in's Gesicht sehen." Der Minister sah ihm, kaum zwei Schritt entfernt, in's Gesicht. War das wieder eine seiner eigenthümlichen reparations d'honneur, oder sollte es eine neue Prüfung sein? Der Minister dachte an beides nicht. Er übersann ein Thema, mit dem er nicht fertig werden mochte, er steckte das Gedenkbuch wieder in die Tasche:
"Es ist gut, ein ander Mal."
Was sollte das heißen? -- Er bestimmte ihm einen andern Tag. Nein, morgen; überhaupt erwarte er ihn jeden Tag um die und die Stunde. Weshalb? Wozu?
"Die Form Ihrer Anstellung wird sich später finden. Die Branche, für die Sie sich eignen, muß sich erst ermitteln."
Walter sah ihn in stummer Verwunderung an:
"Eben war ich auf's Schmerzlichste in meiner Ehre gekränkt--"
"Das ist ausgeglichen, fiel der Andere ein. Sie wollen Ihre Freiheit aufgeben, sich dem Staats¬ dienst widmen. Ich nehme Ihr Anerbieten an. Wie gesagt, bis sich etwas Bestimmteres findet, betrachte ich Sie als meinen Privat-Secretair. Ich kann in vielen Dingen Ihre Feder gebrauchen."
"Ich bin noch nicht gereinigt. Nach einer so schweren Anklage muß der Angeschuldigte auf einen klaren Richterspruch bestehen."
"Sind Sie so punktiliös? Ich sprach mit Fuchsius. Die Sache klärt sich einfach auf. Während
IV. 15
in's Geſicht ſehen.“ Der Miniſter ſah ihm, kaum zwei Schritt entfernt, in's Geſicht. War das wieder eine ſeiner eigenthümlichen réparations d'honneur, oder ſollte es eine neue Prüfung ſein? Der Miniſter dachte an beides nicht. Er überſann ein Thema, mit dem er nicht fertig werden mochte, er ſteckte das Gedenkbuch wieder in die Taſche:
„Es iſt gut, ein ander Mal.“
Was ſollte das heißen? — Er beſtimmte ihm einen andern Tag. Nein, morgen; überhaupt erwarte er ihn jeden Tag um die und die Stunde. Weshalb? Wozu?
„Die Form Ihrer Anſtellung wird ſich ſpäter finden. Die Branche, für die Sie ſich eignen, muß ſich erſt ermitteln.“
Walter ſah ihn in ſtummer Verwunderung an:
„Eben war ich auf's Schmerzlichſte in meiner Ehre gekränkt—“
„Das iſt ausgeglichen, fiel der Andere ein. Sie wollen Ihre Freiheit aufgeben, ſich dem Staats¬ dienſt widmen. Ich nehme Ihr Anerbieten an. Wie geſagt, bis ſich etwas Beſtimmteres findet, betrachte ich Sie als meinen Privat-Secretair. Ich kann in vielen Dingen Ihre Feder gebrauchen.“
„Ich bin noch nicht gereinigt. Nach einer ſo ſchweren Anklage muß der Angeſchuldigte auf einen klaren Richterſpruch beſtehen.“
„Sind Sie ſo punktiliös? Ich ſprach mit Fuchſius. Die Sache klärt ſich einfach auf. Während
IV. 15
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in's Geſicht ſehen.“ Der Miniſter ſah ihm, kaum
zwei Schritt entfernt, in's Geſicht. War das wieder
eine ſeiner eigenthümlichen réparations d'honneur, oder
ſollte es eine neue Prüfung ſein? Der Miniſter
dachte an beides nicht. Er überſann ein Thema, mit
dem er nicht fertig werden mochte, er ſteckte das
Gedenkbuch wieder in die Taſche:
„Es iſt gut, ein ander Mal.“
Was ſollte das heißen? — Er beſtimmte ihm
einen andern Tag. Nein, morgen; überhaupt erwarte
er ihn jeden Tag um die und die Stunde. Weshalb?
Wozu?
„Die Form Ihrer Anſtellung wird ſich ſpäter
finden. Die Branche, für die Sie ſich eignen, muß
ſich erſt ermitteln.“
Walter ſah ihn in ſtummer Verwunderung an:
„Eben war ich auf's Schmerzlichſte in meiner
Ehre gekränkt—“
„Das iſt ausgeglichen, fiel der Andere ein.
Sie wollen Ihre Freiheit aufgeben, ſich dem Staats¬
dienſt widmen. Ich nehme Ihr Anerbieten an. Wie
geſagt, bis ſich etwas Beſtimmteres findet, betrachte
ich Sie als meinen Privat-Secretair. Ich kann in
vielen Dingen Ihre Feder gebrauchen.“
„Ich bin noch nicht gereinigt. Nach einer ſo
ſchweren Anklage muß der Angeſchuldigte auf einen
klaren Richterſpruch beſtehen.“
„Sind Sie ſo punktiliös? Ich ſprach mit
Fuchſius. Die Sache klärt ſich einfach auf. Während
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/235>, abgerufen am 16.02.2025.
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