Der Minister horchte, den Kopf etwas vorgebeugt, zu, bis er ihn wieder in die Höhe warf. Er war ein ganz Andrer geworden, alle Unruhe und Agita¬ tion war fort. Sein Auge lachte sogar etwas höh¬ nisch, als er mit lauter Stimme sprach:
"Daß er die Proposition machen ließ, bezweifle ich gar nicht, wenn er aber England Hannover zu¬ rück anbot, so kenne ich die klugen Kaufleute in der Downingstreet zu gut. Fehlgeschossen, Ihr greift nicht nach dem Danaergeschenk. Wie! Eine Heerde Euch schenken lassen, und wenn sie Euch gehörte seit Abrahams Zeit, aber um Haide und Stall haben sich Wölfe gelagert! Wollt Ihr sie annehmen unter der Condition, daß Ihr die Wölfe nicht bekriegen dürft, daß Ihr Eure Lämmer unter der Aufsicht der Raubthiere scheert und die Wolle holt? Glaubt Ihr zu besitzen, was nur auf einem Vertrage beruht, und wenn der Wolf hungrig ist, wollt Ihr ihm das Pa¬ pier entgegen halten? Nimmermehr, Mylord, lehren Sie mich von Ihren Staatsmännern nicht kleiner denken, nicht an sie den Maßstab von diesen hier an¬ legen! Ja, sei es, das Interesse allein trennt und verbindet, und darum bleibt England uns verbün¬ det, wie gut oder wie schlecht wir's ihm gelohnt. Und doch rechne ich nicht darauf -- ich habe gelernt, auf nichts mehr zu rechnen, ich rechne allein -- doch das gehört nicht hierher. Im Uebrigen, Mylord, jetzt ist es Sommer, aber Bonaparte fängt erst im Herbst Krieg an."
Der Miniſter horchte, den Kopf etwas vorgebeugt, zu, bis er ihn wieder in die Höhe warf. Er war ein ganz Andrer geworden, alle Unruhe und Agita¬ tion war fort. Sein Auge lachte ſogar etwas höh¬ niſch, als er mit lauter Stimme ſprach:
„Daß er die Propoſition machen ließ, bezweifle ich gar nicht, wenn er aber England Hannover zu¬ rück anbot, ſo kenne ich die klugen Kaufleute in der Downingſtreet zu gut. Fehlgeſchoſſen, Ihr greift nicht nach dem Danaergeſchenk. Wie! Eine Heerde Euch ſchenken laſſen, und wenn ſie Euch gehörte ſeit Abrahams Zeit, aber um Haide und Stall haben ſich Wölfe gelagert! Wollt Ihr ſie annehmen unter der Condition, daß Ihr die Wölfe nicht bekriegen dürft, daß Ihr Eure Lämmer unter der Aufſicht der Raubthiere ſcheert und die Wolle holt? Glaubt Ihr zu beſitzen, was nur auf einem Vertrage beruht, und wenn der Wolf hungrig iſt, wollt Ihr ihm das Pa¬ pier entgegen halten? Nimmermehr, Mylord, lehren Sie mich von Ihren Staatsmännern nicht kleiner denken, nicht an ſie den Maßſtab von dieſen hier an¬ legen! Ja, ſei es, das Intereſſe allein trennt und verbindet, und darum bleibt England uns verbün¬ det, wie gut oder wie ſchlecht wir's ihm gelohnt. Und doch rechne ich nicht darauf — ich habe gelernt, auf nichts mehr zu rechnen, ich rechne allein — doch das gehört nicht hierher. Im Uebrigen, Mylord, jetzt iſt es Sommer, aber Bonaparte fängt erſt im Herbſt Krieg an.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0190"n="180"/>
Der Miniſter horchte, den Kopf etwas vorgebeugt,<lb/>
zu, bis er ihn wieder in die Höhe warf. Er war<lb/>
