nehmen Besuch. Wenn sie sich der Thüre näherten, schallten Worte und ganze Sätze zu ihm; dann, die Klinke an der Hand, machten sie wieder Kehrt, es schien neues Oel in die Flamme gegossen, und indem sie sich tiefer in's Zimmer entfernten, gingen die Worte in unarticulirte Töne über. Er glaubte den Titel seiner Schrift zu hören. Er konnte sich aber auch getäuscht haben. Er näherte sich unwillkürlich dem Tische, worauf die letzte Lectüre des Ministers lag. Obenauf seine Schrift. Sie war an vielen Stellen eingeknifft. Er sah dicke rothe Striche, Ausrufungs- und Frage¬ zeichen. -- Also doch darum! Sie hatte die volle Aufmerksamkeit des ausgezeichneten Mannes erregt. Mußte er sich nicht vorbereiten? Er trat zaudernd noch näher. Da stand ein Bravo! dick neben einer Stelle. Sein Herz klopfte.
Schon griff seine Hand nach dem Buche, als die Thür aufsprang, und der Minister seinen Besuch hinaus begleitete. Sie bemerkten ihn im Eifer der Unterhaltung nicht; der Fremde mochte zur englischen Gesandtschaft gehören, sie sprachen englisch.
"Mylord, Preußen ist durch den neuen Vertrag ohne Schwertstreich aus der Reihe der europäischen Mächte gestrichen, Sie können's in hundert Schriften lesen, sprach der Minister. Was verlangen Sie noch von uns!"
"Und doch hat Seine Majestät, Ihr König, Laforest's Antrag nicht gewillfahrt," sagte der Eng¬ länder.
nehmen Beſuch. Wenn ſie ſich der Thüre näherten, ſchallten Worte und ganze Sätze zu ihm; dann, die Klinke an der Hand, machten ſie wieder Kehrt, es ſchien neues Oel in die Flamme gegoſſen, und indem ſie ſich tiefer in's Zimmer entfernten, gingen die Worte in unarticulirte Töne über. Er glaubte den Titel ſeiner Schrift zu hören. Er konnte ſich aber auch getäuſcht haben. Er näherte ſich unwillkürlich dem Tiſche, worauf die letzte Lectüre des Miniſters lag. Obenauf ſeine Schrift. Sie war an vielen Stellen eingeknifft. Er ſah dicke rothe Striche, Ausrufungs- und Frage¬ zeichen. — Alſo doch darum! Sie hatte die volle Aufmerkſamkeit des ausgezeichneten Mannes erregt. Mußte er ſich nicht vorbereiten? Er trat zaudernd noch näher. Da ſtand ein Bravo! dick neben einer Stelle. Sein Herz klopfte.
Schon griff ſeine Hand nach dem Buche, als die Thür aufſprang, und der Miniſter ſeinen Beſuch hinaus begleitete. Sie bemerkten ihn im Eifer der Unterhaltung nicht; der Fremde mochte zur engliſchen Geſandtſchaft gehören, ſie ſprachen engliſch.
„Mylord, Preußen iſt durch den neuen Vertrag ohne Schwertſtreich aus der Reihe der europäiſchen Mächte geſtrichen, Sie können's in hundert Schriften leſen, ſprach der Miniſter. Was verlangen Sie noch von uns!“
„Und doch hat Seine Majeſtät, Ihr König, Laforeſt's Antrag nicht gewillfahrt,“ ſagte der Eng¬ länder.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0182"n="172"/>
nehmen Beſuch. Wenn ſie ſich der Thüre näherten,<lb/>ſchallten Worte und ganze Sätze zu ihm; dann, die<lb/>
Klinke an der Hand, machten ſie wieder Kehrt, es<lb/>ſchien neues Oel in die Flamme gegoſſen, und indem<lb/>ſie ſich tiefer in's Zimmer entfernten, gingen die<lb/>
Worte in unarticulirte Töne über. Er glaubte den<lb/>
Titel ſeiner Schrift zu hören. Er konnte ſich aber auch<lb/>
getäuſcht haben. Er näherte ſich unwillkürlich dem Tiſche,<lb/>
worauf die letzte Lectüre des Miniſters lag. Obenauf<lb/>ſeine Schrift. Sie war an vielen Stellen eingeknifft.<lb/>
Er ſah dicke rothe Striche, Ausrufungs- und Frage¬<lb/>
zeichen. — Alſo doch darum! Sie hatte die volle<lb/>
Aufmerkſamkeit des ausgezeichneten Mannes erregt.<lb/>
Mußte er ſich nicht vorbereiten? Er trat zaudernd<lb/>
noch näher. Da ſtand ein Bravo! dick neben einer<lb/>
Stelle. Sein Herz klopfte.</p><lb/><p>Schon griff ſeine Hand nach dem Buche, als die<lb/>
Thür aufſprang, und der Miniſter ſeinen Beſuch<lb/>
hinaus begleitete. Sie bemerkten ihn im Eifer der<lb/>
Unterhaltung nicht; der Fremde mochte zur engliſchen<lb/>
Geſandtſchaft gehören, ſie ſprachen engliſch.</p><lb/><p>„Mylord, Preußen iſt durch den neuen Vertrag<lb/>
ohne Schwertſtreich aus der Reihe der europäiſchen<lb/>
Mächte geſtrichen, Sie können's in hundert Schriften<lb/>
leſen, ſprach der Miniſter. Was verlangen Sie noch<lb/>
von uns!“</p><lb/><p>„Und doch hat Seine Majeſtät, Ihr König,<lb/>
Laforeſt's Antrag nicht gewillfahrt,“ſagte der Eng¬<lb/>
länder.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[172/0182]
nehmen Beſuch. Wenn ſie ſich der Thüre näherten,
ſchallten Worte und ganze Sätze zu ihm; dann, die
Klinke an der Hand, machten ſie wieder Kehrt, es
ſchien neues Oel in die Flamme gegoſſen, und indem
ſie ſich tiefer in's Zimmer entfernten, gingen die
Worte in unarticulirte Töne über. Er glaubte den
Titel ſeiner Schrift zu hören. Er konnte ſich aber auch
getäuſcht haben. Er näherte ſich unwillkürlich dem Tiſche,
worauf die letzte Lectüre des Miniſters lag. Obenauf
ſeine Schrift. Sie war an vielen Stellen eingeknifft.
Er ſah dicke rothe Striche, Ausrufungs- und Frage¬
zeichen. — Alſo doch darum! Sie hatte die volle
Aufmerkſamkeit des ausgezeichneten Mannes erregt.
Mußte er ſich nicht vorbereiten? Er trat zaudernd
noch näher. Da ſtand ein Bravo! dick neben einer
Stelle. Sein Herz klopfte.
Schon griff ſeine Hand nach dem Buche, als die
Thür aufſprang, und der Miniſter ſeinen Beſuch
hinaus begleitete. Sie bemerkten ihn im Eifer der
Unterhaltung nicht; der Fremde mochte zur engliſchen
Geſandtſchaft gehören, ſie ſprachen engliſch.
„Mylord, Preußen iſt durch den neuen Vertrag
ohne Schwertſtreich aus der Reihe der europäiſchen
Mächte geſtrichen, Sie können's in hundert Schriften
leſen, ſprach der Miniſter. Was verlangen Sie noch
von uns!“
„Und doch hat Seine Majeſtät, Ihr König,
Laforeſt's Antrag nicht gewillfahrt,“ ſagte der Eng¬
länder.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/182>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.