"Das ist eine geistreiche Combination, ein ge¬ nialer Gedanke!"
"Da hebt ja schon eine heilige Magdalene die Arme ihm entgegen. Wenn man die zwei Rahm¬ stücke ausschnitte, wäre es ein Bild. Dieselbe Größe, dieselbe Färbung."
"Ueberraschend! Worauf Sie mich aufmerksam machen!"
"Erlaucht haben viele Magdalenenbilder! Wo¬ hin ich sehe -- "
"Hier Battoni, da Correggio; da ist auch ein Murillo -- den liebe ich weniger -- dort ein Carlo Dolce, ein Van der Werf, Guido Reni. Von ge¬ schickten Malern copirt; ich gab ihnen meist selbst Anleitung."
"Seltsam, sagte die Geheimräthin, ich erinnere mich keiner Magdalene von Raphael."
"Der divino maestro hatte sich so ganz der Ma¬ rienverehrung hingegeben! Für mich hat der Mag¬ dalenencultus etwas Berauschenderes. Leben wir nicht Alle der Erde näher, keimt nicht das Veilchen aus ihrer dumpfen Verborgenheit, athmet die Nelke nicht ihre Würze, fühlt unsre Brust sich nicht wun¬ derbar geschmeichelt vom Duft der Nachtschatten! Die Marien bewundern, die Magdalenen begreifen wir. Wenn die ewige Jungfrau ihren Arm um uns legt, müßte es, dünkt mich, die Empfindung wie eines vom Blitz Getroffenen sein; wenn die heilige Magdalene ihn sanft um uns schlingt, o wie anders, wie gern würden
„Das iſt eine geiſtreiche Combination, ein ge¬ nialer Gedanke!“
„Da hebt ja ſchon eine heilige Magdalene die Arme ihm entgegen. Wenn man die zwei Rahm¬ ſtücke ausſchnitte, wäre es ein Bild. Dieſelbe Größe, dieſelbe Färbung.“
„Ueberraſchend! Worauf Sie mich aufmerkſam machen!“
„Erlaucht haben viele Magdalenenbilder! Wo¬ hin ich ſehe — “
„Hier Battoni, da Correggio; da iſt auch ein Murillo — den liebe ich weniger — dort ein Carlo Dolce, ein Van der Werf, Guido Reni. Von ge¬ ſchickten Malern copirt; ich gab ihnen meiſt ſelbſt Anleitung.“
„Seltſam, ſagte die Geheimräthin, ich erinnere mich keiner Magdalene von Raphael.“
„Der divino maëstro hatte ſich ſo ganz der Ma¬ rienverehrung hingegeben! Für mich hat der Mag¬ dalenencultus etwas Berauſchenderes. Leben wir nicht Alle der Erde näher, keimt nicht das Veilchen aus ihrer dumpfen Verborgenheit, athmet die Nelke nicht ihre Würze, fühlt unſre Bruſt ſich nicht wun¬ derbar geſchmeichelt vom Duft der Nachtſchatten! Die Marien bewundern, die Magdalenen begreifen wir. Wenn die ewige Jungfrau ihren Arm um uns legt, müßte es, dünkt mich, die Empfindung wie eines vom Blitz Getroffenen ſein; wenn die heilige Magdalene ihn ſanft um uns ſchlingt, o wie anders, wie gern würden
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„Das iſt eine geiſtreiche Combination, ein ge¬
nialer Gedanke!“
„Da hebt ja ſchon eine heilige Magdalene die
Arme ihm entgegen. Wenn man die zwei Rahm¬
ſtücke ausſchnitte, wäre es ein Bild. Dieſelbe Größe,
dieſelbe Färbung.“
„Ueberraſchend! Worauf Sie mich aufmerkſam
machen!“
„Erlaucht haben viele Magdalenenbilder! Wo¬
hin ich ſehe — “
„Hier Battoni, da Correggio; da iſt auch ein
Murillo — den liebe ich weniger — dort ein Carlo
Dolce, ein Van der Werf, Guido Reni. Von ge¬
ſchickten Malern copirt; ich gab ihnen meiſt ſelbſt
Anleitung.“
„Seltſam, ſagte die Geheimräthin, ich erinnere
mich keiner Magdalene von Raphael.“
„Der divino maëstro hatte ſich ſo ganz der Ma¬
rienverehrung hingegeben! Für mich hat der Mag¬
dalenencultus etwas Berauſchenderes. Leben wir
nicht Alle der Erde näher, keimt nicht das Veilchen
aus ihrer dumpfen Verborgenheit, athmet die Nelke
nicht ihre Würze, fühlt unſre Bruſt ſich nicht wun¬
derbar geſchmeichelt vom Duft der Nachtſchatten! Die
Marien bewundern, die Magdalenen begreifen wir.
Wenn die ewige Jungfrau ihren Arm um uns legt,
müßte es, dünkt mich, die Empfindung wie eines vom
Blitz Getroffenen ſein; wenn die heilige Magdalene ihn
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/167>, abgerufen am 16.02.2025.
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