ein ganz Andrer geworden, alle Unruhe und Agita¬<lb/>
tion war fort. Sein Auge lachte ſogar etwas höh¬<lb/>
niſch, als er mit lauter Stimme ſprach:</p><lb/><p>„Daß er die Propoſition machen ließ, bezweifle<lb/>
ich gar nicht, wenn er aber England Hannover zu¬<lb/>
rück anbot, ſo kenne ich die klugen Kaufleute in der<lb/>
Downingſtreet zu gut. Fehlgeſchoſſen, Ihr greift<lb/>
nicht nach dem Danaergeſchenk. Wie! Eine Heerde<lb/>
Euch ſchenken laſſen, und wenn ſie Euch gehörte ſeit<lb/>
Abrahams Zeit, aber um Haide und Stall haben<lb/>ſich Wölfe gelagert! Wollt Ihr ſie annehmen unter<lb/>
der Condition, daß Ihr die Wölfe nicht bekriegen<lb/>
dürft, daß Ihr Eure Lämmer unter der Aufſicht der<lb/>
Raubthiere ſcheert und die Wolle holt? Glaubt Ihr<lb/>
zu beſitzen, was nur auf einem Vertrage beruht, und<lb/>
wenn der Wolf hungrig iſt, wollt Ihr ihm das Pa¬<lb/>
pier entgegen halten? Nimmermehr, Mylord, lehren<lb/>
Sie mich von Ihren Staatsmännern nicht kleiner<lb/>
denken, nicht an ſie den Maßſtab von dieſen hier an¬<lb/>
legen! Ja, ſei es, das Intereſſe allein trennt und<lb/>
verbindet, und darum bleibt England uns verbün¬<lb/>
det, wie gut oder wie ſchlecht wir's ihm gelohnt.<lb/>
Und doch rechne ich nicht darauf — ich habe gelernt,<lb/>
auf nichts mehr zu rechnen, ich rechne allein — doch<lb/>
das gehört nicht hierher. Im Uebrigen, Mylord,<lb/>
jetzt iſt es Sommer, aber Bonaparte fängt erſt im<lb/>
Herbſt Krieg an.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[180/0190]
Der Miniſter horchte, den Kopf etwas vorgebeugt,
zu, bis er ihn wieder in die Höhe warf. Er war
ein ganz Andrer geworden, alle Unruhe und Agita¬
tion war fort. Sein Auge lachte ſogar etwas höh¬
niſch, als er mit lauter Stimme ſprach:
„Daß er die Propoſition machen ließ, bezweifle
ich gar nicht, wenn er aber England Hannover zu¬
rück anbot, ſo kenne ich die klugen Kaufleute in der
Downingſtreet zu gut. Fehlgeſchoſſen, Ihr greift
nicht nach dem Danaergeſchenk. Wie! Eine Heerde
Euch ſchenken laſſen, und wenn ſie Euch gehörte ſeit
Abrahams Zeit, aber um Haide und Stall haben
ſich Wölfe gelagert! Wollt Ihr ſie annehmen unter
der Condition, daß Ihr die Wölfe nicht bekriegen
dürft, daß Ihr Eure Lämmer unter der Aufſicht der
Raubthiere ſcheert und die Wolle holt? Glaubt Ihr
zu beſitzen, was nur auf einem Vertrage beruht, und
wenn der Wolf hungrig iſt, wollt Ihr ihm das Pa¬
pier entgegen halten? Nimmermehr, Mylord, lehren
Sie mich von Ihren Staatsmännern nicht kleiner
denken, nicht an ſie den Maßſtab von dieſen hier an¬
legen! Ja, ſei es, das Intereſſe allein trennt und
verbindet, und darum bleibt England uns verbün¬
det, wie gut oder wie ſchlecht wir's ihm gelohnt.
Und doch rechne ich nicht darauf — ich habe gelernt,
auf nichts mehr zu rechnen, ich rechne allein — doch
das gehört nicht hierher. Im Uebrigen, Mylord,
jetzt iſt es Sommer, aber Bonaparte fängt erſt im
Herbſt Krieg an.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/190>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.