Vierzehntes Kapitel. Blicke aus eines Ministers Fenster ins innere Leben.
Es war nicht grade kühler geworden, aber die Sonne prallte nicht mehr vom Pflaster und den hellen Häusermauern zurück. Sie war hinter das Dach eines hohen Gebäudes gesunken. Ein vor¬ nehmeres Publicum bewegte sich langsam zum Thore hinaus. Da ging sein Vater, im Arm den Rittmeister von Dohleneck. Seltsame Freundschaft vom neusten Datum! Er lächelte über das Gerücht, das der Witz der Berliner Börse erfunden: sein Vater wolle ihn enterben, weil er keine Schulden gemacht, um den Rittmeister zu adoptiren, der viel Schulden hatte; denn die Firma Walter van Asten verdanke ihren Credit denen, die keinen hätten. Ihre Schuldigkeit sei es daher, das Schuldenmachen zu begünstigen. Er wußte nun, was seinen Vater und den Officier auf's Neue verband. Es war kein an¬ genehmer Gedanke. Er wollte nicht durch einen Vater, noch weniger durch einen Gensdarmen-Ritt¬ meister, es war sein Stolz gewesen, nur durch sich
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Vierzehntes Kapitel. Blicke aus eines Ministers Fenster ins innere Leben.
Es war nicht grade kühler geworden, aber die Sonne prallte nicht mehr vom Pflaſter und den hellen Häuſermauern zurück. Sie war hinter das Dach eines hohen Gebäudes geſunken. Ein vor¬ nehmeres Publicum bewegte ſich langſam zum Thore hinaus. Da ging ſein Vater, im Arm den Rittmeiſter von Dohleneck. Seltſame Freundſchaft vom neuſten Datum! Er lächelte über das Gerücht, das der Witz der Berliner Börſe erfunden: ſein Vater wolle ihn enterben, weil er keine Schulden gemacht, um den Rittmeiſter zu adoptiren, der viel Schulden hatte; denn die Firma Walter van Aſten verdanke ihren Credit denen, die keinen hätten. Ihre Schuldigkeit ſei es daher, das Schuldenmachen zu begünſtigen. Er wußte nun, was ſeinen Vater und den Officier auf's Neue verband. Es war kein an¬ genehmer Gedanke. Er wollte nicht durch einen Vater, noch weniger durch einen Gensdarmen-Ritt¬ meiſter, es war ſein Stolz geweſen, nur durch ſich
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Vierzehntes Kapitel.
Blicke aus eines Ministers Fenster ins innere
Leben.
Es war nicht grade kühler geworden, aber die
Sonne prallte nicht mehr vom Pflaſter und den
hellen Häuſermauern zurück. Sie war hinter das
Dach eines hohen Gebäudes geſunken. Ein vor¬
nehmeres Publicum bewegte ſich langſam zum
Thore hinaus. Da ging ſein Vater, im Arm den
Rittmeiſter von Dohleneck. Seltſame Freundſchaft
vom neuſten Datum! Er lächelte über das Gerücht,
das der Witz der Berliner Börſe erfunden: ſein
Vater wolle ihn enterben, weil er keine Schulden
gemacht, um den Rittmeiſter zu adoptiren, der viel
Schulden hatte; denn die Firma Walter van Aſten
verdanke ihren Credit denen, die keinen hätten. Ihre
Schuldigkeit ſei es daher, das Schuldenmachen zu
begünſtigen. Er wußte nun, was ſeinen Vater und
den Officier auf's Neue verband. Es war kein an¬
genehmer Gedanke. Er wollte nicht durch einen
Vater, noch weniger durch einen Gensdarmen-Ritt¬
meiſter, es war ſein Stolz geweſen, nur durch ſich
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. [211]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/221>, abgerufen am 21.11.2024.
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