wir uns von ihr heben lassen, schweben durch die Wolken, die sich öffnen, denn sie flüstert uns Bal¬ samworte zu: auch ich kannte Deine Schmerzen und Deine Wonnen."
"Raphael sucht, gnädigste Frau, neben dem Ideal der Schönheit immer auch die Naturwahrheit; nun will man in diesen reizenden Magdalenen --"
"O, ich kenne diese Kritik, unterbrach die Gar¬ gazin. Um der Wirklichkeit zu genügen, die sie Wahr¬ heit nennen, soll man die Magdalenen mit blassen Lippen, abgehärmten Wangen und erloschenen Augen malen. Das wird ein büßendes Weib, aber keine Heilige, die schon den Vorschmack der himmlischen Wonnen empfindet. Nein, eine Magdalene, die zur himmlischen Glorie sich aufschwingt, sie ist keine her¬ untergekommene Dirne aus den Kloaken irdischer Ge¬ meinheit, sie muß, indem ihr Auge die Himmels¬ wonnen kostet, was ihr dort geboten wird, noch mit dem vergleichen können, was sie zurückläßt. Dies schöne Haar, die reizende Figur, die süße Lippe und der wogende Busen, dies Alles, was wir sehen und was entzückt, muß auch ihr noch gefallen, sie muß sich mit Schmerzen davon trennen, und doch giebt sie es mit Vergnügen hin für die Schönheit und Wonne, die sie nur sieht. So denke ich sie mir wie einen Geist, der, schon frei im Aetherlichte empor¬ schwebend, noch einmal in die verlassene Hülle zu¬ rückgekehrt ist, um, nach des Dichters Worten, noch einmal mitzufühlen Schmerz und Qual."
wir uns von ihr heben laſſen, ſchweben durch die Wolken, die ſich öffnen, denn ſie flüſtert uns Bal¬ ſamworte zu: auch ich kannte Deine Schmerzen und Deine Wonnen.“
„Raphael ſucht, gnädigſte Frau, neben dem Ideal der Schönheit immer auch die Naturwahrheit; nun will man in dieſen reizenden Magdalenen —“
„O, ich kenne dieſe Kritik, unterbrach die Gar¬ gazin. Um der Wirklichkeit zu genügen, die ſie Wahr¬ heit nennen, ſoll man die Magdalenen mit blaſſen Lippen, abgehärmten Wangen und erloſchenen Augen malen. Das wird ein büßendes Weib, aber keine Heilige, die ſchon den Vorſchmack der himmliſchen Wonnen empfindet. Nein, eine Magdalene, die zur himmliſchen Glorie ſich aufſchwingt, ſie iſt keine her¬ untergekommene Dirne aus den Kloaken irdiſcher Ge¬ meinheit, ſie muß, indem ihr Auge die Himmels¬ wonnen koſtet, was ihr dort geboten wird, noch mit dem vergleichen können, was ſie zurückläßt. Dies ſchöne Haar, die reizende Figur, die ſüße Lippe und der wogende Buſen, dies Alles, was wir ſehen und was entzückt, muß auch ihr noch gefallen, ſie muß ſich mit Schmerzen davon trennen, und doch giebt ſie es mit Vergnügen hin für die Schönheit und Wonne, die ſie nur ſieht. So denke ich ſie mir wie einen Geiſt, der, ſchon frei im Aetherlichte empor¬ ſchwebend, noch einmal in die verlaſſene Hülle zu¬ rückgekehrt iſt, um, nach des Dichters Worten, noch einmal mitzufühlen Schmerz und Qual.“
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wir uns von ihr heben laſſen, ſchweben durch die
Wolken, die ſich öffnen, denn ſie flüſtert uns Bal¬
ſamworte zu: auch ich kannte Deine Schmerzen und
Deine Wonnen.“
„Raphael ſucht, gnädigſte Frau, neben dem Ideal
der Schönheit immer auch die Naturwahrheit; nun
will man in dieſen reizenden Magdalenen —“
„O, ich kenne dieſe Kritik, unterbrach die Gar¬
gazin. Um der Wirklichkeit zu genügen, die ſie Wahr¬
heit nennen, ſoll man die Magdalenen mit blaſſen
Lippen, abgehärmten Wangen und erloſchenen Augen
malen. Das wird ein büßendes Weib, aber keine
Heilige, die ſchon den Vorſchmack der himmliſchen
Wonnen empfindet. Nein, eine Magdalene, die zur
himmliſchen Glorie ſich aufſchwingt, ſie iſt keine her¬
untergekommene Dirne aus den Kloaken irdiſcher Ge¬
meinheit, ſie muß, indem ihr Auge die Himmels¬
wonnen koſtet, was ihr dort geboten wird, noch mit
dem vergleichen können, was ſie zurückläßt. Dies
ſchöne Haar, die reizende Figur, die ſüße Lippe und
der wogende Buſen, dies Alles, was wir ſehen und
was entzückt, muß auch ihr noch gefallen, ſie muß
ſich mit Schmerzen davon trennen, und doch
giebt ſie es mit Vergnügen hin für die Schönheit
und Wonne, die ſie nur ſieht. So denke ich ſie mir
wie einen Geiſt, der, ſchon frei im Aetherlichte empor¬
ſchwebend, noch einmal in die verlaſſene Hülle zu¬
rückgekehrt iſt, um, nach des Dichters Worten, noch
einmal mitzufühlen Schmerz und Qual.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/168>, abgerufen am 24.11.2024.
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