Groschen in der Tasche. -- Und nun hat er sich ge¬ bessert, und ich wollte ja Jeden zur Treppe runter schmeißen, der sich mausig machte und ihm vorhielte, was sonst geschehen ist. Das ist jetzt vorbei, mein Herr! würde ich sagen. Und alle seine Freunde müßten das sagen, denn ich bin nur eine arme Frau, und verstehe mich viel darauf, wie sie da parliren und mit den Augen zwinkern. Aber Freundschaft ist Freundschaft. Und wer ein rechter Freund ist, der muß seinem Freunde Alles hingeben, auch sein Lieb¬ stes. Das ist Freundschaft, und wenn Alle so thä¬ ten, dann wäre die Welt gut."
,Ob sie dann wirklich gut wäre!' dachte Walter, als er allein war. Wenn wir den Egoismus aus¬ gerottet, wie die Raubthiere, wie ein schädlich Un¬ kraut, ob sie die vollkommene würde, von der wir träumen! -- Sprang der erste Schiffer in den schau¬ kelnden Kahn, um den Vater zu retten, wie die Idylle erzählt, oder war's ein Kaufmann, ein Ver¬ folgter, ein Räuber, der sein Leben retten, der Früchte, Gold, Mädchen, Sklaven von den reichen, im goldnen Meere dämmernden Inseln holen wollte? Und fing das Menschengeschlecht wirklich an mit einer Idylle, so war es eine kurze; ein sanfter Hauch der Engel, der am rauhen Hauch der Elementargeister erstarrte. Die kurze Idylle war aus, und die lange Geschichte fing an -- mit Brudermord. Wir Alle aber sind nicht die Kinder der Idylle, sondern die Erzeug¬ ten der Geschichte. Der Egoismus führte uns über
Groſchen in der Taſche. — Und nun hat er ſich ge¬ beſſert, und ich wollte ja Jeden zur Treppe runter ſchmeißen, der ſich mauſig machte und ihm vorhielte, was ſonſt geſchehen iſt. Das iſt jetzt vorbei, mein Herr! würde ich ſagen. Und alle ſeine Freunde müßten das ſagen, denn ich bin nur eine arme Frau, und verſtehe mich viel darauf, wie ſie da parliren und mit den Augen zwinkern. Aber Freundſchaft iſt Freundſchaft. Und wer ein rechter Freund iſt, der muß ſeinem Freunde Alles hingeben, auch ſein Lieb¬ ſtes. Das iſt Freundſchaft, und wenn Alle ſo thä¬ ten, dann wäre die Welt gut.“
,Ob ſie dann wirklich gut wäre!‘ dachte Walter, als er allein war. Wenn wir den Egoismus aus¬ gerottet, wie die Raubthiere, wie ein ſchädlich Un¬ kraut, ob ſie die vollkommene würde, von der wir träumen! — Sprang der erſte Schiffer in den ſchau¬ kelnden Kahn, um den Vater zu retten, wie die Idylle erzählt, oder war's ein Kaufmann, ein Ver¬ folgter, ein Räuber, der ſein Leben retten, der Früchte, Gold, Mädchen, Sklaven von den reichen, im goldnen Meere dämmernden Inſeln holen wollte? Und fing das Menſchengeſchlecht wirklich an mit einer Idylle, ſo war es eine kurze; ein ſanfter Hauch der Engel, der am rauhen Hauch der Elementargeiſter erſtarrte. Die kurze Idylle war aus, und die lange Geſchichte fing an — mit Brudermord. Wir Alle aber ſind nicht die Kinder der Idylle, ſondern die Erzeug¬ ten der Geſchichte. Der Egoismus führte uns über
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Groſchen in der Taſche. — Und nun hat er ſich ge¬
beſſert, und ich wollte ja Jeden zur Treppe runter
ſchmeißen, der ſich mauſig machte und ihm vorhielte,
was ſonſt geſchehen iſt. Das iſt jetzt vorbei, mein
Herr! würde ich ſagen. Und alle ſeine Freunde
müßten das ſagen, denn ich bin nur eine arme Frau,
und verſtehe mich viel darauf, wie ſie da parliren
und mit den Augen zwinkern. Aber Freundſchaft iſt
Freundſchaft. Und wer ein rechter Freund iſt, der
muß ſeinem Freunde Alles hingeben, auch ſein Lieb¬
ſtes. Das iſt Freundſchaft, und wenn Alle ſo thä¬
ten, dann wäre die Welt gut.“
,Ob ſie dann wirklich gut wäre!‘ dachte Walter,
als er allein war. Wenn wir den Egoismus aus¬
gerottet, wie die Raubthiere, wie ein ſchädlich Un¬
kraut, ob ſie die vollkommene würde, von der wir
träumen! — Sprang der erſte Schiffer in den ſchau¬
kelnden Kahn, um den Vater zu retten, wie die
Idylle erzählt, oder war's ein Kaufmann, ein Ver¬
folgter, ein Räuber, der ſein Leben retten, der
Früchte, Gold, Mädchen, Sklaven von den reichen,
im goldnen Meere dämmernden Inſeln holen wollte?
Und fing das Menſchengeſchlecht wirklich an mit einer
Idylle, ſo war es eine kurze; ein ſanfter Hauch der
Engel, der am rauhen Hauch der Elementargeiſter
erſtarrte. Die kurze Idylle war aus, und die lange
Geſchichte fing an — mit Brudermord. Wir Alle aber
ſind nicht die Kinder der Idylle, ſondern die Erzeug¬
ten der Geſchichte. Der Egoismus führte uns über
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/259>, abgerufen am 23.11.2024.
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