"Als ich sie vorgestern in die Hand bekam, war ich entzückt. Der Anfang superbe. Das Vorwort ist von Ihnen, das kann ein Geschäftsmann nicht. So wollte ich die Verordnung vor's Publicum ge¬ bracht, so eingeleitet. Selbst die Perücken, durch die ich mich schlagen muß, würden einigen Respect vor dieser Ueberzeugungskraft, vor dieser Gesinnung in blühender Sprache, die zum Herzen dringt, gewinnen. Das kommt von Ihnen? Nicht?"
"Wenn nicht ein unsichtbarer Geist es mir ein¬ gab, der sein Eigenthum reclamirt."
"Machen Sie Ihre Sache nicht schlechter, als sie ist, junger Mann. Gestehen Sie offen Ihren Fehl¬ tritt ein. Von da ab hat der Teufel der Eitelkeit Sie geplagt -- Wort für Wort abgeschrieben."
"Von wem?"
"Ich will's noch glauben, daß Sie das Original selbst nicht kannten."
Der Minister war, mit einem stummen Wink, daß der Andere ihm folge, in sein Arbeitszimmer getreten. Vom Schreibtisch nahm er ein sauber mundirtes Promemoria und reichte es Walter: "Lesen Sie! die Ausarbeitung des Herrn von Fuchsius, welche dieser geschickte Arbeiter auf die von mir ihm angegebenen Ideen entwarf, ganz zu meiner Zufrie¬ denheit, ganz in meine Ideen eingehend."
Walter las, blätterte, überflog mit steigender Verwunderung. Das Thema dasselbe, die Einleitung die formelle eines geübten Geschäftsmannes, die Ein¬
„Als ich ſie vorgeſtern in die Hand bekam, war ich entzückt. Der Anfang ſuperbe. Das Vorwort iſt von Ihnen, das kann ein Geſchäftsmann nicht. So wollte ich die Verordnung vor's Publicum ge¬ bracht, ſo eingeleitet. Selbſt die Perücken, durch die ich mich ſchlagen muß, würden einigen Reſpect vor dieſer Ueberzeugungskraft, vor dieſer Geſinnung in blühender Sprache, die zum Herzen dringt, gewinnen. Das kommt von Ihnen? Nicht?“
„Wenn nicht ein unſichtbarer Geiſt es mir ein¬ gab, der ſein Eigenthum reclamirt.“
„Machen Sie Ihre Sache nicht ſchlechter, als ſie iſt, junger Mann. Geſtehen Sie offen Ihren Fehl¬ tritt ein. Von da ab hat der Teufel der Eitelkeit Sie geplagt — Wort für Wort abgeſchrieben.“
„Von wem?“
„Ich will's noch glauben, daß Sie das Original ſelbſt nicht kannten.“
Der Miniſter war, mit einem ſtummen Wink, daß der Andere ihm folge, in ſein Arbeitszimmer getreten. Vom Schreibtiſch nahm er ein ſauber mundirtes Promemoria und reichte es Walter: „Leſen Sie! die Ausarbeitung des Herrn von Fuchſius, welche dieſer geſchickte Arbeiter auf die von mir ihm angegebenen Ideen entwarf, ganz zu meiner Zufrie¬ denheit, ganz in meine Ideen eingehend.“
Walter las, blätterte, überflog mit ſteigender Verwunderung. Das Thema daſſelbe, die Einleitung die formelle eines geübten Geſchäftsmannes, die Ein¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0199"n="189"/><p>„Als ich ſie vorgeſtern in die Hand bekam, war<lb/>
ich entzückt. Der Anfang ſuperbe. Das Vorwort<lb/>
iſt von Ihnen, das kann ein Geſchäftsmann nicht.<lb/>
So wollte ich die Verordnung vor's Publicum ge¬<lb/>
bracht, ſo eingeleitet. Selbſt die Perücken, durch die<lb/>
ich mich ſchlagen muß, würden einigen Reſpect vor<lb/>
dieſer Ueberzeugungskraft, vor dieſer Geſinnung in<lb/>
blühender Sprache, die zum Herzen dringt, gewinnen.<lb/>
Das kommt von Ihnen? Nicht?“</p><lb/><p>„Wenn nicht ein unſichtbarer Geiſt es mir ein¬<lb/>
gab, der ſein Eigenthum reclamirt.“</p><lb/><p>„Machen Sie Ihre Sache nicht ſchlechter, als ſie<lb/>
iſt, junger Mann. Geſtehen Sie offen Ihren Fehl¬<lb/>
tritt ein. Von da ab hat der Teufel der Eitelkeit<lb/>
Sie geplagt — Wort für Wort abgeſchrieben.“</p><lb/><p>„Von wem?“</p><lb/><p>„Ich will's noch glauben, daß Sie das Original<lb/>ſelbſt nicht kannten.“</p><lb/><p>Der Miniſter war, mit einem ſtummen Wink,<lb/>
daß der Andere ihm folge, in ſein Arbeitszimmer<lb/>
getreten. Vom Schreibtiſch nahm er ein ſauber<lb/>
mundirtes Promemoria und reichte es Walter: „Leſen<lb/>
Sie! die Ausarbeitung des Herrn von Fuchſius,<lb/>
welche dieſer geſchickte Arbeiter auf die von mir ihm<lb/>
angegebenen Ideen entwarf, ganz zu meiner Zufrie¬<lb/>
denheit, ganz in meine Ideen eingehend.“</p><lb/><p>Walter las, blätterte, überflog mit ſteigender<lb/>
Verwunderung. Das Thema daſſelbe, die Einleitung<lb/>
die formelle eines geübten Geſchäftsmannes, die Ein¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[189/0199]
„Als ich ſie vorgeſtern in die Hand bekam, war
ich entzückt. Der Anfang ſuperbe. Das Vorwort
iſt von Ihnen, das kann ein Geſchäftsmann nicht.
So wollte ich die Verordnung vor's Publicum ge¬
bracht, ſo eingeleitet. Selbſt die Perücken, durch die
ich mich ſchlagen muß, würden einigen Reſpect vor
dieſer Ueberzeugungskraft, vor dieſer Geſinnung in
blühender Sprache, die zum Herzen dringt, gewinnen.
Das kommt von Ihnen? Nicht?“
„Wenn nicht ein unſichtbarer Geiſt es mir ein¬
gab, der ſein Eigenthum reclamirt.“
„Machen Sie Ihre Sache nicht ſchlechter, als ſie
iſt, junger Mann. Geſtehen Sie offen Ihren Fehl¬
tritt ein. Von da ab hat der Teufel der Eitelkeit
Sie geplagt — Wort für Wort abgeſchrieben.“
„Von wem?“
„Ich will's noch glauben, daß Sie das Original
ſelbſt nicht kannten.“
Der Miniſter war, mit einem ſtummen Wink,
daß der Andere ihm folge, in ſein Arbeitszimmer
getreten. Vom Schreibtiſch nahm er ein ſauber
mundirtes Promemoria und reichte es Walter: „Leſen
Sie! die Ausarbeitung des Herrn von Fuchſius,
welche dieſer geſchickte Arbeiter auf die von mir ihm
angegebenen Ideen entwarf, ganz zu meiner Zufrie¬
denheit, ganz in meine Ideen eingehend.“
Walter las, blätterte, überflog mit ſteigender
Verwunderung. Das Thema daſſelbe, die Einleitung
die formelle eines geübten Geſchäftsmannes, die Ein¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/199>, abgerufen am 09.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.