Den Schein des Lebens herzuſtellen, gilt doch für das höchſte —“
„Was ſie geleiſtet hat, fiel die Fürſtin ein, und eben darum haſſe ich ſie. Eine ſcheinbare Tugend, ein ſcheinbarer Reichthum, ein anſcheinend blühender Staat, und Alles übertünchte Gräber — durch Ihre Chemie. — Was fixiren Sie Adelheid's Freund?“
Wandel ſenkte die Augen: „Hippokratiſche Züge.“
„Qu'importe! Schmeckt der Blumenhonig den Schmetterlingen darum weniger ſüß, weil ſie nur ein Schmetterlingsleben führen?“
„Der Schmetterling weiß freilich nicht, wie lang ſein Lebensfaden ihm zugemeſſen iſt, aber — der Legationsrath beugte ſich näher zur Fürſtin — aber, ich kann Ihnen nicht verhehlen, man begreift meine erlauchte Freundin nicht. Sie begünſtigen das Ver¬ hältniß, und thun nichts, ihm eine Zukunft zu ſichern.“
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Wandel bewunderte die Laune der Fürſtin und
die Farben ihrer Stickerei. Sie ſtieß halb muthwillig
ſeine Hand fort.
„Mir iſt immer bange, wenn Sie etwas an¬
faſſen, daß die Farbe ausgeht. Haben Sie nicht
wieder eine chemiſche Tinktur an der Hand kleben?“
„Erlaucht vergeſſen, daß die Chemie die ſchönſten
Färbeſtoffe präparirt.“
„Bis ſie nicht die Schminke erfindet, die einen
Todten lebendig macht, geb' ich nichts auf Ihre
Wiſſenſchaft.“
„Sie fordern zu viel. Den Schein des Lebens
herzuſtellen, gilt doch für das höchſte —“
„Was ſie geleiſtet hat, fiel die Fürſtin ein, und
eben darum haſſe ich ſie. Eine ſcheinbare Tugend,
ein ſcheinbarer Reichthum, ein anſcheinend blühender
Staat, und Alles übertünchte Gräber — durch Ihre
Chemie. — Was fixiren Sie Adelheid's Freund?“
Wandel ſenkte die Augen: „Hippokratiſche Züge.“
„Qu'importe! Schmeckt der Blumenhonig den
Schmetterlingen darum weniger ſüß, weil ſie nur
ein Schmetterlingsleben führen?“
„Der Schmetterling weiß freilich nicht, wie lang
ſein Lebensfaden ihm zugemeſſen iſt, aber — der
Legationsrath beugte ſich näher zur Fürſtin — aber,
ich kann Ihnen nicht verhehlen, man begreift meine
erlauchte Freundin nicht. Sie begünſtigen das Ver¬
hältniß, und thun nichts, ihm eine Zukunft zu
ſichern.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/271>, abgerufen am 16.02.2025.
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